Wir haben 2014 und 2017
ausführlich über Technik, Indikation sowie Erfolgs- und
Komplikationsraten der Ablation bei Vorhofflimmern (VHF) berichtet.
Bislang sahen wir in der komplikationsträchtigen (> 7%)
und teuren Methode in erster Linie eine
Therapieoption bei symptomatischen Patienten in frühen
Krankheitsstadien ohne bedeutsame strukturelle Herzkrankheit (1).
Nun gibt es aktuelle
Daten, die möglicherweise eine Neubewertung der Ablation bei
Vorhofflimmern
erforderlich machen. Die CASTLE-AF-Studie (2) testete die
Auswirkungen der Ablation bei Patienten mit VHF und
Herzinsuffizienz, also bei Patienten mit einer häufig gemeinsam
bestehenden strukturellen Herzerkrankung. CASTLE-AF war eine offene,
multizentrische, randomisierte, kontrollierte klinische Studie. Die
Rekrutierung der Patienten erfolgte zwischen 2008 und 2016 an 33
Zentren in Europa,
Australien und den USA.
Sie wurde von der Firma Biotronik (Hersteller von
Schrittmachersystemen und Ablationszubehör) gesponsert und
kürzlich im N. Engl. J. Med. publiziert (2). Fast alle Autoren
haben multiple Interessenkonflikte mit der Industrie, darunter auch
mit dem Sponsor der Studie.
Eingeschlossen wurden
Patienten mit symptomatischem VHF und Herzinsuffizienz sehr
unterschiedlichen Schweregrads (NYHA-Klasse I : 11%;
Klasse II: 58%; Klasse III: 29%; Klasse IV: 2%;
jeweils nach medikamentöser Optimierung in einer 5-wöchigen
Run-In Phase). Die linksventrikuläre Ejektionsfraktion (LVEF)
betrug im Median 32,5%; interquartiler Bereich 25,0-38,0%). Alle
Patienten mussten Träger eines Biotronik-Defibrillators sein,
entweder eines Cardioverter-Defibrillators (ICD) zur Primärprophylaxe
eines Plötzlichen Herztods (Klasse-1-Indikation bei LVEF ≤ 35%
trotz optimaler medikamentöser Therapie) oder eines
Zwei-Kammer-Schrittmachers zur kardialen Resynchronisationstherapie
mit Defibrillatorfunktion (CRT-D). Der Grund für dieses sehr
selektive Einschlusskriterium war, dass über diese Geräte
eine telemetrische Überwachung des Rhythmus erfolgen sollte.
Das VHF konnte paroxysmal
(mindestens zwei Episoden > 30 Sek. Dauer in drei
Monaten) oder persistierend sein (≥ eine Episode in drei
Monaten, Dauer > 7 Tage oder kürzer bei
Kardioversion). Die Patienten mussten mit den üblichen
Antiarrhythmika (v.a. Betablocker, Digitalis, Amiodaron, Sotalol)
unzureichend behandelbar sein, diese nicht vertragen oder deren
Einnahme abgelehnt haben. Von der Studienteilnahme ausgeschlossen
waren u.a. auch Patienten mit sehr großem linken Vorhof
(> 6 cm), mit vorausgegangener Vorhofablation, mit
kürzlich vorausgegangener oder geplanter
Koronarrevaskularisation, unbehandelter Schilddrüsenfunktionsstörung,
unkontrolliertem Hypertonus oder dialysepflichtiger
Niereninsuffizienz.
Durch die
vielen Ein- und Ausschlusskriterien kamen von 3.013
gescreenten
Patienten nur 398 für
die Studie in Frage (13,2%;
im Mittel
nur 12 pro Zentrum über acht Jahre).
Wesentliche Gründe für die hohe Zahl an Ausschlüssen
waren Schrittmachersysteme von anderen Herstellern, asymptomatisches
VHF,
geplante Revaskularisationen oder Herztransplantation.
Nach der Randomisierung
wurden 35 Patienten vor der ersten Untersuchung während
einer fünfwöchigen Run-in-Phase, in der die
Herzinsuffizienz-Medikation optimiert werden sollte, noch
ausgeschlossen (Gründe: 18 zogen ihre Einwilligung zurück,
9 „in Übereinstimmung mit dem Protokoll“, 6 konnten
nicht nachbeobachtet werden und 2 starben).
