Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im
Gesundheitswesen (IQWiG) hat kürzlich im Auftrag des Gemeinsamen
Bundesausschusses (G-BA) acht neue Behandlungsmethoden mit Medizinprodukten
bewertet. Hierzu zählten die sog. „gezielte Lungendenervierung mittels
Katheterablation“ bei chronisch obstruktiver Lungenerkrankung sowie die sog.
„Sonografie-gesteuerte hochfokussierte Ultraschalltherapie“ bei sieben
verschiedenen Indikationen (Endometriose, Uterusmyome, Pankreastumore, primäre
und sekundäre Lebertumore sowie primäre und sekundäre Knochenmalignome).
Die wissenschaftliche Bewertung solch neuer Verfahren wurde
2015 in das deutsche Sozialgesetzbuch (SGB V) eingeführt. Das
Bewertungsverfahren wird initiiert, wenn ein Leistungserbringer, z.B. ein
Krankenhaus, erstmalig eine Anfrage auf zusätzliches Entgelt für ein neues
Verfahren stellt, diese neue Methode als ein neues theoretisch-wissenschaftliches
Konzept eingestuft wird und maßgeblich auf dem Einsatz von „Medizinprodukten
mit hoher Risikoklasse“ (Definition bei 1) beruht.. Die Entscheidung, ob
eine neue Methode in den Leistungskatalog aufgenommen und somit auch bezahlt
wird, fällt der G-BA. Grundlage hierfür ist das wissenschaftliche Gutachten des
IQWiG. Aus diesem muss erkennbar sein, dass ein Nutzen der neuen Methode belegt
ist oder dass sie zumindest das Potenzial einer erforderlichen
Behandlungsalternative bietet.
Im Fall der acht genannten neuen Methoden ist das IQWiG
offensichtlich an seine Schmerzgrenze gestoßen. Nur bei zwei Anwendungsgebieten
(Ultraschallbehandlung von Uterusmyomen und primären Lebertumoren) sahen die
Gutachter ein Potenzial als Behandlungsalternative zur Standardtherapie. Bei
den übrigen sechs eingereichten Anwendungsgebieten bzw. Methoden konnte an Hand
der eingereichten Unterlagen keine Bewertung erfolgen. Die übermittelte Evidenz
bestand bei diesen Verfahren teilweise aus kleinen unkontrollierten Fallserien.
Bei einer Indikation seien überhaupt keine Daten zu Behandlungsergebnissen
mitgeteilt worden, offenbar weil die Antragsteller davon ausgingen, dass es
sich um ein Analogverfahren handelt.
Diese acht Verfahren waren Anlass für eine Pressemitteilung
des IQWiG (2). Darin beklagt der Leiter des Instituts, Jürgen Windeler, es gehe
nicht an, „dass das Institut zur ersten Einschätzung neuer Verfahren in eine
Holschuld gerate und womöglich die weltweite Literatur erschöpfend durchforsten
müsse, um nachzuweisen, dass eine Methode kein Potenzial habe“. Zugleich
kritisiert er die spärliche Evidenz vieler Methoden, die bereits in der
Versorgung angewendet werden. Er beklagt, dass die vom IQWiG angewendeten
Standards der evidenzbasierten Medizin von vielen Ärzten und Herstellern als
„innovationsfeindlich“ zur Disposition gestellt würden. Die fundierte Prüfung
erfolge nicht aus bürokratischer Spitzfindigkeit, sondern um den Nutzen und
Schaden für die Patienten beurteilen zu können. Schließlich ginge es bei diesen
Technologien nicht um Pflaster oder Windeln, sondern um „Hochrisikoprodukte,
bei denen Nerven irreversibel gekappt oder Organe mit enormer Energie beschallt
werden.“
Wir schließen uns dieser Einschätzung an und erinnern an die
sog. „renale Sympathikusdenervierung“ zur Behandlung der therapierefraktären
Hypertonie. Wir haben dieses Verfahren besprochen, kritisiert und letztlich als
teures Plazebo bezeichnet (3). Trotz vieler Caveats wurde dieser Eingriff von
vielen einflussreichen Kardiologen und Hypertensiologen stark propagiert und
allein in Deutschland im Jahre 2012 an über 160 Zentren tausendfach
durchgeführt (4). Der Eingriff wurde mit 5.000 € von den Krankenkassen
vergütet. Den Hype beendete erst die SYMPLICITY-HTN-3-Studie, in der im Auftrag
der FDA prospektiv und einfachblind über 500 Patienten mittels renaler
Denervierung oder Sham-Prozedur (Nierenangiographie) vergleichend behandelt
wurden (5). Die postinterventionellen Blutdruckmessungen zeigten, dass es in
beiden Gruppen nach sechs Monaten zu einem etwa gleichen Abfall des
systolischen Blutdrucks gekommen war.
Heinrich Holzgreve, der die renale Denervierung im Deutschen
Ärzteblatt in einem sehr lesenswerten Artikel unter den Titel „Analyse einer
Fehleinschätzung“ aufgearbeitet hat (4), kam 2014 zu einem ähnlichen Schluss
wie aktuell Jürgen Windeler: „Dieses Beispiel zeigt, das sich die
Beweis-gestützte Medizin, die auf den Ergebnissen aus methodisch
anspruchsvollen, kontrollierten und randomisierten Studien an großen
Patientenkollektiven basiert, nicht durchgesetzt hat. Weiterhin konkurriert mit
diesem Prinzip eine auf Theorie gestützte ärztliche Handlungsweise, die sich an
Kriterien wie Plausibilität, persönliche Erfahrungen (nicht systematisch
dokumentiert und zahlenmäßig begrenzt), Glauben an Erfolgsmeldungen, methodisch
unzulängliche Studien und Aussagen von Meinungsbildnern („eminence based
medicine“) orientiert.“
Literatur
- http://www.buzer.de/gesetz/11848/a196121.htm

- https://www.iqwig.de/...

- AMB 2012, 46,33.
AMB 2014, 48, 16. 
- Holzgreve, H.: Dtsch.Arztebl. 2014, 111, A-794/B-682/C-648.

- Bhatt, L.D., et al. (SYMPLICITY HTN-3): N.Engl. J. Med. 2014, 370, 1393.

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