Zur antithrombotischen
Therapie nach katheterinterventionellem Aortenklappen-Ersatz (TAVI)
wird in der aktuellen Leitlinie der European Society of Cardiology
bei niedrigem Blutungsrisiko eine duale Plättchenhemmung (ASS
plus Clopidogrel) über drei bis sechs Monate empfohlen, gefolgt
von einer plättchenhemmenden Monotherapie
(Empfehlungsklasse IIa; 1, vgl. 2). Bei erhöhtem
Blutungsrisiko kann von Anfang an eine Monotherapie erwogen werden
(Empfehlungsklasse IIb). Diese Empfehlungen beruhen mangels
Daten aus Studien allein auf einem Expertenkonsens und wurden in
Analogie zur Implantation von Koronar-Stents erstellt
(Evidenzlevel C). Zur Prävention subklinischer
Klappenthrombosen wird auch eine orale Antikoagulation diskutiert,
die laut Empfehlung einer Leitlinie US-amerikanischer
Fachgesellschaften bei Patienten mit niedrigem Blutungsrisiko mit
einem Vitamin-K-Antagonisten (VKA) über mindestens 3 Monate
in Betracht gezogen werden kann (3). Der Stellenwert direkter oraler
Antikoagulanzien (DOAK) nach TAVI ist unklar und wird derzeit in
verschiedenen klinischen Studien untersucht (vgl. 2).
In einem Rote-Hand-Brief
informiert nun die Bayer AG in Abstimmung mit der Europäischen
Arzneimittel-Agentur, dass eine Phase-III-Studie (GALILEO; 4)
vorzeitig abgebrochen wurde, in der Patienten nach TAVI randomisiert
eine Rivaroxaban-basierte Antikoagulationsstrategie oder eine
Plättchenhemmer-basierte Strategie erhielten (5). Grund war in
vorläufigen Ergebnissen ein Anstieg der Gesamtsterblichkeit
sowie von Thromboembolie- und Blutungsereignissen.
Die vom Hersteller
finanzierte Studie wurde offen und multizentrisch durchgeführt.
Die Patienten erhielten über 90 Tage entweder Rivaroxaban
10 mg/d oder Clopidogrel 75 mg/d, jeweils kombiniert mit
Azetylsalizylsäure (ASS) 75-100 mg/d. Es folgte eine
Erhaltungstherapie mit Rivaroxaban 10 mg/d bzw. ASS allein. Der
primäre Wirksamkeitsendpunkt war eine Kombination aus
Gesamtsterblichkeit, Schlaganfall, systemischen Embolien,
Herzinfarkt, Lungenembolie, tiefer Venenthrombose und symptomatischer
Klappenthrombose. Primärer Sicherheitsendpunkt waren schwere
Blutungen. Patienten mit Vorhofflimmern zum Zeitpunkt der
Randomisierung waren von der Studie ausgeschlossen.
Im August 2018 hat das
unabhängige Data Safety Monitoring Board die Beendigung der
Studie empfohlen, nachdem eine vorläufige Analyse Schäden
bei den mit Rivaroxaban/ASS behandelten Patienten nahelegte im
Vergleich zu den Patienten, die Clopidogrel/ASS erhielten: In der
Rivaroxaban-Gruppe traten Tod oder erstes thromboembolisches Ereignis
häufiger auf (11,4% vs. 8,8%), die Gesamtsterblichkeit war
doppelt so hoch (6,8% vs. 3,3%), und es kam zu mehr schweren
Blutungen (4,2% vs. 2,4%). Die endgültigen Ergebnisse der Studie
werden Anfang 2019 erwartet.
Auch bei Patienten nach
mechanischem Herzklappen-Ersatz haben DOAK gegenüber VKA keinen
Nutzen gezeigt: Die RE-ALIGN-Studie wurde vorzeitig abgebrochen, weil
Dabigatran im Vergleich zu Warfarin zu signifikant mehr
thromboembolischen Ereignissen und Blutungskomplikationen geführt
hatte (vgl. 6). Zur Antikoagulation von Patienten mit einer
mechanischen Herzklappe sind nach den aktuellen Leitlinien daher
weiterhin VKA (unbefristet) Therapie der Wahl (1). Nach biologischem
Mitral- oder Trikuspidalklappenersatz sollte laut
Leitlinienempfehlung eine OAK mit VKA für 3 Monate erwogen
werden (Empfehlungsklasse IIa, Evidenzlevel C; 1) und nach
chirurgischem biologischem Aortenklappenersatz eine antithrombozytäre
Monotherapie mit 100 mg/d ASS für 3 Monate. Eine
antithrombozytäre Monotherapie könnte den Ergebnissen einer
aktuellen Metaanalyse zufolge auch nach TAVI ein ausreichender
Thromboembolieschutz sein (vgl. 2, 7) und wird bereits als
künftiger Standard diskutiert, derzeit ist er lediglich eine
Klasse-IIb-Empfehlung bei erhöhtem Blutungsrisiko (1).
Fazit:
Nach vorzeitigem Abbruch einer klinischen Studie aufgrund
schlechterer Ergebnisse informiert ein Rote-Hand-Brief, dass
Rivaroxaban nicht zur Thromboseprophylaxe bei Patienten mit
künstlichen Herzklappen angewendet werden sollte, einschließlich
Patienten nach einer TAVI. Bei diesen Patienten sollte eine
Behandlung mit Rivaroxaban beendet und auf eine Standardtherapie
umgestellt werden. Aus unserer Sicht sollten auch andere DOAK nach
TAVI strikt nur im Rahmen von Studien angewendet werden. Die
derzeitige antithrombotische Routinetherapie nach TAVI besteht
weiterhin in einer dualen Plättchenhemmung (ASS plus
Clopidogrel) für 3 bis 6 Monate mit ggf. Umstellung auf
Monotherapie (ASS oder Clopidogrel, z.B. bei Blutungsrisiko).
Patienten, die nach TAVI wegen anderer Erkrankungen neu
antikoaguliert werden müssen, sollten einen VKA erhalten. Bei
Patienten nach TAVI, die wegen anderer Erkrankungen bereits mit einem
DOAK antikoaguliert sind, kann eine Umstellung auf einen VKA
besprochen werden.
Literatur
-
Baumgartner, H., et al.:
Eur. Heart
J. 2017, 38,
2739.
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AMB
2018, 52,
60.

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Nishimura,
R.A., et al.: Circulation 2017, 135,
e1159.
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Windecker,
S., et al. (GALILEO
= Global
study comparing a rivAroxaban-based
antithrombotic strategy to an antipLatelet-based
strategy after transcatheter aortIc
vaLve
rEplacement
to optimize clinical Outcomes):
Am. Heart J. 2017, 184,
81.
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https://www.bfarm.de/...

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AMB
2013, 47,
74.

-
Al
Halabi, S., et al.: Am.
J. Cardiol. 2018, 122,
141.
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