Angiotensin-Konversionsenzym-Hemmer
(ACE-Hemmer) und Angiotensin-II-Rezeptor-Blocker (Sartane) gehören
als Hemmstoffe des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAAS) zu den
am häufigsten angewendeten Wirkstoffen in Deutschland (1). Sie
haben sich bewährt. Über ihr ursprüngliches
Indikationsgebiet Hypertonie hinaus werden sie auch bei
Herzinsuffizienz, diabetischer Nephropathie und koronarer
Herzkrankheit eingesetzt.
Nach Beginn einer
Therapie mit RAAS-Hemmern kann sich die Nierenfunktion verschlechtern
und nach Absetzen dieser Wirkstoffe wieder verbessern (2) – das
ist lange bekannt. Ursache ist eine Dilatation des Vas efferens des
Glomerulus, die zu einer Abnahme des Filtrationsdrucks im Glomerulus
und zur Reduktion der glomerulären Filtrationsrate (GFR) führen
kann mit einem Anstieg des Kreatinins im Serum. Nach Beginn der
Behandlung mit einem ACE-Hemmer oder Sartan wird deshalb eine
Kontrolle der Nierenfunktion empfohlen. Laut einer Leitlinie des
britischen National Institute for Health and Care Excellence (NICE)
ist ein Anstieg des Kreatinins von < 30% des Ausgangswerts
und eine Abnahme der GFR von < 25% zu tolerieren (3). Nach
einer Leitlinie der European Society of Cardiology (ESC) ist sogar
ein Anstieg des Kreatinins um bis zu 50% des Ausgangswerts akzeptabel
(4). Gute Evidenz für die Festlegung solcher Grenzwerte gibt es
allerdings nicht (5, 6). Die Bedeutung dieses Kreatininanstiegs
für den Verlauf kardialer und renaler Erkrankungen ist bisher
nicht gut bekannt. Nun wurde in einer retrospektiven
populationsbasierten Kohortenstudie mit Daten aus Großbritannien
untersucht, ob es zu dieser Frage statistische Korrelationen gibt
(5).
Durch
Zusammenfügen von zwei Datenbanken wurden Patientendaten aus dem
hausärztlichen Bereich mit Krankenhausdaten verbunden. Von den
insgesamt 303.451 Patienten, die zwischen dem 1.4.1997 und 31.3.2014
eine Therapie mit einem ACE-Hemmer oder einem Sartan neu begonnen
hatten, konnten 122.363 Patienten protokollgemäß
eingeschlossen werden, weil bei ihnen Kreatininwerte innerhalb von
12 Monaten vor und zwei Monaten nach Therapiebeginn vorlagen. Zu
den Endpunkten dieser statistischen Auswertung gehörten
terminale (d.h. dialysepflichtige) Niereninsuffizienz,
Myokardinfarkt, Herzinsuffizienz und die Letalität.
Ergebnisse:
Nur bei relativ wenigen Patienten stieg das Kreatinin um ≥ 30%
an (2.078 von 122.363 = 1,7%). Im Vergleich zu Patienten mit einem
Kreatininanstieg von < 30% betraf dies häufiger Frauen
(56,1% vs. 46,1%) und ältere Patienten (medianes Alter 68 vs.
63 Jahre). Sie hatten außerdem häufiger kardiorenale
Begleiterkrankungen, wie Niereninsuffizienz im Stadium 3 oder 4 (8,9%
vs. 4,3%) oder Herzinsuffizienz (19,0% vs. 4,8%) und nahmen auch
häufiger nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAID) und Diuretika
ein. Ein Kreatininanstieg von ≥ 30% war mit einer erhöhten
Inzidenzrate aller Endpunkte verbunden: Sie betrug für terminale
Niereninsuffizienz 3,43 (95%-Konfidenzintervall = CI: 2,40-4,91), für
Myokardinfarkt 1,46 (CI: 1,16-1,84), für Herzinsuffizienz 1,37
(CI: 1,14-1,65) und für Tod 1,84 (CI: 1,65-2,05). Die Berechnung
war auf mehrere Faktoren adjustiert, darunter Alter, Geschlecht,
Komorbiditäten und Begleitmedikation. Die Risiken waren im
ersten Jahr der Behandlung am höchsten, aber auch nach 10 Jahren
noch höher als bei solchen Patienten ohne Kreatininanstieg.
Weitere Analysen
ergaben, dass auch ein Kreatininanstieg von < 30% mit einem
erhöhten Risiko für alle Endpunkte assoziiert war. Mit der
Höhe des Kreatininanstiegs stieg auch die Assoziation mit
negativen Ergebnissen („Dosis-Wirkungs-Beziehung“).
Diskussion:
Die Aussagekraft der Studie ist –
wie bei allen populationsbasierten Kohortenstudien –
aus verschiedenen Gründen begrenzt. Ein kausaler Zusammenhang
zwischen dem RAAS-Hemmer-induzierten Kreatininanstieg und dem
Erreichen der kardiorenalen Endpunkte kann natürlich nicht
abgeleitet werden. Dennoch identifiziert der Kreatininanstieg
möglicherweise Patienten, die enger überwacht werden
sollten hinsichtlich kardiorenaler Erkrankungen. So sehen es die
Autoren der Studie (5) und eines begleitenden Editorials (6). Die
Kohorte war außerdem begrenzt auf die Patienten, bei denen
Kreatininwerte vorlagen; dadurch wurden möglicherweise Patienten
mit einem höheren Risiko für kardiorenale Erkrankungen
selektiert. Außerdem fehlte naturgemäß eine
unbehandelte Kontrollgruppe, die Indikation für die
RAAS-Hemmer-Therapie wurde nicht analysiert, ein Drittel der
Kreatininwerte vor Beginn der Therapie waren älter als sechs
Monate, und ungefähr ein Viertel der Patienten erhielt mit NSAID
eine Komedikation, die das Risiko für eine
Nierenfunktionsstörung und kardiale Nebenwirkungen erhöht.
Fazit:
Das Ergebnis einer retrospektiven populationsbasierten Kohortenstudie
zeigte, dass schon ein leichter Anstieg des Kreatinins nach Beginn
einer Therapie mit einem ACE-Hemmer oder einem Sartan statistisch mit
einem erhöhten Risiko für terminales Nierenversagen,
kardiovaskuläre Erkrankungen und Tod assoziiert ist. Das
Erreichen dieser Endpunkte ist natürlich nicht Folge des
Kreatininanstiegs. Möglicherweise identifiziert er aber
Risikopatienten, die besonders eng überwacht werden sollten.
Literatur
Anlauf,
M., und Weber, F. in: Schwabe, U., und Paffrath, D. (Hrsg.):
Arzneiverordnungs-Report 2016. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg
2016. S. 209.
AMB
2011, 45,
31.

https://www.nice.org.uk/Guidance/CG182

http://www.escardio.org/static_file/
Escardio/Guidelines/ehw128_Addenda.pdf

Schmidt,
M., et al.: BMJ 2017, 356,
j791.
Valente,
M., und Bhandari, S.: BMJ 2017, 356,
j1122.
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