Maligne ventrikuläre
Tachykardien sind eine bedeutsame Komplikation beim akuten
Myokardinfarkt (MI; 1, 2). Das Risiko für ventrikuläre
Tachykardien ist besonders hoch, wenn die linksventrikuläre
Ejektionsfraktion (LVEF) stark einschränkt ist (3, 4).
Durch die Implantation eines automatischen Defibrillators (Implanted
Cardioverter Defibrillator = ICD) kann die Letalität bei
Patienten mit anhaltend reduzierter LVEF nach MI gesenkt werden. Der
Nutzen des ICD ist aber bisher nur für die späte
Implantation nachgewiesen, d.h. Monate bis Jahre nach MI (5). Die
ESC-Leitlinien empfehlen (1A) eine primärprophylaktische
ICD-Implantation
zur Reduktion des Plötzlichen Herztods bei Patienten mit
symptomatischer Herzinsuffizienz (NYHA-Klassen II-III) und einer
LVEF ≤ 35% nach ≥ 3 Monaten mit optimaler
medikamentöser Therapie (OMT), wenn die Patienten eine
Lebenserwartung von mindestens einem Jahr haben (13). Für
die frühe postinfarzielle Phase konnte dieser Vorteil nicht
gezeigt werden (6, 7). In der Rekonvaleszenzphase nach akutem MI
kann sich eine reduzierte LVEF im Laufe von mehreren Wochen unter OMT
soweit erholen, dass die Implantation eines ICD nach den Leitlinien
nicht erforderlich ist (8). In Anlehnung an die Leitlinie der ESC zur
Therapie des akuten MI empfiehlt die Deutsche Kardiologische
Gesellschaft 2017 eine ICD-Implantation zur Primärprävention
frühestens 4 Wochen nach zurückliegendem MI bei
persistierender LVEF von ≤ 30% (Empfehlungsgrad I,
Evidenzniveau B; 9, 11).
Tragbare
Westen mit eingearbeitetem Defibrillator (Wearable Cardioverter
Defibrillator = WCD) sind seit einigen Jahren auf dem Markt. Aus
Registerstudien und Fallbeschreibungen ist bekannt, dass sie
ventrikuläre Tachykardien terminieren können (10).
In einer
multizentrischen, randomisierten, kontrollierten Studie mit dem
Akronym VEST (12) wurde jetzt der Nutzen eines WCD auf das Überleben
von Patienten mit akutem MI und reduzierter LVEF (< 35%)
untersucht. Von 2008 bis 2017 wurden 2.348 Patienten in
76 US-amerikanischen, 24 polnischen, 6 deutschen und
2 ungarischen Kliniken eingeschlossen. Die Studie wurde
anfänglich von den National Institutes of Health finanziert mit
Unterstützung von ZOLL Medical, dem Hersteller der
Defibrillator-Weste. Ab 2011 war ZOLL Medical dann einziger Sponsor,
angeblich ohne Einfluss auf Studiendesign, -durchführung und
-auswertung.
Eingeschlossen wurden
Patienten innerhalb von 7 Tagen nach akutem MI; ausgeschlossen
waren u.a. Patienten mit implantiertem antibradykardem Schrittmacher
(PM), chronischer Hämodialyse, Pflegebedürftigkeit oder bei
denen die Weste aus anatomischen Gründen nicht angepasst werden
konnte. In einem 2:1-Studiendesign wurden die Studienteilnehmer
randomisiert in eine Interventionsgruppe mit WCD plus OMT oder in die
Kontrollgruppe mit ausschließlich OMT. Die Patienten wurden im
Umgang mit der Weste ausführlich geschult und angewiesen, sie
über 3 Monate kontinuierlich zu tragen, außer beim
Baden und Duschen. Hatte ein Teilnehmer die Weste für < 15 Std.
am Tag getragen, wurde dies elektronisch an das Studienzentrum
gemeldet. Die Teilnehmer wurden nach einem Monat telefonisch
interviewt und nach drei Monaten persönlich einbestellt.
Der geplante primäre
Studienendpunkt war Tod jeder Ursache nach 60 Tagen. Wegen
zögerlicher Rekrutierung wurde der Studienendpunkt dann im
Nachhinein als ein kombinierter Endpunkt neu festgelegt:
90-Tage-Letalität durch plötzlichen Herztod oder Tod wegen
ventrikulärer Tachykardien (VT).