Die Intention-to-treat
(ITT)-Analyse erfolgte dann mit (nur) 363 verbliebenen
Patient(inn)en. Deren
medianes Alter betrug 64 Jahre; sie waren also relativ jung. Die
Mehrzahl (85%) waren Männer und 32% hatten paroxysmales VHF.
Einen ICD trugen 72% und 27% ein CRT-D-System. Zugelost wurden 179
Patienten der Ablationsgruppe und 184 der medikamentösen Gruppe
(Kontrollen). Patienten in der Kontrollgruppe hatten signifikant
häufiger eine ischämische Genese ihrer Herzinsuffizienz
(52% vs. 40%), häufiger einen Herzinfarkt (36% vs. 28%) oder
einen Diabetes mellitus (37% vs. 28%) und nahmen zum Zeitpunkt der
Randomisierung deutlich häufiger Diuretika ein (91% vs. 55%).
Viele dieser Unterschiede in den bei den Studienteilnehmern
vorhandenen Risiken finden sich etwas versteckt im Supplement der
Publikation (Tab. S2) und werden von den Autoren nicht weiter
erklärt. Diese Unterschiede könnten sich zuungunsten der
Kontrollgruppe ausgewirkt haben.
Ziel der Ablation war die
Isolation aller Pulmonalvenen und die Wiederherstellung des
Sinusrhythmus. Die Techniken und Materialien waren den Zentren
überlassen. Von 179 randomisierten Patienten erhielten 151
(84,4%) eine Ablation und 28 (15,6%) wurden – abweichend vom
Protokoll – doch nur medikamentös behandelt (cross over).
Die Isolierung der Pulmonalvenen war bei nahezu allen Patienten
erfolgreich (98,7%); bei 51,7% wurde der Eingriff durch zusätzliches
Setzen von Vorhofläsionen erweitert. Bei 37 Patienten
(24,5%) erfolgte in der Nachbeobachtungsphase ein Zweiteingriff wegen
Rezidiven von VHF. Bei 7,8% trat in Folge der Ablation eine
Komplikation auf, die in 3,7% als schwerwiegend klassifiziert wurde
(Perikarderguss, transfusionsbedürftige Blutung,
Lungenvenenstenose).
Die Behandlungsstrategie
in der Kontrollgruppe war freigestellt, sie sollte sich an den
gültigen Leitlinien orientieren. Bei 70% wählten die
behandelnden Ärzte eine Frequenzkontrolle und bei 30% eine
Rhythmuskontrolle des VHF. Bei der letzten Visite erhielten 91% einen
Betablocker, 34% Digitalis und 35% ein Klasse-III- oder
Klasse-I-Antiarrhythmikum, meist Amiodaron. Die korrespondierenden
Raten in der Ablationsgruppe waren 90%, 14% und 27%. Eine Ablation
fand bei 18 Patienten der Kontrollgruppe statt (cross over
9,8%).
Die Nachbeobachtung der
Patienten erfolgte telemetrisch über die Schrittmacheraggregate,
die jede Episode von VHF aufzeichneten sowie durch klinische Visiten
nach 3, 6, 12, 24, 36, 48, und 60 Monaten. Während der
mittleren Nachbeobachtungszeit von drei Jahren konnten in der
Ablationsgruppe 23 Patienten (12,8%) nicht weiter verfolgt
werden und in der Kontrollgruppe 10 (5,4%). Dieser Unterschied bleibt
auch unerklärt und ist ein weiteres bedeutsames Risiko für
eine Verzerrung der Ergebnisse.
Der primäre
Studienendpunkt war zusammengesetzt aus Tod (alle Ursachen) bzw.
ungeplanter Krankenhausbehandlung wegen Herzinsuffizienz. Ereignisse,
die in der 12-wöchigen sog. “blanking period” nach
der Ablation auftraten, wurden, bis auf Todesfälle, nicht in die
„intention-to-treat“ (ITT)-Analyse einbezogen und werden
in der Publikation auch nicht erwähnt.
