Im August 2016 haben wir über eine gut geplante und von den
US-amerikanischen National Institutes of Health (NIH) finanzierte Studie zur
transdermalen Testosteron-Substitution bei älteren Männern (im Mittel
ca. 72 Jahre) berichtet (1). Indikationen für die Aufnahme in die
multizentrische, randomisierte, plazebokontrollierte Studie in dieser ersten
Publikation waren (bei relativ niedrigem Serum-Testosteron) folgende drei Komponenten:
1. Sexuelle Dysfunktion und/oder 2. Reduzierte Fitness und/oder
3. Mangelnde Vitalität und Depressionsneigung. Die über 12 Monate
durchgeführte Intervention, die zu einem Anstieg des Gesamt-Testosterons im
Serum in den Normbereich jüngerer Männer führte, hatte folgende Ergebnisse:
Initiale, aber später wieder nachlassende Besserung der sexuellen Dysfunktion;
keine signifikante Verbesserung von Fitness, Vitalität und in Tests ermittelte
Depressivität bei im Interview angegebener leicht verbesserter allgemeiner
Stimmung (alles im Vergleich mit Plazebo; 1). Die vom NIH initiierten
sogenannten TTrials beinhalten insgesamt sieben Indikations-Komponenten.
Über zwei weitere Komponenten wird jetzt im JAMA berichtet.
Eine dieser Teilstudien (2) mit der gleichen Interventionsmethodik
wie bei (1) betraf Männer mit „Age Associated Memory Impairment“ (AAMI;
Alters-assoziierter Gedächtnisschwäche). Männer, die subjektiv über Gedächtnisschwäche
klagten, zusätzlich in einem „Mini-Mental State“-Test weniger als 80 Punkte
erreichten und auch in weiteren mnemometrischen Tests bestimmte Kriterien erfüllten,
konnten in diese Subgruppe eingeschlossen werden. 493 Männer im mittleren
Alter von 72,3 Jahren wurden wie bei (1) für 12 Monate transdermal mit
Testosteron oder doppeltblind mit Plazebo-Gel behandelt.
Ergebnisse: Weder nach 6 noch nach 12 Monaten
fanden sich tendenziell, geschweige denn signifikant, Unterschiede zwischen
Verum und Plazebo hinsichtlich verbaler und visueller Gedächtnisleistungen. Nebenwirkungen
traten, wie auch bei (1), nicht auf, jedoch entwickelten mehr Patienten der
Testosteron-Gruppe eine Polyglobulie (Hb > 17,5 g/dl).
Eine weitere Teilstudie (3) untersuchte den Effekt
von einem Jahr transdermaler Testosteron-Therapie auf das Ausmaß verkalkter und
unverkalkter koronarer Plaques bei 170 älteren Männern, die die gleichen
Kriterien wie bei (1) erfüllten, aber zusätzlich der Durchführung koronarer
computertomografischer Angiografien (CCTA) vor und 12 Monate nach Testosteron-/Plazebo-Therapie
zustimmten. Probanden mit kurz zuvor erlittenem Myokardinfarkt oder
Schlaganfall, mit Blutdruck > 160/100 mm Hg sowie mit eingeschränkter
Nierenfunktion (GFR < 60 ml/min/1,73 m2 KÖF)
wurden in diese, nur in 9 von 12 Studienzentren, durchgeführte Teilstudie
nicht eingeschlossen. Vor Beginn der Therapiephase und nach 12 Monaten
wurde eine CCTA zunächst ohne Kontrastmittel (KM) durchgeführt, um den
Koronarkalk zu quantifizieren. Dann wurde das Gesamt-Plaque-Volumen nach
Injektion von KM evaluiert. Primärer Endpunkt der Studie war die Änderung des
nicht-kalzifizierten koronaren Plaque-Volumens. Sekundäre Endpunkte waren
Koronarkalk und Gesamt-Plaque-Volumen. Probanden, die bei der ersten
Untersuchung das KM nicht gut vertragen hatten, wurden nach 12 Monaten nur ohne
KM untersucht.
Ergebnisse: Nur bei 138 der 170 in die Studie
eingeschlossenen Männern war eine komplette Auswertung möglich. Sie waren im
Mittel 71,2 Jahre alt, 81% waren „Weiße“. Bei der Erstuntersuchung hatten
50% der Männer einen koronaren Kalk-Score von > 300 Agatston-Einheiten,
was einer deutlichen Koronarsklerose entspricht. In der Testosteron-Gruppe
