Neue,
aussagekräftige Studien mit dem Ziel, den Einsatz von Antibiotika bei
verschiedenen Erkrankungen kritisch zu überprüfen, sind wegen der zunehmenden Bildung
und Verbreitung multiresistenter Bakterien und wegen Nebenwirkungen der
Antibiotika (z.B. Toxizität, Allergien, pseudomembranöse Kolitis) wichtig. Die
Anfang 2017 publizierte DIABOLO-Studie untersuchte in diesem Zusammenhang die
Frage, ob bei einer unkomplizierten, erstmaligen akuten Divertikulitis eine
„Watchful waiting"-Strategie der antibiotischen Behandlung ebenbürtig ist
(1). Zweifel, dass Antibiotika bei unkomplizierter akuter Divertikulitis
unbedingt sofort erforderlich sind, kamen auf, seit im Jahr 2012 eine
multizentrische nordeuropäische Studie keinen Nachteil einer
„Watchful-waiting"-Strategie gegenüber der intravenösen Gabe von
Antibiotika gezeigt hatte (2).
Eine
Divertikulose haben 10% der 50-Jährigen, und in jeder Dekade steigt die Prävalenz
um ca. 10%. Das gesamte Kolon kann betroffen sein, jedoch dominieren die
Divertikel im Sigma und deszendierenden Kolon. Bei 10-25% der Betroffenen führt
die Divertikulose zu einer klinisch relevanten Divertikulitis. Im tradierten
pathophysiologischen Modell führt die Stase von Stuhl und die Obstruktion der
Divertikel zu einer bakteriellen Infektion durch gram-negative Erreger,
besonders E. coli. Der genaue Pathomechanismus, der zu einer
Divertikulitis führt, ist jedoch komplexer und nicht abschließend geklärt.
Ballaststoffarme Kost und eine altersbedingte Degeneration des enteralen
Nervensystems sollen zu erhöhten und unkoordinierten Kontraktionen der
Darmmuskulatur führen und die Bildung von Divertikeln begünstigen.
Veränderungen des Mikrobioms sowie genetische Faktoren und erhöhte Spiegel von
proinflammatorischen Zytokinen, z.B. bei Adipositas, können zu subklinischen,
chronischen Darmentzündungen führen und eine Rolle bei der Entstehung einer
akuten Divertikulitis spielen (3, 4).
Die meisten Personen
mit Divertikulose sind beschwerdefrei. Die akute Divertikulitis verläuft oft
mit linksseitigen Unter- oder Mittelbauchbeschwerden („Linksappendizitis des
Alters"), die gelegentlich wie eine Zystitis imponieren. Zudem können
Fieber, Beschwerden bei der Defäkation und Meläna auftreten. Bei
immunsupprimierten Patienten verläuft die Divertikulitis häufig
oligosymptomatisch. Zur Diagnose eignen sich (sind aber nicht immer
erforderlich) CT und MRT (Sensitivität > 95%, Spezifität
> 98%), sowie auch zur Erkennung von Komplikationen und zur Abgrenzung
der wichtigsten Differenzialdiagnosen, wie z.B. akuter Schub einer chronisch
entzündlichen Darmerkrankung, infektiöse Kolitis, Kolonkarzinom und
gynäkologische Erkrankungen. Auch mittels Sonografie
(> 5 MHz-Schallkopf) kann die Diagnose gestellt werden, doch
hängen Sensitivität und Spezifität sehr vom Können und von der Erfahrung des
Untersuchers ab. Bei akuter unkomplizierter Divertikulitis sind am Punctum
maximum der Beschwerden sehr häufig folgende Befunde zu erheben:
- echoarme Wandverdickung (> 5 mm) mit aufgehobener Wandschichtung,
- echoarme Darstellung des entzündeten Divertikels,
- echoreiches, entzündetes, perikolisches Fettgewebe.
Der CRP-Wert erleichtert die
