Unter dieser
Überschrift wurde am 20. September der
Arzneiverordnungs-Report (AVR) 2018 der Presse vorgestellt (1, 2).
Er gilt als jährlich erscheinendes Standardwerk für den
deutschen Arzneimittelmarkt und analysiert mit evidenzbasierten
Methoden die für Patienten der gesetzlichen Krankenversicherung
(GKV) ausgestellten Rezepte, einschließlich der
Rezepturarzneimittel. Anhand der detaillierten Darstellung der Daten
und Kosten zur Verordnung von Arzneimitteln für die GKV soll die
Transparenz des Arzneimittelmarkts verbessert werden. Gleichzeitig
werden neue Arzneimittel hinsichtlich ihres therapeutischen
Stellenwerts bewertet und es wird auf mögliche Einsparpotenziale
hingewiesen. Teil I des AVR 2018 beschäftigt sich in
7 Kapiteln mit der allgemeinen Verordnungs- und
Marktentwicklung. Neben den traditionellen Kapiteln zu
Arzneiverordnungen 2017 im Überblick, neue Arzneimittel 2017,
Trends und Marktsegmente des GKV-Arzneimittelmarkts 2017 sowie
Ergebnisse der Erstattungsverfahren im Rahmen des Gesetzes zur
Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG) sind drei neue Kapitel in
den letzten Jahren hinzugekommen. Sie behandeln ausführlich die
Zulassungsverfahren für neue Arzneimittel in Europa und –
erstmals 2018 – auch das therapeutische und ökonomische
Potenzial von Biosimilars sowie ein sehr aktuelles Thema:
Marktzugang, Erstattung und Preissetzung neuer patentgeschützter
Arzneimittel in der Europäischen Union (EU). Im Teil II
werden Verordnungen von Arzneimitteln für insgesamt 40
verschiedene Indikationsgruppen – von Hemmstoffen des
Renin-Angiotensin-Systems bis hin zu zahnärztlichen
Arzneiverordnungen – kritisch analysiert und besprochen. Auf
einige wichtige Analysen und Ergebnisse des AVR 2018 wird im
Folgenden kurz eingegangen.
Die Ausgaben für
Arzneimittel in der GKV sind 2017 weiter auf 39,9 Mrd. €
angestiegen – dies bedeutet ein Plus von 3,7% gegenüber
2016 (3). Mit dem 2011 in Kraft getretenen AMNOG konnten 2017 bei
neuen Patentarzneimitteln Einsparungen von 1,8 Mrd. €
erzielt werden und somit bisher weniger als ursprünglich
prognostiziert (3, 4).
Hauptursachen
dieses Kostenanstiegs sind weiterhin die patentgeschützten
Arzneimittel, auf die 2017 18,5 Mrd. € der Ausgaben im
GKV-Arzneimittelmarkt entfielen (3). Ihr Umsatzanteil hat sich in den
letzten 20 Jahren von 33% auf 45% erhöht. Nach dem
Auslaufen der Patente für Arzneimittel zur Behandlung von
Volkskrankheiten (z.B. Diabetes mellitus,
Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Fettstoffwechselstörungen) ist es
somit pharmazeutischen Unternehmern (pU) gelungen, diese Verluste bei
den Blockbustern früherer Jahre durch neue Arzneimittel, vor
allem zur Behandlung von Krebs- und chronisch entzündlich
verlaufenden Erkrankungen sowie Infektionskrankheiten (z.B.
Hepatitis C), zu kompensieren bzw. ihre Gewinne teilweise sogar
deutlich zu steigern. Dies verdeutlichen im AVR 2018 eindrucksvoll
sowohl die Analyse zu den umsatzstärksten Arzneimittelgruppen
(Nettokosten von Onkologika, Immunsuppressiva und antithrombotischen
Mitteln: insgesamt ca. 13,2 Mrd. €, Anstiege im
Umsatz gegenüber 2016 bei allen drei Wirkstoffgruppen um > 10%)
als auch die Auflistung der nach Nettokosten führenden
30 Arzneimittel 2017 (3). Zu den 10 umsatzstärksten
Arzneimitteln gehören Immunsuppressiva (Adalimumab, Etanercept),
Onkologika (Bevacizumab, Trastuzumab, Lenalidomid, Nivolumab) und
direkte orale Antikoagulanzien (Rivaroxaban, Apixaban) – aber
auch Ranibizumab und Aflibercept, zwei sehr teure Wirkstoffe, die den
„Vascular Endothelial Growth Factor“ (VEGF) blockieren
und zur Behandlung der Makuladegeneration eingesetzt werden. Die
Nettokosten für diese 8 Arzneimittel betrugen im Jahr 2017
insgesamt ca. 4,2 Mrd. €, wobei prozentual deutliche
Änderungen gegenüber 2016 insbesondere bei Apixaban
(Eliquis®;
50,3%), Lenalidomid (Revlimid®;
24,3%) und Nivolumab (Opdivo®;
40,2%) zu verzeichnen waren (3). Durch die Verordnung der inzwischen
zugelassenen Biosimilars mit Adalimumab, Bevacizumab und Trastuzumab
können künftig auch bei diesen Wirkstoffen Einsparungen
erzielt werden, ohne dadurch die Qualität der
Arzneimittelversorgung zu verschlechtern (5, 6). Wie in den
Vorjahren führen bei den Nettokosten der Wirkstoffe bzw.
Indikationsgruppen Adalimumab mit 975 Mio. € bzw.
Onkologika mit insgesamt 6,5 Mrd. € (3, 7). Die
höchsten Kosten unter den Onkologika, für die 2017 nur 1,1%
aller Verordnungen des GKV-Arzneimittelmarkts ausgestellt wurden,
verursachen inzwischen monoklonale Antikörper (2,3 Mrd. €)
und Proteinkinaseinhibitoren (1,5 Mrd. €; 7).
Ähnlich gering ist mit 2,7% der Verordnungsanteil nach
Tagesdosen bei Biologika, deren Nettokosten in Höhe von
10,6 Mrd. € jedoch heute bereits 27,5% des gesamten
Arzneimittelmarkts ausmachen (3). Diese Zahlen belegen das –
bisher allerdings unzureichend genutzte – Einsparpotenzial
durch Biosimilars (5).
Angesichts der
weiter steigenden Arzneimittelausgaben – trotz gesetzlicher
Maßnahmen zur Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven
(z.B. Arzneimittelfest- und Arzneimittelrabattverträge, AMNOG) –
werden im AVR 2018 in verschiedenen Kapiteln Vorschläge zur
Senkung der GKV-Arzneimittelausgaben unterbreitet (3, 5, 8, 9).
Preissetzung und Erstattung für patentgeschützte
Arzneimittel in Deutschland unterscheiden sich in einigen wenigen,
aber relevanten Punkten von anderen europäischen Ländern
(9). Nach Zulassung kann in Deutschland ein Arzneimittel mit dem vom
pharmazeutischen Unternehmer (pU) bestimmten Preis unverzüglich
auf den Markt gebracht werden und ist im ersten Jahr nach Zulassung
grundsätzlich erstattungsfähig. Eine wichtige Maßnahme
wäre deshalb, dass die nach früher Nutzenbewertung zwischen
GKV-Spitzenverband und pU ausgehandelten Erstattungsbeträge
rückwirkend gelten. Dadurch allein hätten im Jahr 2017
Einsparungen in Höhe von 353 Mio. € erzielt
werden können (1). Weitere pharmakologisch-therapeutische sowie
ökonomische Einsparmöglichkeiten werden im AVR 2018
ausführlich dargestellt in den Kapiteln „Arzneiverordnungen
im Überblick“, „Ergebnisse des
AMNOG-Erstattungsverfahrens“ und „Marktzugang, Erstattung
und Preissetzung neuer patentgeschützter Arzneimittel in der EU“
(2, 8, 9).
Literatur
-
https://www.aok-bv.de/presse/termine/index_17107.html

