Für die
Langzeittherapie (Dauer ≥ 3 Monate) von chronischen,
nicht tumorbedingten Schmerzen (CNTS) werden in Deutschland häufig
opioidhaltige Analgetika eingesetzt. Ihre Verordnung hat in den
letzten 20 Jahren kontinuierlich zugenommen (1, 2). Die
längerfristige Wirksamkeit und Sicherheit von Opioiden in der
Therapie von CNTS wird allerdings kritisch diskutiert (2, vgl. 3).
In der deutschen S3-Leitlinie zum Thema wird empfohlen, nach sechs
Monaten mit den Patienten regelmäßig die Möglichkeit
einer Dosisreduktion und/oder eines Auslassversuchs zu besprechen.
Außerdem soll regelmäßig überprüft werden,
ob die Therapieziele noch erreicht werden und ob es Hinweise für
Nebenwirkungen gibt, beispielsweise Verstopfung, Müdigkeit,
Schlafstörungen und Depression (2, 4). Zu weiteren Risiken
einer Therapie mit opioidhaltigen Analgetika gehören
missbräuchliche Verwendung und sexuelle Störungen (2). Zur
Wirksamkeit verschiedener Strategien zur Dosisreduktion
opioidhaltiger Analgetika in der Langzeitanwendung bei CNTS und den
Einfluss der Dosisreduktion auf patientenrelevante Endpunkte ist nun
eine systematische Literaturübersicht erschienen (5). Die
Untersuchung wurde von der Abteilung Gesundheit des US-amerikanischen
Kriegsveteranenministeriums finanziert.
Eingeschlossen wurden
67 Studien (11 randomisierte kontrollierte Studien und
56 Beobachtungsstudien, davon 8 mit einer Kontrollgruppe) mit
insgesamt 12.546 Patienten. In diesen Publikationen wurden 8
verschiedene Interventionsstrategien untersucht, darunter
interdisziplinäre Schmerzprogramme, Buprenorphin-assistierte
Dosisreduktion und verhaltenstherapeutische Interventionen. Zu den
patientenrelevanten Endpunkten gehörten Stärke des
Schmerzes, schmerzbezogene Funktion und Lebensqualität. Da die
Qualität der meisten eingeschlossenen Studien als schlecht
beurteilt wird, legen die Autoren den Schwerpunkt vor allem auf die
Ergebnisse der Studien mit guter und mittlerer Qualität. Bei
Einschluss der Patienten betrugen die durchschnittlichen Tagesdosen
zwischen 29 und 556 mg Morphinäquivalent und lagen damit
teilweise deutlich über der Tageshöchstdosis, die in der
S3-Leitlinie empfohlen wird (nur in Ausnahmefällen > 120 mg/d
orales Morphinäquivalent; 2).
Die meisten Studien (n =
31) untersuchten die Wirksamkeit von interdisziplinären
Schmerzprogrammen zur Dosisreduktion. Präsentiert wurden Daten
von 19 verschiedenen Schmerzprogrammen, d.h. intensive multimodale
Behandlungen durch ein interdisziplinäres Team, die
typischerweise auf einem biopsychosozialen Modell chronischer
Schmerzen basieren. Am Ende dieser Programme hatten durchschnittlich
87% der Teilnehmer den Opioidgebrauch beendet.
Die
Rate des Opioidstopps nach den anderen Interventionen betrug
durchschnittlich bei:
Buprenorphin-assistierter
Dosisreduktion 91% (6 Studien),
verhaltenstherapeutischen
Interventionen 21% (5 Studien),
Entgiftungen,
unterstützt durch symptomatische Medikation, wie z.B. Clonidin
und Benzodiazepine 91% (3 Studien),
Ketamin-assistierter
Dosisreduktion 18% und 27% (2 Studien),
Akupunktur 66% und 86%
(2 Studien),
anderen ambulanten und
interventionellen Programmen 20% bzw. 70% (jeweils 3 Studien).
Aufgrund der insgesamt
schlechten Studienqualität kann zurzeit keine Aussage darüber
getroffen werden, welche der Interventionen am wirksamsten ist.
Als Folge der
Dosisreduktion oder Beendigung der Therapie mit opioidhaltigen
Analgetika ergab sich bei den patientenrelevanten Endpunkten eine
Verminderung der Schmerzstärke (8 Studien), Verbesserung
der schmerzbezogenen Funktion (5 Studien) und der Lebensqualität
(3 Studien). Grund dafür ist möglicherweise u.a., dass
weniger Nebenwirkungen auftreten.
Hinsichtlich des
Auftretens von Entzugssymptomen bestand in den Studien eine breite
Variabilität (0% bis 100% der Patienten). Vier von 18 Studien
berichteten, dass alle Patienten Entzugssymptome gezeigt hatten.
Zusätzlicher illegaler Substanzgebrauch wurde in zwei Studien
bei 63% bzw. 64% der Patienten beschrieben. Ein Todesfall aufgrund
einer Überdosis eines Opioids wurde beschrieben.
In einem begleitenden
Editorial (6) wird beschrieben, wie das Ausschleichen der Opioide
erreicht wurde: Mit der Einwilligung der Patienten wurde die Dosis
langsam reduziert, in einer Studie über 22 Wochen. Daneben
wurden die Patienten engmaschig einbestellt, in manchen Studien
mindestens wöchentlich. Außerdem wurden nicht
medikamentöse Therapiemaßnahmen den Patienten angeboten.
Dies entspricht der Empfehlung in der deutschen S3-Leitlinie, bei
CNTS die Therapie nicht allein mit opioidhaltigen Analgetika
durchzuführen, sondern die medikamentöse Behandlung durch
Maßnahmen wie Selbsthilfeangebote, physikalische und/oder
psychotherapeutische Verfahren und/oder Lebensstilmodifikation zu
ergänzen (2).
Fazit:
Die Ergebnisse dieser systematischen Literaturübersicht zeigen,
dass in der Langzeittherapie von CNTS mit opioidhaltigen Analgetika
verschiedene Maßnahmen unterstützend wirksam sein können,
die Dosis zu reduzieren oder die Therapie ganz zu beenden. Das
Ausschleichen der Therapie kann die Schmerzen, die schmerzbezogenen
Funktionen und die Lebensqualität bessern – eine
hilfreiche Information für das Patientengespräch.
Literatur
-
Böger,
R., und Schmidt, G. in: Schwabe, U., Paffrath, D., Ludwig, W.-D.,
Klauber, J. (Hrsg.): Arzneiverordnungs-Report 2017. Springer-Verlag
GmbH Germany 2017. S. 237.
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http://www.awmf.org/...
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AMB 2011, 45,
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.
AMB 2014,
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-
Els,
C., et al.: Cochrane Database Syst Rev. 2017, Oct 30;10:CD012509.
doi: 10.1002/14651858.CD012509.pub2.
-
Frank, J.W., et al.:
Ann. Intern. Med. 2017, 167,
181.
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Dowell, D., und
Haegerich, T.M.: Ann. Intern. Med. 2017, 167,
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