A. Rawshani et al.
werteten das schwedische nationale Diabetes-Register mit Eintragungen
von 1998 bis 2012 im Hinblick auf Tod und kardiovaskuläre
Ereignisse (KVE) in Abhängigkeit von der Zahl der zu KVE
disponierenden Risikofaktoren bei Diabetes mellitus Typ 2 (DM2)
aus (1). Die mediane Beobachtungszeit nach Einschluss in die
Kohortenstudie betrug 5,7 Jahre. Insgesamt wurden
271.174 Diabetiker mit 1.355.870 Personen ohne DM2
verglichen. Somit wurden jedem Patienten mit DM2 fünf
nicht-diabetische Kontroll-Personen mit passendem Alter, Geschlecht
und anderen Merkmalen zugeordnet. Patienten und Kontrollen mit
folgenden, bei Einschluss bekannten früheren Diagnosen wurden
nicht berücksichtigt: Herzinfarkt, Schlaganfall, Amputation,
Dialyse, Nierentransplantation, BMI < 18,5 kg/m2.
In einer Sub-Kohorte der Studie wurden auch Patienten mit KHK
generell, Vorhofflimmern und Herzinsuffizienz als Vor-Diagnosen
ausgeschlossen. Fünf Risikofaktoren, die bei Beginn der Studie
bekannt waren, wurden auf der Basis der Abweichung von in gültigen
Leitlinien empfohlenen Grenzwerten analysiert: HbA1c (> 7%),
LDL-Cholesterin (> 97 mg/dl), Blutdruck
(> 140/90 mm Hg), Mikro-/Makro-Albuminurie, aktives
Rauchen. Waren bei einem DM2-Patienten alle Daten im empfohlenen
günstigen Bereich und waren die Personen Nichtraucher, dann
wurde das als „null“ Risikofaktoren eingestuft,
unabhängig davon, mit welchem Aufwand an Therapie (oder ohne
Therapie) dieses Ziel erreicht wurde. Allerdings nahmen die Patienten
mit so definierten null Risikofaktoren, ähnlich häufig wie
die in anderen Risikogruppen, zu 61% Statine und zu 42%
Antihypertensiva ein.
Das Diabetes-Register ist
mit anderen Dateien des schwedischen Gesundheitssystems verknüpft,
wodurch der Eintritt folgender Ereignisse den DM2-Patienten bzw.
Kontrollen zugeordnet werden konnte: Tod, akuter Myokardinfarkt,
Schlaganfall und Krankenhausaufnahme wegen Herzinsuffizienz.
Ergebnisse:
Die Ereignisraten werden getrennt nach Altersgruppen (< 55 Jahre;
≥ 55 bis < 65 Jahre, ≥ 65 bis < 80 Jahre
und ≥ 80 Jahre) und nach der Zahl der Risikofaktoren
(s.o.) dargestellt. Am wenigsten wichen die Ereignisraten der über
80-jährigen DM2-Patienten bei steigender Zahl von Risikofaktoren
von denen der Kontrollen ab. Mit 4 bzw. 5 Risikofaktoren waren
aber die Hazard Ratios (HR) für Tod und KVE bei den Hochbetagten
mit 1,47 bzw. 1,39 im Vergleich mit den Kontrollen erhöht. Bei
„null“ Risikofaktoren waren die KVE und Letalität
bei Diabetikern ≥ 65 Jahre nicht erhöht. Bei ≥ 55
bis < 65-Jährigen und bei < 55-Jährigen und
„null“ Risikofaktoren waren die KVE und Letalität
bei HR-Werten von 1,15 bzw. 1,29 grenzwertig signifikant erhöht.
Die Inzidenz von Herzinsuffzienz war jedoch bei jüngeren
Diabetikern mit „null“ Risikofaktoren deutlich erhöht
(HR: 1,61 bei ≥ 55 bis < 65-Jährigen;
HR: 2,40 bei < 55-Jährigen). Insgesamt stiegen die
KVE und Letalität parallel mit der Zahl der Risikofaktoren
gleichmäßig an, bei jüngeren Diabetikern mehr als bei
älteren. Besonders stark war der Einfluss der Zahl von
Risikofaktoren auf die Zunahme der Hospitalisierungen wegen
Herzinsuffizienz.
Ein HbA1c-Wert oberhalb
