Die Herausgeber von insgesamt neun
unabhängigen Arzneimittelzeitschriften, alle Mitglieder der International
Society of Drug Bulletins (ISDB), haben im Jahr 2015 in acht europäischen
Ländern Fragen zu wesentlichen Informationsquellen im Bereich der Institutionen
des öffentlichen Gesundheitswesens, z.B. Health Technology Assessment(HTA)-Einrichtungen,
und der Zulassungsbehörden in ihren eigenen Ländern beantwortet (1). Sechs
direkte, offene Fragen waren zu beantworten:
- Existieren im jeweiligen Land Informationen der nationalen Zulassungsbehörden bzw. Institutionen des öffentlichen Gesundheitswesens zur Sicherheit und zum Nutzen von Arzneimitteln? Falls ja, welche Institutionen stellen diese Informationen zur Verfügung?
- Was beinhalten derartige Informationen (z.B. Angaben zur Sicherheit bzw. zum Nutzen der Arzneimittel, zu regulatorischen Entscheidungen, Leitlinien, Zusammenfassungen der wissenschaftlichen Literatur, Zusammenfassung der Fach- bzw. Gebrauchsinformationen) und wie werden sie verbreitet (z.B. Newsletter, „Dear Doctor Letter“ bzw. Rote-Hand-Brief, Bulletin, Warnungen über e-mail)?
- Wer soll durch diese Informationen gezielt angesprochen werden (z.B. hauptsächlich Ärzteschaft, andere Gesundheitsberufe, Bürger)?
- Welche Stärken und Schwächen weisen diese Informationen auf?
- Liefern diese Informationen die für Angehörige der Gesundheitsberufe notwendigen Informationen?
- Wie könnte die Wirksamkeit derartiger Informationen gestärkt werden (z.B. hinsichtlich des Formats, ihres Inhalts, der Qualität des Inhalts, der Erreichbarkeit und der Umsetzung in die Praxis)?
Eine umfangreiche Tabelle fasst die
Ergebnisse der Umfrage in den beteiligten europäischen Ländern (Deutschland,
Frankreich, Großbritannien, Italien, Niederlande, Österreich, Spanien,
Tschechien) zusammen. Dort finden sich auch Angaben zu den jeweiligen Websites
der Institutionen bzw. Zulassungsbehörden und die wesentlichen Inhalte der
Informationen – unterteilt in fünf Kategorien: (Zusatz-)Nutzen und Sicherheit;
Pharmakovigilanz; Informationen für Patienten; regulatorische Informationen,
wie z.B. Fachinformation; andere Informationen. Erwartungsgemäß waren Art und Umfang
der Informationen in den acht befragten Ländern sehr unterschiedlich. Die mit
Abstand meisten Informationen zu Arzneimitteln wurden von Großbritannien und
Deutschland zur Verfügung gestellt. Dies erfolgte in den beiden Ländern durch
die nationalen Zulassungsbehörden (Großbritannien: Medicines and Healthcare
Products Regulatory Agency = MHRA, die medizinische Zulassungs- und
Aufsichtsbehörde für Arzneimittel; Deutschland: Bundesinstitut für Arzneimittel
und Medizinprodukte/BfArM bzw. Paul-Ehrlich Institut/PEI), die HTA-Einrichtungen
(Großbritannien: National Institute for Health and Care Excellence = NICE;
Deutschland: Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen =
IQWiG bzw. Gemeinsamer Bundesausschuss = G-BA) und weitere Institutionen des
staatlichen Gesundheitssystems in Großbritannien und Nordirland (National
Health Service = NHS) bzw. in Schottland das Scottish Intercollegiate Guideline
Network (SIGN) sowie die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft
(AkdÄ) und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) in Deutschland. In allen
Europäischen Ländern werden regelmäßig Informationen zur Arzneimittelsicherheit
(Pharmakovigilanz) durch die nationalen Zulassungsbehörden verteilt – in
Deutschland beispielsweise durch das vom BfArM und PEI herausgegebene Bulletin
zur Arzneimittelsicherheit (2). Demgegenüber wurden zum Zeitpunkt der Umfrage Informationen
für Patienten in fünf von acht und zum Zusatznutzen neuer Arzneimittel nur in
drei Ländern bereitgestellt. Allgemeine Informationen der nationalen
Zulassungsbehörden (z.B. Datenbank zu allen verfügbaren Arzneimitteln, Fach-
bzw. Gebrauchsinformationen) waren abrufbar in allen befragten Ländern, aber
auch über die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA).
Diese erste Umfrage zu den von
Institutionen des öffentlichen Gesundheitswesens und nationalen
Zulassungsbehörden bereitgestellten Informationen zu Arzneimitteln wurde zwar
nur in acht europäischen Ländern durchgeführt, umfasste aber die hinsichtlich des
Umsatzes von Arzneimitteln fünf führenden Länder Europas (Deutschland,