Ergebnisse:
Von den 2.348 eingeschlossenen Patienten konnten 2.302 ausgewertet
werden: 1.524 mit WCD und 778 Kontrollen. Die medizinischen und
demografischen Daten der beiden Kollektive waren etwa gleich. Die
mittlere LVEF betrug 28%, knapp 20% hatten eine LVEF < 25%.
Fast 90% der Patienten hatten eine duale Plättchenhemmung und
nahmen leitliniengerecht ACE-Hemmer (85%), Betablocker (92%) und
Statine (90%) ein. Etwa 44% wurden mit einem Aldosteronantagonisten
(Spironolacton oder Eplerenon) und/oder einem Diuretikum behandelt;
7% in beiden Kollektiven nahmen Amiodaron ein. Die Weste wurde im
Median über 18 Stunden. (3,8-22,7) getragen.
Einen Plötzlichen
Herztod durch Arrhythmie erlitten 1,6% der Patienten mit WCD und 2,4%
der Kontrollen (Relatives Risiko = RR: 0,67;
95%-Konfidenzintervall = CI: 0,37-1,21; p = 0,18). Die
Gesamtletalität betrug 3,1% in der WCD-Gruppe und 4,9% in der
Kontrollgruppe und war in der multivariaten Analyse nicht signifikant
unterschiedlich.
Von den 48 verstorbenen
Patienten in der WCD-Gruppe trugen nur 12 die Weste zum
Todeszeitpunkt. 20 Teilnehmer (1,3%) erhielten einen adäquaten
elektrischen Schock durch den WCD, 14 von ihnen überlebten die
90-Tage-Beobachtungszeit. Immerhin 9 Patienten (0,6%) erlitten
einen inadäquaten elektrischen Schock.
Die Aussagekraft der
Studie wird durch die schlechte Therapieadhärenz der Teilnehmer
eingeschränkt. Man hatte im Hinblick auf die statistisch
notwendige Aussagekraft eine Adhärenz von 70% zu Grunde gelegt.
Diese wurde aber nur in den ersten zwei Wochen der Studie erreicht.
Fazit:
Die tragbare Defibrillator-Weste führte in der VEST-Studie
innerhalb der ersten 90 Tage nach einem Myokardinfarkt mit
reduzierter linksventrikulärer Ejektionsfraktion (< 35%)
nicht zu einer signifikanten Reduktion Arrhythmie-bedingter
Todesfälle im Vergleich zur medikamentösen Standardtherapie
allein. Eine routinemäßige Anwendung bei dieser Indikation
kann daher nicht empfohlen werden.
Literatur
-
Berger,
C.J., et al. (FHS
= Framingham
Heart
Study):
JAMA 1992, 268,
1545.
-
Solomon,
S.D., et al. (VALIANT
= VALsartan
In
Acute
myocardial iNfarction
Trial):
N. Engl. J. Med. 2005, 352,
2581.
-
Adabag,
A.S., et al.: JAMA 2008, 300,
2022.
-
Zaman,
S., und Kovoor, P.: Circulation
2014, 129,
2426.
-
Moss,
A.J., et al. (MADIT II = Multicenter
Automatic
Defibrillator
Implantation
Trial
II):
N. Engl. J. Med. 2002, 346,
877.
-
Hohnloser,
S.H., et al. (DINAMIT = Defibrillator
IN
Acute Myocardial
Infarction
Trial):
N. Engl. J. Med. 2004, 351,
2481.
-
Steinbeck,
G., et al. (IRIS = Immediate
Risk-stratification
Improves
Survival):
N. Engl. J. Med. 2009, 361,
1427.
-
Al-Khatib,
S.M., et al.: J. Am. Coll.
Cardiol. 2018,
72,
e91.
-
ESC Pocket Guidelines
2018. Therapie des akuten Herzinfarktes bei Patienten mit
ST-Streckenhebung (STEMI), Version 2017. Börm Bruckmeier Verlag
GmbH, Grünwald.
-
Kutyifa,
V., et al. (WEARIT-II = Prospective
registry of patients using the wearable cardioverter defibrillator):
Circulation 2015, 132,
1613.
-
Schwab, J.O., et al.:
Kardiologe 2015, 9,
165.
-
Olgin,
J.E., et al. (VEST
= Vest
prevention of Early
Sudden
death Trial):
N. Engl. J. Med. 2018, 379,
1205.
-
Priori,
S.G., et al.: Eur. Heart
J. 2015, 36,
2793.
|