Frage
von Dr. U.S. aus H.: >> Aufgrund des interessanten Beitrags in
der Ausgabe Juni 2018 des AMB würde ich gerne noch zu dem
gesamten Thema Fragen stellen, da hier aus Kliniken nach
Gefäßeingriffen diverse nicht nachvollziehbare
Entlassmedikationen auftauchen. Nach Stent-Implantationen kam es hier
zuletzt zu Entlassmedikationen mit einer Tripel-Therapie von
Apixaban, Azetylsalizylsäure (ASS) plus Clopidogrel sowie auch
häufiger zur Empfehlung eines direkten oralen Antikoagulanz
(DOAK) plus ASS. Gibt es bezüglich der dualen oder auch einer
kurzzeitigen Tripeltherapie nach Stent-Implantation bei Patienten mit
Vorhofflimmern und Einnahme eines DOAK eine Zulassung? <<
Antwort:
>> Etwa 6-8% aller Patienten, die nach einer perkutanen
Koronarintervention (PCI) eine duale Antiplättchentherapie
(DAPT) benötigen, haben zusätzlich eine Indikation für
eine dauerhafte orale Antikoagulation (OAK), wie z.B. Vorhofflimmern,
mechanische Herzklappenprothese oder Zustand nach venöser
Thrombose/Embolie. Eine solche antithrombotische Tripeltherapie
(ATTT) hat im Vergleich zur alleinigen OAK ein mehrfach erhöhtes
Blutungsrisiko und sollte daher nach individueller Risikoabwägung
(Stent-Thrombose vs. Blutung) so kurz wie möglich sein. Durch
Entwicklungen in der interventionellen Kardiologie (heute nahezu
ausschließliche Implantation von Drug-Eluting-Stents unabhängig
von der klinischen Situation) und die Zulassung neuer Arzneimittel
(sowohl für DAPT als auch für OAK) ist die Situation auch
für Fachleute unübersichtlich geworden. Die bislang dazu
vorliegenden Studienergebnisse lassen keine eindeutigen Schlüsse
zu. Mehrere Studien ergaben in den vergangenen Jahren Hinweise, dass
eine Kombination aus OAK und einfacher
Plättchenhemmung mit Clopidogrel (ohne ASS) einer ATTT
möglicherweise sogar überlegen ist. Eine klare Evidenz für
ein solches Vorgehen lässt sich aber bisher noch nicht ableiten.
Wir haben über diese problematische Situation berichtet (1-4).
Ihre erwähnten als „nicht nachvollziehbar“
empfundenen Therapieempfehlungen resultieren wahrscheinlich aus
unterschiedlichen Interpretationen und praktischen Umsetzungen dieser
derzeit noch unklaren Datenlage durch die kardiologischen Kliniken.
Eine offizielle Zulassung der DOAK im Rahmen der ATTT gibt es bisher
nicht.
Eine gewisse
Orientierung für die Praxis bietet das kürzlich publizierte
„Focused Update on Dual Antiplatelet Therapy in Coronary Artery
Disease“ der Europäischen Gesellschaften für
Kardiologie und Herzchirurgie (ESC/EACTS; vgl. Tab. 1; 5).
Folgende grundlegende Regeln für eine ATTT werden darin
empfohlen:
Aufgrund
fehlender Studiendaten sollte zusätzlich zu ASS nur Clopidogrel
eingesetzt werden, nicht
die neueren Wirkstoffe Ticagrelor oder Prasugrel.
Eine
OAK mit direkten („neuen“)
Antikoagulanzien (DOAK)
sollte im unteren
zugelassenen Dosisbereich
für die jeweilige Indikation erfolgen. Für die Bevorzugung
eines bestimmten DOAK fehlen Studiendaten.
Eine
OAK mit Vitamin-K-Antagonisten
(VKA) sollte im unteren für
die jeweilige Indikation empfohlenen INR-Bereich
gehalten werden.
Für
die Zeit der zusätzlichen Antiplättchentherapie wird die
prophylaktische
Einnahme
eines Protonenpumpeninhibitors (PPI) empfohlen.
Nach
Beendigung der zusätzlichen Antiplättchentherapie sollte
die OAK (mit VKA oder DOAK) als Monotherapie (d.h. ohne
Antiplättchentherapie) weitergeführt werden.
Hinsichtlich der
Dauer einer zusätzlichen Antiplättchentherapie bei
Dauer-OAK wird empfohlen, bei „überwiegendem“
Blutungsrisiko neben einer Kurzzeit-ATTT über einen Monat auch
die Option in Erwägung zu ziehen, ganz auf eine ATTT zu
verzichten. In diesem Fall wird zusätzlich zur OAK (mit VKA oder
DOAK) Clopidogrel als alleinige Antiplättchentherapie (für
bis zu 12 Monate) gegeben.
Die Entscheidung, welche
antithrombotische Therapie für den individuellen Patienten in
Frage kommt, muss vom kardiologischen Zentrum nach Abwägung der
individuellen Risiken getroffen und im Entlassungsbrief begründet
werden. Sollten im niedergelassenen fachärztlichen oder
hausärztlichen Bereich Unklarheiten entstehen, empfehlen wir,
Kontakt mit dem für diesen Patienten zuständigen
kardiologischen Zentrum aufzunehmen. Alle Empfehlungen zur
antithrombotischen Tripeltherapie beruhen auf einem nur mäßigen
Evidenzlevel („B“). Ergebnisse laufender Studien werden
in den nächsten Jahren hoffentlich mehr Klarheit bringen. <<
Literatur
-
AMB 2017, 51,
17.

-
AMB
2017, 51,
94.

-
AMB
2013, 47,
60.

-
AMB
2013, 47,
36.

- Valgimigli,
M., et al.: Eur. Heart
J. 2018, 39,
213.

- Roldán,
V., et al.: J. Am. Coll.
Cardiol. 2013, 62,
2199.

- Kirchhof,
P., et al.: Eur. Heart
J. 2016, 37,
2893.

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