Risikostratifizierung und ist nützlich bei der Beurteilung des
Krankheitsverlaufs.
Die Einteilung
der akuten Divertikulitis berücksichtigt CT- bzw. MRT-Kriterien und kann nach
der modifizierten Hinchey-Klassifikation erfolgen (s. Tab. 1; 5).
Die Therapie der akuten
Divertikulitis hat das Ziel, die Beschwerden rasch zu lindern und
Komplikationen zu verhindern (Perforation von Divertikeln, Abszesse,
Divertikelblutungen, Fisteln, Strikturen, Peritonitis und Sepsis).
Die Frage, ob eine bisher
praktizierte antibiotische Therapie bei unkomplizierter akuter Divertikulitis
überhaupt einen Vorteil bringt, wurde bereits früher von Chabok et al. in einer
multizentrischen, randomisierten, kontrollierten Studie untersucht (2). Die
eine Hälfte der 623 Patienten mit einer mittels CT gesicherten akuten,
unkomplizierten Divertikulitis, d.h. Stadium 0 und 1a (s. Tab. 1),
erhielten lediglich intravenös Flüssigkeit (Kontrollgruppe) und die andere
Hälfte eine insgesamt 7-tägige antibiotische Behandlung, bei der initial
intravenös Cephalosporine der 2. und 3. Generation in Kombination mit
Metronidazol verabreicht wurden oder nur ein Carbapenem oder nur
Piperacillin/Tazobactam. Nach klinischer Besserung wurden die Patienten im
Therapiearm oral mit Metronidazol plus Ciprofloxacin oder Cefadroxil
weiterbehandelt. Initial hatten ca. 90% aller Patienten linksseitige
Unterbauchschmerzen und eine Temperatur > 38°C. Die Patienten hatten
eine Leukozytose von im Mittel 12.000/µl und einen CRP-Wert > 90 mg/l. Alle Patienten
wurden stationär überwacht. Zehn Patienten aus der Kontrollgruppe erhielten im
Verlauf doch Antibiotika, da der CRP-Wert, die Temperatur oder die Schmerzen
zunahmen. Es fanden sich keine signifikanten Unterschiede bezüglich der
stationären Aufenthaltsdauer (im Mittel 3 Tage) und der Häufigkeit von
Komplikationen. In der Kontrollgruppe traten drei Perforationen und drei
Abszesse und in der Antibiotikagruppe drei Perforationen auf. In der
Kontrollgruppe musste eine und in der Therapiegruppe mussten drei
Notfallsigmaresektionen durchgeführt werden. Auch nach einem Jahr
Nachbeobachtung ergaben sich keine signifikanten Unterschiede.
Kürzlich publizierten Daniels et al.
die Ergebnisse einer multizentrischen, randomisierten, kontrollierten Studie
(1), die Patienten mit erstmaliger, linksseitiger akuter Divertikulitis bis
Stadium Ib der modifizierten Hinchey-Skala einschloss, d.h. auch Patienten mit
perikolischen Entzündungszeichen und perikolischen Abszessen bis 5 cm. Die
Diagnose wurde primär mittels CT oder sonografisch gestellt; im letzteren Fall
erfolgte dann innerhalb von 24 Stunden die Bestätigung mit dem CT.
Ausgeschlossen waren Schwangere, septische oder immunsupprimierte Patienten und
solche, die in den 4 Wochen zuvor Antibiotika erhalten hatten. Von den 528
eingeschlossenen Patienten wurde eine Gruppe (n = 262) beobachtet und
die andere (n = 266) 10 Tage antibiotisch behandelt: zunächst
intravenös mit Amoxicillin/Clavulansäure (viermal 1200 mg/d) über
mindestens 48 h und danach oral mit Amoxicillin/Clavulansäure (dreimal
625 mg/d). Bei Unverträglichkeit wurde auf Ciprofloxacin plus Metronidazol
