Medizinisches Marketing
zielt darauf, die Meinung von Öffentlichkeit und Fachkreisen
über den Nutzen und Schaden von verschreibungspflichtigen
Arzneimitteln, Labortests, Gesundheitseinrichtungen und die
Definition von Krankheiten zu beeinflussen. Lisa Schwartz und Steven
Woloshin analysierten nun die Entwicklung der Ausgaben für
medizinisches Marketing in den USA über einen Zeitraum von
20 Jahren von 1997 bis 2016 (1). Außerdem untersuchten sie
die regulatorische Aufsicht über das Marketing. Für ihre
Untersuchung nutzten sie Daten aus unterschiedlichen Quellen,
darunter waren staatliche Organisationen wie das „Open
payments“-Programm (vgl. 2), wissenschaftliche Literatur
und Zeitungsartikel.
Die Untersuchung zeigt,
dass sich die Ausgaben für die Vermarktung
verschreibungspflichtiger Arzneimittel, „Disease
awareness“-Kampagnen, Gesundheitsleistungen und Labortests
nahezu verdoppelten mit einem Anstieg von 17,7 Mrd. US-$ im Jahr
1997 auf 29,9 Mrd. US-$ im Jahr 2016. Wir wissen allerdings
nicht, ob die Inflation in den USA in diesem Zeitraum einberechnet
worden ist. Am schnellsten stiegen die Ausgaben für die
Direktwerbung bei Verbrauchern (direct to consumer advertising =
DTCA; vgl. 3): von 2,1 Mrd. US-$ im Jahr 1997 (11,9% der
Gesamtausgaben) auf 9,6 Mrd. US-$ im Jahr 2016 (32,0% der
Gesamtausgaben). Den größten Anteil davon machte die
Werbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel aus, deren
Kosten von 1,3 Mrd. US-$ für 79.000 Anzeigen auf
6 Mrd. US-$ für 4,6 Mio. Anzeigen anstiegen. Vermehrt
geworben wurde für teure Biologika und Immuntherapien gegen
bösartige Krankheiten. DTCA für verschreibungspflichtige
Arzneimittel ist nur in den USA und Neuseeland erlaubt.
Überall auf der Welt
legal sind sogenannte „Disease awareness“-Kampagnen:
Werbeaktionen, welche die Aufmerksamkeit für eine Krankheit
steigern sollen ohne ein Arzneimittel zu erwähnen. Ihre Zahl
stieg in den USA im untersuchten Zeitraum von 44 auf 401, die Kosten
dafür von 177 Mio. US-$ auf 430 Mio. US-$. Auch die
Ausgaben für Werbung für Labortests stiegen von 75,4 Mio.
US-$ auf 82,6 Mio. US-$. Die Zahl der Anzeigen stieg noch
deutlicher von 14.100 auf 255.300, denn es wurden vermehrt die
weniger kostspieligen elektronischen Medien genutzt. Zunehmend werden
Gentests beworben (vgl. 5). AncestryDNA, das Unternehmen mit den
höchsten Werbeausgaben, investierte dafür im Jahr 2016
38 Mio. US-$.
Der größte
Anteil der Marketingkosten insgesamt entfiel auf Ausgaben für
Fachkreise, hauptsächlich Werbung für
verschreibungspflichtige Arzneimittel an Ärzte (Anstieg von
15,6 Mrd. US-$ im Jahr 1997 auf 20,3 Mrd. US-$ im Jahr
2016). Die Ausgaben für Besuche von Pharmareferenten in Kliniken
und Praxen waren 1997 und 2016 mit etwa 5 Mrd. US-$ ähnlich.
Für kostenlose Arzneimittelmuster stiegen die Ausgaben von
8,9 Mrd. US-$ im Jahr 1997 auf 13,5 Mrd. US-$ im Jahr 2016.
Die Kosten für Anzeigen in medizinischen Fachzeitschriften
sanken: von 744 Mio. US-$ im Jahr 1997 auf 119 Mio. US-$ im
Jahr 2016. Pharmazeutische Unternehmer zahlten im Jahr 2016 979 Mio.
US-$ direkt an Lehrkrankenhäuser und Ärzte, z.B. für
Vortragshonorare, Mahlzeiten und Reisekosten.
Von 1997 bis 2016 stieg
die Zahl der Werbematerialien für Arzneimittel, die von
Unternehmern zur Überprüfung an die zuständige
Abteilung der US-amerikanischen Zulassungsbehörde Food und Drug
Administration (FDA) eingereicht wurden, von 34.182 auf 97.252.
Gleichzeitig sank die Zahl der Schreiben, in denen die FDA
irreführendes Arzneimittelmarketing kritisierte, von 156 auf 11.
Als Reaktion auf
Beschwerden oder die Einleitung von Zivilklagen erreichten die
Verbraucherschutzabteilung des US-Justizministeriums und die
Generalstaatsanwaltschaften 103 juristische Vergleiche. Sie
führten zu Geldstrafen von > 10,5 Mrd. US-$ wegen
rechtswidriger Werbung, meist für Marketing außerhalb der
Zulassung („off-label“ Marketing).
Die Autoren gehen davon
aus, dass sie in ihrer Untersuchung die Ausgaben für das
medizinische Marketing in den USA unterschätzen, da es zu vielen
Posten keine Daten gibt, beispielsweise zu den Rabatten
pharmazeutischer Unternehmer auf Arzneimittel oder zu den Ausgaben
für Selbsthilfeorganisationen. Außerdem stellen sie dar,
dass sie teilweise in verschiedenen Quellen sehr unterschiedliche
Angaben gefunden haben.
Ein Editorial weist
darauf hin, dass das Vertrauen der Patienten den Ärzten die
Möglichkeit bietet, die gesundheitlichen Risiken der
Direktwerbung zu begrenzen (4). Das Vertrauen kann jedoch sinken,
wenn das medizinische Marketing ungehindert und größtenteils
unreguliert weiter zunimmt.
Fazit:
Eine Untersuchung zeigt, dass in den letzten zwei Jahrzehnten die
Ausgaben für die Vermarktung von Arzneimitteln, „Disease
awareness“-Kampagnen, Labortests und Gesundheitsleistungen an
Verbraucher und Fachkreise in den USA stark angestiegen sind, während
die regulatorische Aufsicht begrenzt blieb. Am höchsten waren
die Ausgaben für die Werbung für verschreibungspflichtige
Arzneimittel bei Ärzten. Einen ähnlichen Überblick
wünschen wir uns auch für Deutschland und Europa.
Literatur
- Schwartz,
L.M., und Woloshin, S.: JAMA 2019, 321,
80.
-
AMB 2014, 48,
88DB01.

-
AMB
2015, 49,
56DB01
.
AMB
2009, 43,
07b .
AMB
2007, 41,
95b.

- Ortiz,
S., und Rosenthal, M.B.: JAMA 2019, 321,
40.
-
AMB 2018, 52,
89.

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