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Inaktivierter Herpes-Zoster-Impfstoff für Patienten, die eine autologe Stammzelltransplantation erhalten sollen

Patienten nach autologer Stammzelltransplantation (auto-HSCT) haben ein erhöhtes Risiko für Reaktivierungen des Herpes-Zoster/Varicellen-Virus, einschließlich der damit verbundenen Komplikationen wie postherpetische Neuralgie und bakterielle Superinfektion mit möglicherweise letalem Ausgang (1-3). In retrospektiven Untersuchungen hatten 16-25% dieser Patienten eine Herpes-Zoster-Reaktivierung innerhalb von 2 Jahren nach der auto-HSCT (1-4). Deshalb wird in den meisten Richtlinien eine unterschiedlich lange Prophylaxe mit Aciclovir oder Valaciclovir bei den Patienten nach auto-HSCT empfohlen, die seropositiv für Antikörper gegen das Herpes-Zoster-Virus sind (5). Trotzdem kommt es nicht selten zu Reaktivierungen, weil die antivirale Prophylaxe nicht lange verabreicht oder nicht konsequent eingenommen wurde. Weitere Strategien zur Vermeidung dieser Erkrankung sind also notwendig (4).

Die Herpes-Zoster-Reaktivierung ist bei diesen Patienten durch die gestörte T-Zellfunktion infolge der intensiven Chemotherapie oder hämatologischen Grunderkrankung bedingt (6). Durch die myeloablative Chemotherapie vor der auto-HSCT erleiden die meisten Patienten eine oft komplette Depletion der Lymphozyten, und eine effektive T-Zellfunktion gegen das Virus ist erst Monate nach einer auto-HSCT wieder vorhanden (7-9). Daher scheint es sinnvoll, vor und nach auto-HSCT mit Hilfe eines Peptid-Impfstoffs (Totimpfstoff) die Rekonstitution Varizellen/Zoster-spezifischer T-Zellen zu beschleunigen mit dem Ziel, Reaktivierungen und mögliche Komplikationen des Herpes Zoster zu vermeiden oder zumindest die Schwere der Erkrankung zu mildern. In den USA wurde ein Totimpfstoff (Shingrix®, GSK) bereits zugelassen. Über dessen Effektivität, Zoster-Neuralgien bei älteren, nicht immunsupprimierten Menschen zu vermindern, haben wir berichtet (10). Jetzt wurde eine multizentrische Studie zur Wirksamkeit und Verträglichkeit eines mit Gammastrahlen inaktivierten Impfstoffs (Totimpfstoff; V212) von Merck & Co. Inc. bei Patienten publiziert, bei denen eine auto-HSCT durchgeführt werden sollte (11).

Die doppelblinde, randomisierte, plazebokontrollierte Phase-III-Studie wurde an 135 Transplantationszentren in Nordamerika, Südamerika, Europa und Asien durchgeführt. Es wurden Patienten eingeschlossen, die 18 Jahre oder älter waren und bei denen eine auto-HSCT innerhalb von 60 Tagen nach Einschluss geplant war. Außerdem mussten sie bereits einen Herpes Zoster gehabt haben oder/und Antikörper gegen das Varizellen/Zoster-Virus nachweisbar sein. Ausschlusskriterien waren: eine Herpes-Zoster-Manifestation innerhalb des vorangegangenen Jahres oder eine geplante antivirale Prophylaxe für > 6 Monate. Die Randomisierung erfolgte zentral in zwei Gruppen: Plazebo bzw. Normal-Dosis-Impfstoff; zusätzlich wurde noch eine Gruppe mit Hoch-Antigen-Impfstoff mitgeführt (enthielt 6-mal so viel Antigen wie der normale Impfstoff), um dosisabhängige Nebenwirkungen zu erfassen. Es wurde eine Stratifizierung hinsichtlich des Alters (< 50 vs. ≥ 50 Jahre) und der Dauer der antiviralen Prophylaxe nach auto-HSCT (≤ 3 Monate vs. 3-6 Monate) durchgeführt. Die Studienteilnehmer erhielten 4 Dosen des inaktivierten Impfstoffs oder Plazebo: erste Applikation 5-60 Tage vor der auto-HSCT, die zweite, dritte und vierte ca. 30, 60 und 90 Tage nach der auto-HSCT. Der primäre Endpunkt war das Auftreten eines Herpes Zoster (klinisch und durch PCR gesichert). In die Analyse gingen alle Patienten ein, die mindestens eine Impfung erhalten hatten und für die Nachbeobachtungsdaten existierten. Als Impferfolg wurde vorher definiert: Die untere Grenze des 95%igen Konfidenzintervalls musste höher sein als 25% der relativen Reduktion der Hazard Ratio von Herpes-Zoster-Manifestationen zwischen geimpften Patienten und solchen, die Plazebo erhalten hatten.