des empfohlenen Grenzwerts von 7% war der stärkste einzelne
Prädiktor von Schlaganfall und Herzinfarkt, während Rauchen
der stärkste Prädiktor von tödlichen Ereignissen war.
Die relative Bedeutung der quantifizierbaren Risikofaktoren HbA1c,
Hypertonie und LDL-Cholesterin ist in einer Abbildung eindrucksvoll
dargestellt. Hinsichtlich Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz
erwiesen sich BMI, erhöhtes HbA1c und Serum-Kreatinin außerhalb
des Referenzbereichs sowie Vorhofflimmern als wichtige
Risikofaktoren. Ähnlich wie in der SPRINT-Studie (2), aber
anders als in der ACCORD-Studie (3) war ein niedrig-normaler
Blutdruck mit weniger KVE und Todesfällen assoziiert.
Die wichtigste Botschaft
dieser Studie ist die von Nicht-Diabetikern nur gering abweichende
KVE- und Todesrate bei DM2-Patienten, deren HbA1c-, LDL-C- und
Blutdruckwerte im therapeutisch empfohlenen Bereich liegen und die
nicht rauchen. Eine Schwäche der Studie besteht darin, dass bei
den risikoarmen DM2-Patienten nicht unterschieden wird zwischen
denen, die primär keine oder kaum Risikofaktoren haben und
solchen, die durch erhebliche therapeutische Anstrengungen dieses
Ziel erreichen. Die Ergebnisse sollten DM2-Patienten aber ermutigen,
durch eigene Initiative und mit ärztlicher Hilfe ihr
Risikoprofil und ihre im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung
ungünstigere Prognose durch nicht medikamentöse und
medikamentöse Maßnahmen zu verbessern. Dies ist auch die
Einschätzung von S.A. Schroeder in seinem begleitenden
Editorial, in dem die Ergebnisse der Studie von Rawshani et al.
kommentiert werden, zusammen mit einem anderen Artikel im gleichen
Heft des N. Engl. J. Med., in dem es um den Effekt der Beendigung von
Rauchen auf Gewichtsentwicklung und Änderung des
Letalitätsrisikos geht (4).
Fazit:
Eine Kohortenstudie, basierend auf staatlichen schwedischen
Gesundheitsregistern mit Erhebungen zwischen 1998 und 2012, ergab,
dass die Letalität und die Zahl kardiovaskulärer Ereignisse
(KVE) bei Typ-2-Diabetikern (DM2) innerhalb von 5,7 Jahren
annähernd kontinuierlich mit der Zahl der Risikofaktoren (HbA1c,
LDL-C, Hypertonie, Proteinurie, Rauchen) zur Zeit des Einschlusses
in die Studie zunahm. Je jünger die Patienten bei Einschluss
(< 55 Jahre bis 65 Jahre) waren, umso stärker
war die Assoziation zwischen negativen Effekten der Risikofaktoren
und Ereignisrate. Patienten mit DM2 und ohne Risikofaktoren (ob
primär oder als Ergebnis von Therapiemaßnahmen) hatten
eine nicht oder nur gering erhöhte KVE und Letalität im
Vergleich mit epidemiologisch vergleichbaren Nicht-Diabetikern.
Literatur
-
Rawshani,
A., et al.: N. Engl. J. Med. 2018, 379,
633.

-
Wright,
J.T., et al. (SPRINT = Systolic
blood PRessure
INtervention
Trial):
N. Engl. J. Med. 2015, 373,
2103.
.
Vgl. AMB
2015, 49,
89 .
AMB
2016, 50,
04.
-
Margolis,
K.L., et al. (ACCORD = Action
to Control
CardiOvascular
Risk
in Diabetes
study): Diabetes Care 2014, 37,
1721.
Vgl. AMB
2008, 42,
27 .
AMB
2008, 42,
59 .
AMB
2008, 42,
60 .
AMB
2010,
44,
13 .
AMB 2010,
44, 29a .
AMB 2010,
44,
65 .
AMB 2018,
52,
23.

-
Schroeder, S.A.: N.
Engl. J. Med. 2018, 379,
684.

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