José Baselga ist
ein bekannter Brustkrebsspezialist, der seit 2012 als leitender Arzt
am Memorial Sloan Kettering Cancer Center (MSKCC) in New York
arbeitete. Die New York Times hat in Zusammenarbeit mit der
gemeinnützigen Rechercheorganisation ProPublica nun aufgedeckt,
dass Baselga in zahlreichen Publikationen in anerkannten
Fachzeitschriften finanzielle Interessenkonflikte nicht angegeben hat
– darunter beispielsweise > 3 Mio. US-$, die
er von Roche als Beratungshonorar und für Aktien an einem
medizinische Startup-Unternehmen erhalten hat (1).
Baselga gab seine
finanziellen Verbindungen mit Unternehmen zwar nicht an, aber
Informationen über Zahlungen von pharmazeutischen Unternehmern
(pU) an ihn finden sich auf der „Open payments“-Website,
auf der Zahlungen von pU an Ärzte namentlich veröffentlicht
werden (vgl. 2). Nach Auswertung der Daten erhielt Baselga von
August 2013 bis 2017 insgesamt fast 3,5 Mio. US-$ von neun
pU. Er war in Vorständen von mindestens sechs Unternehmen tätig.
Als Berater erhielt er außerdem Honorare von 13 weiteren pU,
darunter Roche. Trotzdem gab er in einer Publikation zu einer von
Roche gesponserten Studie an, die im Jahr 2015 im N. Engl. J. Med.
veröffentlicht wurde, dass er keine Interessenkonflikte habe –
im Unterschied zu 14 seiner Koautoren. Außerdem erhielt er
zusätzlich Geld von Unternehmen, die ihre Zuwendungen an Ärzte
nicht veröffentlichen müssen, weil sie (noch) kein
Arzneimittel auf dem US-amerikanischen Markt haben.
ProPublica und die New
York Times analysierten Publikationen von José Baselga, die er
in medizinischen Fachzeitschriften seit 2013 veröffentlicht hat.
In 105 von 178 Publikationen (ca. 60%) hat er
Interessenkonflikte nicht deklariert. Der Anteil der Artikel, in
denen er angab, dass er keine Interessenkonflikte habe, stieg mit
jedem Jahr: Im Jahr 2017 lag er bei 87%. Als Präsident der
American Association for Cancer Research ignorierte José
Baselga die Regeln der eigenen Organisation zur Deklaration von
Interessenkonflikten. In der Fachzeitschrift der Organisation gab er
in Publikationen Zahlungen von pU nicht an, obwohl er einer der
beiden Herausgeber war. Auch in Vorträgen waren seine
Erklärungen zu Interessenkonflikten unvollständig.
In einem Interview stritt
José Baselga die finanziellen Verbindungen zu Unternehmen
nicht ab. Er gab an, dass die fehlenden Offenlegungen unabsichtlich
passiert seien. Bei 17 Publikationen plane er, komplettierte
Erklärungen nachzureichen. Für Dutzende Artikel zur
Grundlagenforschung halte er das nicht für notwendig. José
Baselga war einer der bestbezahlten Mitarbeiter des MSKCC: im Jahr
2016 verdiente er dort mehr als 1,5 Mio. US-$. Nach
Veröffentlichung der Recherchen in der New York Times ist er
zurückgetreten und hat das MSKCC verlassen (3).
Die meisten medizinischen
Fachzeitschriften und Fachgesellschaften fordern Autoren und
Referenten auf, ihre finanziellen Beziehungen zu Unternehmen
offenzulegen. Dass diese Erklärungen häufig fehlerhaft
sind, zeigt eine Untersuchung, in der Daten der „Open
Payments“-Website mit den Angaben von 344 Onkologen in
Publikationen verglichen wurden: Zahlungen des Sponsors legten 32%
der Autoren nicht vollständig offen (4). Die Untersuchung wurde
im August in JAMA Oncology veröffentlicht – eine der
Zeitschriften, in denen Baselga Zahlungen von pU nicht deklariert
hat.
In diesem Zusammenhang
möchten wir auf ein neu erschienenes Buch zum richtigen Umgang
mit Interessenkonflikten hinweisen: „Interessenkonflikte,
Korruption und Compliance im Gesundheitswesen“ (5). In dem Buch
werden praktische Handlungsempfehlungen, Lösungsvorschläge
und Methoden zur Vermeidung von Fehlverhalten für das
Gesundheitswesen aufgezeigt. Herausgegeben wird es u.a. vom
Mitherausgeber des ARZNEIMITTELBRIEFS Wolf-Dieter Ludwig.
Fazit:
Ein bekannter Brustkrebsspezialist aus Amerika hat Zahlungen von
verschiedenen medizinischen Unternehmen in Höhe von mehreren
Millionen US-$ in zahlreichen Publikationen in anerkannten
Fachzeitschriften nicht angegeben. Auch die Daten einer
systematischen Untersuchung weisen darauf hin, dass die Regeln der
Fachzeitschriften und Fachgesellschaften zur Deklaration von
Interessenkonflikten nachlässig gehandhabt und nicht
durchgesetzt werden. Die Veröffentlichungen wecken Zweifel, ob
die aktuell auf Vertrauensbasis beruhende Deklaration von
Interessenkonflikten angemessen ist. In Europa sind Angaben zu
Interessenkonflikten noch schwerer zu überprüfen als in den
USA, weil es kein Gesetz gibt, das pharmazeutische Unternehmer dazu
verpflichtet, ihre Zahlungen an Ärzte namentlich zu
veröffentlichen.
Literatur
-
Ornstein,
C., und Thomas, K.: The New York Times 8.09.2018.
-
AMB
2014, 48,
88DB01
.
AMB 2018,
52,
72DB01.

-
Thomas,
K., und Ornstein, C.: The New York Times 13.09.2018.
-
Wayant,
C., et al.: JAMA Oncol. Published online August 30, 2018.
-
Lieb,
K., Klemperer, D., Kölbel, R., Ludwig, W.-D. (Hrsg.):
Interessenkonflikte, Korruption und Compliance im Gesundheitswesen.
Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Berlin, 2018.
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