Wir haben kürzlich
über die PIONEER-AF-PCI-Studie
berichtet, in der drei verschiedene antithrombotische Mehrfach-Regime
bei Patienten mit Vorhofflimmern und Koronarinterventionen getestet
wurden (1). Bei diesen Patienten ergibt sich ein großes
therapeutisches Problem, denn sie sind einerseits stark
blutungsgefährdet und haben andererseits ein hohes Risiko für
ischämische Ereignisse (Schlaganfälle, Stent-Thrombosen).
Die Standardtherapie besteht bislang aus einem oralen Antikoagulans
(OAK), entweder einem Vitamin-K-Antagonisten (VKA; INR: 2-2,5)
oder einem neuen Antikoagulans (NOAK) plus doppelter Plättchenhemmung
(meist ASS plus Clopidogrel) für einen begrenzten Zeitraum (sog.
Tripel-Therapie, vgl. 2, 3). Bei etwa einem Viertel dieser
Patienten kommt es hierunter jedoch zu klinisch bedeutsamen
Blutungen. Deshalb empfehlen aktuelle Leitlinien für Patienten
mit erhöhtem Blutungsrisiko statt der Tripel- nur eine duale
Therapie aus Clopidogrel und einem OAK. Von Ticagrelor (Tic) und
Prasugrel (Pra) als Kombinationspartner wird aus Sicherheitsgründen
explizit abgeraten (4). Grundlage dieser Empfehlungen sind die WOEST-
und die PIONEER-AF-PCI-Studien, über die wir ausführlich
berichtet haben (vgl. 1, 5).
In der
PIONEER-AF-PCI-Studie
(n = 2.124) waren Blutungen unter dosis-reduziertem
Rivaroxaban plus doppelter bzw. einfacher Plättchenhemmung
gegenüber der Standard-Tripel-Therapie deutlich seltener.
Allerdings war die Aussagekraft dieser Studie wegen methodischer
Mängel eingeschränkt (offenes Design, nicht äquivalente
Dosierungen, Gruppen zu klein für verlässliche Aussagen zu
Stent-Thrombosen und anderen ischämischen Ereignissen; vgl. 1).
Nun hat auch Boehringer
Ingelheim sein NOAK Dabigatran (Dab) bei dieser Indikation getestet.
In der RE-DUAL-PCI-Studie
(6) wurden insgesamt 2.725 Patienten offen mit drei verschiedenen
Regimen behandelt: Gruppe 1. Duale
Therapie
mit Clopidogrel (Clo) oder Ticagrelor (Tic) plus zweimal 110 mg/d
Dab; Gruppe 2. Duale
Therapie
mit Clo oder Tic plus zweimal 150 mg/d Dab;
Gruppe 3. Tripel-Therapie
mit ASS plus Clo oder Tic plus VKA (Ziel-INR 2-3). ASS
wurde bei Patienten mit Bare-Metal-Stents nach einem Monat und mit
Drug-Eluting-Stents nach drei Monaten abgesetzt. Ältere
Patienten außerhalb der USA wurden nur in Gruppe 1 und 3
gelost, da die höhere Dab-Dosierung dort für sie
(> 80 Jahre, in Japan > 70 Jahre) nicht
zugelassen ist. Deshalb sind die drei Gruppen unterschiedlich groß.
Ursprünglich sollten
8.520 Patienten an 414 Zentren in 41 Ländern
eingeschlossen werden, um eine Nicht-Unterlegenheit der dualen
Therapie gegenüber der Tripel-Therapie hinsichtlich
ischämischer Ereignisse
nachzuweisen.
Da „der Einschluss dieser Patientenzahl in einer angemessenen
Zeit als nicht durchführbar erachtet wurde“, wurde das
Protokoll während der Studie geändert und die
Blutungskomplikationen
als alleiniger primärer Endpunkt eingeführt. Hierdurch
konnte die erforderliche Patientenzahl in etwa gedrittelt werden (auf
2.725).
Die Tatsache, dass das Protokoll nachträglich geändert
wurde und dass es über zwei Jahre nicht annähernd gelang,
an > 400 Kliniken je ca. 20 Patienten zu
rekrutieren, ist bemerkenswert und muss als vergebene Chance
angesehen werden, diese Frage abschließend zu klären. Da
das Design der Studie am Ende der PIONEER-AF-PCI-Studie
stark
ähnelte,
gelten
nun auch die gleichen Kritikpunkte (s.o.).
Ergebnisse:
68
Patienten zogen ihre Einwilligung zurück (2% in Gruppe 1,
0,5% in Gruppe 2 und 3,9% in Gruppe 3). Von den Patienten,
die die Studie beendeten und ausgewertet werden konnten, setzten 392
die zugeloste Therapie vorzeitig ab (13,3% in Gruppe 1, 13% in
Gruppe 2 und 16,6% in Gruppe 3), überwiegend wegen
Blutungskomplikationen oder Verschlechterung der Nierenfunktion. Das
mittlere Alter betrug 70,8 Jahre, davon waren 16,8% “Ältere”.
Der gewählte P2Y12-Blocker
war überwiegend Clo, nur 12% erhielten Tic.
In Gruppe 3 waren 64% der INR-Messergebnisse im therapeutischen
Fenster. Die mittlere Expositionszeit mit dem zugelosten
antithrombotischen Regime betrug 12,3 Monate,
die Nachbeobachtungszeit 14 Monate.
Die hämorrhagischen und ischämischen Ereignisraten sind in
Tab. 1 dargestellt. Die Ergebnisse ähneln den Ergebnissen
der PIONEER-AF-PCI-Studie.
Der Vorteil der dualen
Therapie mit Dab gegenüber der Standard-Tripel-Therapie beträgt
hinsichtlich des primären Endpunkts Blutungen
bei der niedrigen Dosierung relativ 48% und absolut 11,5% und bei der
normalen Dosierung relativ 28% und absolut 5,5%. Die Häufigkeit
bedeutsamer Thromboembolien
war in den beiden Dab-Gruppen etwa gleich wie in der Tripel-Gruppe
(+1,8% bei niedriger und -1,0% bei normaler Dosierung).
Im begleitenden Editorial
(7) wird bedauert, dass nach WOEST (Tripel-Therapie vs. VKA plus Clo)
und PIONEER-AF-PCI
(1) dies nun das dritte RCT ist, das zeigt, dass eine weniger
intensive antithrombotische Therapie zu weniger Blutungen führt,
aber nicht ausreichend gepowert ist, um belegen zu können, dass
bei diesem Vorgehen am Ende Thrombosen nicht doch häufiger sind.
Trotzdem sei es vor dem Hintergrund der drei genannten Studien
schwer, sich künftig noch für eine Tripel-Therapie zu
entscheiden.
Fazit:
Die duale antithrombotische Therapie (orales Antikoagulans plus
einfache Hemmung der Thrombozytenfunktion) hat bei Patienten mit
Vorhofflimmern und neuimplantiertem koronarem Stent eine günstigere
Nutzen-Risiko-Relation als die klassische Dreifach-Therapie (orales
Antikoagulans plus doppelte Hemmung der Thrombozytenfunktion). Eine
Überlegenheit der NOAK gegenüber Vitamin-K-Antagonisten
lässt sich aus den bisherigen RCT bei der genannten Indikation
nicht ableiten.
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