Ergebnisse:
Die mittlere Nachbeobachtungszeit betrug in beiden Gruppen rund
37 Monate. Bei der ersten geplanten Interimsanalyse zeigte sich,
dass sowohl die Rekrutierungsrate als auch die Ereignisrate geringer
war als erwartet und dass das angepeilte Ziel von 195 primären
Endpunkten in der geplanten Zeit nicht erreichbar war. Daher entfiel
die vorgesehene zweite Interimsanalyse, und die Studie wurde
vorzeitig beendet, nachdem 133 primäre Endpunkte eingetreten
waren.
Nach 60 Monaten
befanden sich 63% der Patienten in der Ablationsgruppe im
Sinusrhythmus und 22% in der Kontrollgruppe. Der
primäre
Endpunkt
trat deutlich und signifikant seltener in der Ablationsgruppe auf
(28,5% vs. 44,6%; p = 0,006). Die Number needed to treat
(NNT) beträgt 8,3. Der Nutzen ergibt sich sowohl durch das
Überleben als auch durch weniger Krankenhausaufnahmen wegen
Herzinsuffizienz (s. Tab. 1). Ob und wie oft die
Schrittmachersysteme, die überwiegend zur Primärprophylaxe
des Plötzlichen Herztods bereits implantiert waren, in beiden
Gruppen aktiv geworden sind, wird nicht mitgeteilt. Bei
den Subgruppenanalysen ergaben sich Hinweise darauf, dass Patienten
> 65 Jahre, in höheren NYHA-Stadien und mit einer
sehr stark reduzierten LVEF (< 25%) möglicherweise
keinen oder nur einen geringen Nutzen von der Ablation haben.
In dem begleitenden
Editorial wird bereits von einem Paradigmenwechsel gesprochen,
zugleich aber auch vor einer zu raschen und unkritischen Anwendung
der Ablationsbehandlung bei der o.g. Patientengruppe gewarnt (3).
Einerseits, weil die untersuchte Patientenzahl klein und die
Patientenauswahl sehr selektiv war und andererseits, weil bei der
Randomisierung und Gruppenzuteilung keine adäquate Verblindung
bestand. Aus unserer Sicht sollte auch nochmals darauf hingewiesen
werden, dass mehrere Risiken für bedeutsame Ergebnisverzerrungen
vorliegen (u.a. Allocation und Attritionsbias; vgl. 4). Daher
sollten vor einer generellen Änderung der Strategie zur Ablation
bei VHF die Ergebnisse weiterer Studien abgewartet werden (z.B.
CABANA, EAST; 5, 6).
Fazit:
Aus der randomisierten, kontrollierten CASTLE-AF-Studie gibt es
Hinweise, dass die Vorhofablation bei symptomatischem, paroxysmalem
oder persistierendem Vorhofflimmern bei einer kleinen Subgruppe von
Patienten mit symptomatischer Herzinsuffizienz und
unzureichender Behandelbarkeit mit Antiarrhythmika die Prognose
verbessern kann. Während einer dreijährigen Nachbeobachtung
mussten diese Patienten (die weiterhin medikamentös
weiterbehandelt wurden) im Vergleich zu den ausschließlich
medikamentös weiterbehandelten Kontrollpatienten signifikant
seltener wegen Herzinsuffizienz stationär behandelt werden; auch
Todesfälle waren seltener. Allerdings birgt die Studie mehrere
Risiken für eine bedeutsame Verzerrung der Ergebnisse zugunsten
der Ablationsbehandlung. Bevor also von einem „Paradigmenwechsel“
gesprochen werden kann, müssen die Ergebnisse durch weitere und
größere Studien bestätigt werden, denn durch Design
und Ablauf sind die Aussagen dieser Studie zu stark eingeschränkt.
Literatur
-
AMB
2014, 48,
81
. AMB 2017, 51,
14. 
- Marrouche,
N.F., et al. (CASTLE-AF = Catheter
Ablation
vs. Standard
conventional Treatment
in patients with LV
dysfunction and Atrial
Fibrillation):
N. Engl. J. Med. 2018, 378,
417.
- Link,
M.S.: Engl. J. Med. 2018, 378,
468.
-
AMB
2017, 51,
64DB01.

- CABANA
= Catheter
ABlation
vs ANti-arrhythmic
drug therapy for Atrial
fibrillation trial:
- EAST
= Early
treatment of Atrial
fibrillation for Stroke
prevention Trial:
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