gewechselt. Patienten mit Temperaturen < 38°C und Schmerzen < 4
auf der visuellen Analogskala, die feste Kost zu sich nehmen konnten und deren
tägliche Trinkmenge über einem Liter lag, wurden ambulant behandelt. Patienten
der Kontrollgruppe erhielten nur dann eine antibiotische Therapie, wenn sie
sich klinisch verschlechterten, Temperaturen > 39°C entwickelten oder
septisch wurden bzw. die Blutkulturen positiv waren.
Die
Patienten der Kontrollgruppe hatten im Mittel eine Leukozytose von 12.500/µl,
einen CRP-Wert von 73 mg/l und zu 90% ein Hinchey-Stadium la. Bei den
Patienten im Therapiearm lag die mittlere Leukozytenzahl bei 12.000/µI, der
CRP-Wert bei 83 mg/l und 94% hatten im CT das Hinchey-Stadium la.
Der primäre Endpunkt „vollständige
Genesung nach 6 Monaten“ zeigte keine signifikanten Unterschiede zwischen
Kontroll- und Verumgruppe, ebenso wie die sekundären Endpunkte nach
6 Monaten: Übergang in eine komplizierte Divertikulitis (3,8% vs. 2,6%),
Rezidivrate (3,4% vs. 3,0%), Sigmaresektion (3,8% vs. 2,3%) und Letalität (1,1%
vs. 0,4%). Signifikante Vorteile für die Kontrollgruppe fanden sich bei dem
Anteil ambulanter Behandlungen (13,0% vs. 0,4%), dem Median der stationären
Aufenthaltsdauer (2 vs. 3 Tage) und erwartungsgemäß bei den Nebenwirkungen
der Antibiotika (0,4% vs. 8,3%).
Eine Kohortenstudie aus 2016 (6)
ergab, dass bei CT-gesicherter akuter, unkomplizierter Divertikulitis Stadium
la der modifizierten Hinchey-Skala die Watchful-waiting-Strategie dann sicher
ist, wenn keine Temperaturen > 39,5°C, Peritonitis, Sepsis,
Schwangerschaft oder ein schlechter Allgemeinzustand vorliegen. Antibiotika
erhielten 5 der 177 analysierten Patienten wegen klinischer Verschlechterung,
und es trat nur eine Komplikation (Fistel) auf.
Fazit: Bei CT-gesicherter, unkomplizierter akuter Divertikulitis –
auch bei deutlich erhöhten CRP- und Leukozytenwerten – kann auf eine
antibiotische Therapie zunächst verzichtet werden, d.h. wenn Temperaturen
> 39°C, Peritonitis, Sepsis, Bakteriämie oder Immunsuppression und ein
schlechter Allgemeinzustand nicht vorhanden sind. Der klinische Zustand der
Patienten sollte bei dieser „Watchful-waiting“-Strategie engmaschig kontrolliert
werden, um bei denjenigen Patienten eine antibiotische und eventuell
chirurgische Therapie zu beginnen, die sich klinisch verschlechtern, über
zunehmende abdominelle Schmerzen klagen, Temperaturen > 39°C entwickeln
oder septisch werden. Patienten mit Temperaturen < 38°C, und Schmerzen
< 4 auf der visuellen Analogskala, die in der Lage sind täglich
> 1 I zu trinken und feste, faserarme Kost zu essen, können
ambulant behandelt werden.
Literatur
- Daniels, L., et al. (DIABOLO = DIverticulitis: AntiBiotics Or cLose Observation?3D = Dutch Diverticular Disease collaborative study group): Br. J. Surg. 2017, 104, 52.

- Chabok, A., et al. (AVOD = Antibiotika Vid Okomplicerad Divertikulit): Br. J. Surg. 2012, 99, 532.

- Floch, M.H.: J. Clin. Gastroenterol. 2006, 40, S121.

- Tursi, A., et al.: Aliment. Pharmacol. Ther. 2015, 42, 664.
- Barat, M., et al.: Abdom. Radiol. (NY) 2016, 41, 1842.

- Brochmann, N.D., et al.: Colorectal Dis. 2016, 18, 1101.

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