hatte das gesamte kalkfreie Plaque-Volumen nach einem Jahr Therapie von median 204
auf 232 mm3 zugenommen, in der Plazebogruppe von 317 auf
325 mm3. Die Zunahme war in der T-Gruppe größer als unter
Plazebo (p = 0,003). Auch das Gesamt-Plaque-Volumen (aber nicht der
Koronarkalk per se) nahm unter Testosteron stärker zu als unter Plazebo
(p = 0,006). Klinische Komplikationen seien während der Intervention
nicht aufgetreten.
Beurteilung: Eine Testosteron-Therapie für ein Jahr bei
älteren Männern mit leichtem „symptomatischem“ Hypogonadismus hatte keinen
signifikanten Effekt auf – in dieser Altersgruppe häufige – leichtere verbale
und visuelle Gedächtnisleistungen. Die als Nebenwirkung festgestellte Zunahme
der Hämoglobinkonzentration im Blut ist ein Risikofaktor für thromboembolische
Ereignisse. Die Teilstudie mit zweimaliger CCTA mit Kontrastmittel zur
Eruierung des Effekts der einjährigen Testosteron-Therapie auf die Entwicklung
des koronaren Plaque-Volumens ohne individuell gegebene Indikation erscheint
uns ethisch bedenklich. Testosteron führte zu einer Zunahme und nicht zu der
von manchen Befürwortern einer Testosteron-Therapie im Alter erhofften Abnahme
koronarer Plaques. Erstaunlich ist der große Unterschied der
Kalzifizierungs-Scores (vor und nach Intervention) zwischen den Verum- und
Plazebo-Gruppen. Die Ergebnisse in einem gewissen Widerspruch zu einer Studie,
in der nach drei Jahren Testosteron-Therapie wegen leicht erniedrigtem
Serum-Testosteron mittels intrakoronarem Ultraschall keine Zunahme der
koronaren Intima-Dicke festgestellt wurde (4). Zweifel an der klinischen
Relevanz der CCTA-Methodik müssen daher noch geklärt werden.
Die verbleibenden zwei Teilstudien der TTrials befassen sich
mit den Einflüssen von Testosteron auf leichte Anämien (5) und die
Knochendichte (6) bei älteren Männern. Dass beide Parameter durch Testosteron
günstig beeinflusst werden, ist lange bekannt und begründet an sich keine Indikation
für eine Therapie mit Testosteron.
Fazit: Wie auch in der ersten Mitteilung zu den TTrials (1) waren
günstige Effekte einer einjährigen Testosteron-Therapie bei älteren Männern auf
Gedächtnisschwäche nicht nachweisbar. Hinsichtlich des koronaren
Plaque-Volumens waren die Ergebnisse sogar besorgniserregend. Von einer
Testosteron-Therapie bei Männern mit den beschriebenen Einschlusskriterien in
die TTRials ist abzuraten. Wie bereits früher bemerkt (1), sollten jedoch
ältere Männer mit eindeutigem primärem oder sekundärem Hypogonadismus nach
Abklärung der Ursachen mit Testosteron behandelt werden (echte
Substitutionstherapie). Wir stimmen mit dem Verfasser eines Editorials im JAMA
(7) überein, dass die enorme Zunahme von Testosteron-Verschreibungen in letzter
Zeit nicht ohne die Komplizenschaft von Ärztegruppen und einzelnen Ärzten mit
Interessenkonflikten sowie unseriösen Kampagnen der Anti-Aging-Bewegung zu
erklären ist.
Literatur
- Snyder,P.J., et al.: N. Engl. J. Med. 2016, 374, 611.
AMB 2016, 50, 59. 
- Resnick,S.M., et al. (The Testosteron Trial in Older Men): JAMA 2017, 317, 717.

- Budoff,M.J., et al. (The Testosteron Trial in Older Men): JAMA 2017, 317, 708.

- Basaria,S., et al. (TEAAM = Testosterone's Effects on Atherosclerosisprogression in Aging Men): JAMA 2015, 314, 570.

- Roy, C.N., et al. (TheTestosteron Trial in Older Men): JAMA Intern. Med. 2017, 177, 480.

- Snyder,P.J., et al. (The Testosteron Trial in Older Men): JAMA Intern. Med. 2017, 177,471.

- Handelsman,D.J.: JAMA 2017, 317, 699.

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