Wie wir berichtet haben, wurde 2011 in der EU und 2016 in
den USA der erste resorbierbare Koronar-Stent (Absorb®,
Fa. Abbott; Sirolimus-beschichteter Biopolymer-Stent auf Milchsäurebasis) zugelassen. Die
aufgrund der regulatorischen Besonderheiten im Bereich der Medizintechnik
bekannt rasche EU-Zulassung – vor allem aber die FDA-Zulassung trotz der sich
zu diesem Zeitpunkt bereits abzeichnenden ungünstigen Datenlage – waren
umstritten (1, 2): In der Ein-Jahres-Analyse der Zulassungsstudie
ABSORB III erfüllten die Ereignisraten des resorbierbaren Stents zwar die
prädefinierten Kriterien der Nichtunterlegenheit gegenüber einem
konventionellen Stent – und damit offenbar auch die Anforderungen der
FDA-Prüfer. Die Ereignisraten waren aber tendenziell höher als die beim „konventionellen
Stent“ (nicht signifikant). Als konventioneller Stent fungierte in allen
Studien ein seit Jahren weit verbreiteter antiproliferativ beschichteter
Drug-Eluting-Metall-Stent desselben Herstellers.
Nun wurde von der FDA eine Sicherheitswarnung zu Absorb® veröffentlicht (3).
Es gebe „ein erhöhtes Risiko für schwere kardiale Ereignisse“ im Vergleich zum
konventionellen Stent. Grundlage sind die aktuell vorgestellten Zwei-Jahres-Daten
der ABSORB III-Studie (4). In dieser Nachbeobachtung wurde der kombinierte
Endpunkt „Target Lesion Failure“ (TLF; d.h. kardialer Tod,
Infarkt im behandelten Zielgefäß oder eine Zweitintervention der behandelten
Zielläsion) nach resorbierbarem Stent (n = 1.322) im Vergleich zum
konventionellen Stent (n = 686) in 11% vs. 7,9% erreicht (Hazard
Ratio = HR: 1,42; 95%-Konfidenzintervall = CI: 1,04-1,94; p = 0,03).
Hauptverantwortlich für den Unterschied war die signifikant erhöhte Infarktrate
von 7,3% vs. 4,9% (p = 0,04). Die Häufigkeit der Stent-Thrombose lag
bei 1,9% vs. 0,8% (nicht signifikant), zwischen den Ein-Jahres- und den Zwei-Jahresauswertungen
lag diese bei 0,3% vs. 0% (nicht signifikant). Die Ereignisse waren besonders
häufig, wenn sich die „Zielläsion“ in einem kleinkalibrigen Koronargefäß
(Durchmesser < 2,25 mm) befand. Nach Ausschluss dieser Patienten
lag die TLF-Rate bei 9,4% vs. 7% (HR: 1,35; CI: 0,93-1,96; nicht signifikant).
Die an Ärzte und Risikomanager gerichtete FDA-Sicherheitswarnung enthält daher
die folgenden, etwas ratlos wirkenden Empfehlungen:
- in „kleinen“ Herzkranzgefäßen keinen resorbierbaren Stent zu verwenden (zugelassene Indikation: Gefäßdurchmesser ≥ 2,5 mm),
- sich generell an die in der Gebrauchsinformation beschriebene Implantationstechnik zu halten,
- den Patienten besonders dringlich die konsequente Einnahme der dualen antithrombozytären Medikation zu empfehlen,
- im Falle suspekter Symptome eine Abklärung zu veranlassen und
- Ereignisse gegebenenfalls an Medwatch zu melden, das „Adverse Event Reporting Program“ der FDA.
Da solche Ratschläge sowohl von Patienten als auch von
Ärzten „im wahren Leben“, also außerhalb klinischer Studien, erfahrungsgemäß nicht
besser, sondern schlechter eingehalten werden, ist aus unserer Sicht wegen der
Ergebnisse von ABSORB III der konventionelle Stent als das deutlich
sicherere System anzusehen. Studienautoren und Hersteller geben zwar die
Hoffnung nicht auf, dass sich die Datenlage von ABSORB III nach der
prognostizierten „Auflösung“ dieser Stent-Plattform in etwa drei Jahren doch
noch zugunsten des resorbierbaren Stents verschieben könnte. Da nach dieser
Zeit auch die TLF-Raten konventioneller Stents extrem niedrig sind, halten wir
einen solchen hypothetischen klinischen Vorteil für sehr unwahrscheinlich.
Der seit Juni 2016 in der EU zugelassene, ebenfalls
resorbierbare Everolimus-beschichtete Metall-Stent auf Magnesiumbasis (Magmaris®,
Biotronik) wird derzeit zwar beworben, doch wie die Langzeitergebnisse im
Vergleich zu konventionellen Stents sind, muss abgewartet werden (vgl. 2).
Nach den bisherigen Erfahrungen sollte seine Implantation außerhalb klinischer
Studien sehr zurückhaltend erfolgen.
Fazit: Die Skepsis bei der Marktzulassung des ersten
resorbierbaren Koronar-Stents war offenbar berechtigt: Die FDA warnt aufgrund
aktueller Studienergebnisse vor einem erhöhten Risiko für schwere kardiale
Ereignisse, z.B. Myokardinfarkt, im Vergleich zu konventionellen beschichteten
Metall-Stents. Wir
empfehlen, resorbierbare Koronar-Stents zunächst nur innerhalb klinischer
Studien anzuwenden.
Literatur
- AMB 2011, 45, 27.

- Ellis, S.G., et al. (ABSORB III): N. Engl. J. Med. 2015, 373,1905.
Vgl. AMB2016, 50, 68. 
- https://www.fda.gov/...

- Ellis, S.G., et al.:
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