-
Schwabe, U., Paffrath, D., Ludwig,
W.-D., Klauber, J. (Hrsg.): Arzneiverordnungs-Report 2018.
Springer-Verlag Berlin, 2018.
-
Schwabe, U. und Ludwig, W.-D.:
Arzneiverordnungen 2017 im Überblick. In: Schwabe, U.,
Paffrath, D., Ludwig, W.-D., Klauber, J. (Hrsg.):
Arzneiverordnungs-Report 2018. Springer-Verlag Berlin, 2018.
-
AMB 2010, 44,
89.

-
Dicheva-Radev,
S., und Ludwig, W.-D.: Biosimilars. In:
Schwabe, U., Paffrath, D., Ludwig, W.-D., Klauber, J. (Hrsg.):
Arzneiverordnungs-Report 2018. Springer-Verlag Berlin, 2018.
-
https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/97798/
Wettlauf-um-Rheumapatienten-nach-Patentablauf- von-Adalimumab

-
Ludwig, W.-D., und Schwabe, U.:
Onkologika. In: Schwabe, U., Paffrath, D., Ludwig, W.-D., Klauber,
J. (Hrsg.): Arzneiverordnungs-Report 2018. Springer-Verlag Berlin,
2018.
-
von Stackelberg, J.M., et al.:
Ergebnisse des AMNOG-Erstattungsverfahrens. In: Schwabe, U.,
Paffrath, D., Ludwig, W.-D., Klauber, J. (Hrsg.):
Arzneiverordnungs-Report 2018. Springer-Verlag Berlin, 2018.
-
Vogler, S.: Marktzugang, Erstattung
und Preissetzung neuer patentgeschützter Arzneimittel in der
Europäischen Union. In: Schwabe, U., Paffrath, D., Ludwig,
W.-D., Klauber, J. (Hrsg.): Arzneiverordnungs-Report 2018.
Springer-Verlag Berlin, 2018.
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