Zwischen Dezember 2010 und April 2013 wurden 560 Patienten in die Normal-Antigen-Impfung, 106 in die Hoch-Antigen-Impfung und 564 in die Plazebo-Gruppe randomisiert. 249 (44%) Patienten in der Normal-Antigen-Impfgruppe, 35 (33%) in der Hoch-Antigen-Impfgruppe und 220 (39%) in der Plazebo-Gruppe erreichten nicht das Ende der Studie, meist wegen Tod. Von allen Teilnehmern der Studie erhielten 453 (81%) der 560 Normal-Antigen-Impfgruppe, 87 (82%) von 106 in der Hoch-Antigen-Impfgruppe und 477 (85%) der 564 Patienten in der Plazebo-Gruppe alle 4 Impfdosen. 51 Patienten wurden ausgeschlossen, weil sie entweder keine auto-HSCT oder keine Impfdosis erhielten oder beides. Diese Ausfälle verteilten sich gleich auf die Gruppen. Mehr als 70% der Teilnehmer waren > 50 Jahre alt. Hodgkin-Lymphome und Multiple Myelome waren die häufigsten Gründe für die auto-HSCT. Die mediane Nachbeobachtungszeit betrug 2,4 Jahre in der Impfgruppe und 2,3 in der Plazebo-Gruppe. Einen Herpes Zoster entwickelten 42 (8%) von 538 Patienten in der Impfgruppe (32,9 pro 1.000 Personenjahre) und 113 (21%) von 535 in der Plazebo-Gruppe (91,9 pro 1.000 Personenjahre). Die geschätzte Effektivität der Impfung betrug 63,8% (CI: 48,4-74,6) und lag damit deutlich im zuvor definierten Impferfolg-Bereich. Schwere auf die Impfung bezogene Nebenwirkungen traten in der Impf- und Plazebo-Gruppe gleich häufig auf (jeweils 1%). Rötungen an der Einstichstelle traten häufiger in der Verum-Gruppe auf (191 = 29% vs. 36 = 7%; Risiko Differenz 22,6%; CI: 18,5-26,6; p < 0,0001). Die 104 Patienten in der Hoch-Antigen Impfgruppe hatten etwas häufiger und stärkere Rötungen an der Einstichstelle, sonst waren die Nebenwirkungen nicht anders als in den anderen Gruppen.

In einem Kommentar wird die klinische Bedeutung dieser Studie hervorgehoben und darauf hingewiesen, dass auch eine Phase-III-Studie mit einem 2-Dosen-Schema mit Shingrix® läuft bei Patienten mit auto-HSCT. Erste Ergebnisse dieser Studie zeigen eine ähnliche Effektivität wie der hier verwendete Impfstoff (12).

Fazit: Bei Patienten, die eine autologe Stammzelltransplantation erhalten, kann eine Impfung mit dem inaktivierten Herpes-Zoster-Impfstoff V212 eine Reaktivierung dieses Virus deutlich verringern. Der Impfstoff erwies sich als gut verträglich.

Literatur

  1. Arvin, A.M.: Biol. Blood Marrow Transplant. 2000, 6, 219. Link zur Quelle
  2. Schuchter, L.M., et al.: Blood 1989, 74, 1424. Link zur Quelle
  3. Vose, J.M.: Cancer 1992, 69, 784. Link zur Quelle
  4. Sahoo, F., et al.: Biol. Blood Marrow Transplant. 2017, 23, 505. Link zur Quelle
  5. Tomblyn, M., et al.: Biol. Blood Marrow Transplant. 2009, 15, 1143. Link zur Quelle
  6. Meyers, J.D., et al.: J. Infect. Dis. 1980, 141, 479. Link zur Quelle
  7. Bosch, M., et al.: Curr. Opin. Hematol. 2012, 19, 324. Link zur Quelle
  8. Reimer, P., et al.: Ann. Hematol. 2003, 82, 263. Link zur Quelle
  9. de Gast, G., et al.: Blood 1985, 66, 428. Link zur Quelle
  10. AMB 2016, 50, 85. Link zur Quelle
  11. Winston, D.J., et al. Lancet 2018, 391, 2116. Link zur Quelle
  12. Macartney, K., und Gershon, A.A.: Lancet 2018, 391, 2082. Link zur Quelle