Großbritannien, Frankreich, Italien, Spanien; 3). Die Antworten der Mitgliedszeitschriften
der ISDB-Zeitschriften, darunter auch DER ARZNEIMITTELBRIEF, ergaben Hinweise
auf Stärken und Schwächen der verfügbaren Arzneimittelinformationen in den
jeweiligen Ländern. Zu Recht wurde von den Autoren darauf hingewiesen, dass die
wissenschaftliche Diskussion über Inhalte, Zugang und Nutzbarkeit derartiger,
zumindest teilweise evidenzbasierter Informationen zu Arzneimitteln nicht neu
ist, sondern bereits in der Vergangenheit intensiv geführt wurde von
Institutionen wie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und renommierten
Pharmakologen (4-6). Nationale Zulassungsbehörden und Institutionen des
öffentlichen Gesundheitswesens gelten heute neben unabhängigen
Arzneimittelbulletins (7) als wichtigste Informationsquellen für
Gesundheitsberufe und Patienten. Die aktuelle Umfrage verdeutlicht jedoch
wesentliche Unterschiede in der Qualität, aber auch Quantität derartiger
Informationen. Unbeantwortet bleibt die Frage, ob nationale Zulassungsbehörden
neben einer Datenbank zu den verfügbaren Arzneimitteln und aktuellen Meldungen
zur Sicherheit von Arzneimitteln auch Informationsmaterial über den Zusatznutzen
neuer Wirkstoffe – d.h. eine kritische, vergleichende Bewertung des Nutzens und
der Sicherheit – zur Verfügung stellen sollten. Aus unserer Sicht erscheint es
wichtiger, dass die nationalen Zulassungsbehörden, die heute auch beteiligt
sind im Rahmen der bei neuen Arzneimitteln ganz überwiegend durchgeführten
zentralisierten Verfahren der Zulassung, eine größtmögliche Transparenz für die
Entscheidungen der EMA herstellen (1; vgl. 8). Bewertende Informationen,
beispielsweise zum Zusatznutzen neuer Arzneimittel, sollten eher durch
Institutionen des öffentlichen Gesundheitswesens bereitgestellt werden. Dies
geschieht heute bereits in Großbritannien (NICE), Deutschland (G-BA) und
Frankreich (Haute Autorité de Santé = HAS).
Der Artikel (1) weist auch auf zahlreiche,
weiterhin bestehende Probleme hin: von der Auswahl relevanter Informationen bis
hin zur Bewertung, Darstellung und Umsetzung der Informationen zu Arzneimitteln
in der Praxis. Auch in den Ländern, wo bereits umfangreiche, evidenzbasierte
Informationen zur Verfügung stehen (Großbritannien und Deutschland) ergab die
Umfrage Mängel bei der Umsetzung derartiger Informationen (z.B. Anwendungsgebiete,
Dosierung, potenzielle Interaktionen, Sicherheitsaspekte). Verbesserungspotenzial
wurde besonders bei der Entwicklung von klar strukturierten Formaten zur
Vermittlung evidenzbasierter Informationen zu Arzneimitteln identifiziert. Ziel
muss es sein, dass diese Informationen leichter zugänglich, aber auch
verständlich sind und im Zusammenhang mit dem therapeutischen Stellenwert bzw.
dem Zusatznutzen neuer Arzneimittel vermittelt werden. Darüber hinaus sollte
eine weitere Harmonisierung der unterschiedlichen, nicht von pharmazeutischen
Unternehmern beeinflussten Informationsquellen auf europäischer Ebene
angestrebt werden (9, 10).
Intensiv diskutiert wird in Deutschland
derzeit das Thema: Wie soll ein Arztinformationssystem ausgestaltet werden, das
Ärzte besser über die Ergebnisse der frühen Nutzenbewertung informiert und
Hinweise auf eine sichere Anwendung neuer Arzneimittel gibt, und wie sollte mit
Informationen wie „Zusatznutzen nicht belegt“ bzw. „nicht quantifizierbarer
Zusatznutzen“ umgegangen werden (11)?
Literatur
- Formoso, G., et al.:Health Policy 2017, 121, 257.

- http://www.bfarm.de/DE/Arzneimittel/Pharmakovigilanz/ Bulletin/_node.html

- IMSInstitute for Healthcare Informatics: Global Medicines Use in 2020. Outlook andImplications. November 2015.
- Avorn,J.: N. Engl. J. Med. 2011, 364, 1185.
- Roughead,E.: Aust. Prescr. 2015, 38, 38.
- WorldHealth Organization/Health Action International. Drug promotion. What we know,what we have yet to learn; 2005.
- ISDBinformation booklet:
- AMB2017, 51, 06.

- Bauschke,R.: Health Policy 2012, 104, 12.

- European Commission:Strengthening of the EU cooperation on Health Technology Assessment (HTA);2017.
- Staeck, F.: Arztinformationssystem:Eine Vorgabe mit ungeklärten Folgewirkungen. In: Schwabe, U., und Herholz, H.:AMNOG 2.0 – Informationsprobleme. Springer Medizin, Neu-Isenburg, 2017(abrufbar unter
).
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