Gastrointestinale
Blutungen (GIB), insbesondere im oberen Gastrointestinaltrakt, sind
eine häufige und potenziell gefährliche Nebenwirkung oraler
Antikoagulanzien (OAK). In den großen Phase-III-Studien zur
Zulassung der direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK) bei
Vorhofflimmern waren starke GIB unter Rivaroxaban (Xarelto®),
Dabigatran (Pradaxa®,
150 mg) und Edoxaban (Lixiana®)
häufiger als unter dem Vitamin-K-Antagonisten (VKA) Warfarin und
unter Apixaban (Eliquis®)
etwa gleich häufig (1). Auch in einer retrospektiven
Untersuchung von Versicherungsdaten aus Deutschland traten GIB unter
Rivaroxaban und Dabigatran häufiger auf als unter Behandlung mit
dem VKA Phenprocoumon (vgl. 2). Obwohl die Datenlage
unzureichend ist, werden zur Prävention von GIB unter OAK bei
einigen Patienten Protonenpumpenhemmer (PPI) eingesetzt, die über
die Hemmung der Säuresekretion des Magens das Blutungsrisiko
senken sollen. PPI sind in dieser Indikation nicht zugelassen. Ihre
Langzeiteinnahme kann zu zahlreichen Nebenwirkungen führen
(vgl. 3). In der großen COMPASS-Studie, die Rivaroxaban
zur Prävention kardiovaskulärer Ereignisse bei koronarer
Herzkrankheit oder peripherer arterieller Verschlusskrankheit prüft,
wird auch zusätzliches Pantoprazol zur Prophylaxe von GIB
randomisiert mit Plazebo verglichen (vgl. 4). Dieser Teil der
Studie ist aber noch nicht abgeschlossen (5). Nun wurden Ergebnisse
einer retrospektiven Kohortenstudie veröffentlicht, in der der
Zusammenhang von OAK-Auswahl und einer PPI-Komedikation mit dem
Risiko für obere GIB untersucht wurde (6). Die Studie wurde von
staatlichen US-amerikanischen Institutionen finanziert.
Analysiert wurden Daten
von 1,64 Mio. Versicherten von Medicare, der staatlichen
Krankenversicherung für Rentner in den USA, denen in den Jahren
2011 bis 2015 neu OAK (Apixaban, Dabigatran, Rivaroxaban, Warfarin)
verordnet wurden. Unter den Versicherten waren 56% Frauen, das
durchschnittliche Alter lag bei 76,4 Jahren, und die Indikation
für die Verordnung von OAK war bei ca. 75% Vorhofflimmern.
Primärer Endpunkt der Studie war eine Hospitalisierung wegen
oberer GIB unter OAK (berechnet pro 10.000 Personenjahre).
Bei Patienten mit einer
OAK ohne PPI betrug die Inzidenz einer Hospitalisierung wegen einer
oberen GIB 115/10.000 Personenjahre. Unter Rivaroxaban war die
Inzidenz am höchsten (144/10.000 Personenjahre), gefolgt
von Dabigatran (120/10.000 Personenjahre), Warfarin
(113/10.000 Personenjahre) und Apixaban
(73/10.000 Personenjahre). Unter einer Komedikation, die bei
ungefähr 25% der Patienten erfolgte, kam es bei allen OAK
seltener zu einer Hospitalisierung wegen einer oberen GIB
(76/10.000 Personenjahre). Die Inzidenz betrug für
Rivaroxaban 108/10.000 Personenjahre, für Warfarin
74/10.000 Personenjahre, für Dabigatran
59/10.000 Personenjahre und für Apixaban
49/10.000 Personenjahre. Die Verminderung des Risikos für
Hospitalisierungen aufgrund oberer GIB unter OAK durch PPI war
deutlich abhängig von individuellen Risikofaktoren der
Patienten, darunter Alter, GIB in der Anamnese und Anwendung von
weiteren Arzneimitteln mit einem erhöhten Risiko für
Blutungen. Lagen bei den Patienten keine oder nur wenige
Risikofaktoren vor, kam es unter PPI nicht zu weniger
Hospitalisierungen.
Die Autoren diskutieren
mehrere interessante Aspekte der Ergebnisse: So war die Inzidenz von
Hospitalisierungen aufgrund oberer GIB unter Rivaroxaban sowohl mit
als auch ohne PPI am höchsten und unter Apixaban am niedrigsten,
ähnlich wie in anderen Studien (1, vgl. 2). Die hohe
Blutungsneigung unter Rivaroxaban erklären die Autoren damit,
dass die einmal tägliche Gabe zu einer ausgeprägten Spitze
des Wirkstoffspiegels führt. Auffällig ist außerdem,
dass der Unterschied in der Hospitalisierungsrate durch PPI bei
Dabigatran am größten war. Verantwortlich dafür
könnten Läsionen im oberen Gastrointestinaltrakt sein, die
durch säurehaltige Bestandteile der Arzneimittelkapseln
ausgelöst, aber durch PPI eventuell verhindert oder geheilt
werden. Die Autoren weisen auch daraufhin, dass die Aussagekraft der
Ergebnisse – wie bei allen Beobachtungsstudien – begrenzt
ist. So wurden beispielsweise die Daten auf der Basis eingelöster
Rezepte analysiert und Arzneimittel, für die keine Rezepte
benötigt werden (z.B. niedrig dosierte Azetylsalizylsäure)
blieben unberücksichtigt.
Fazit:
In einer retrospektiven Kohortenstudie bei Patienten unter oraler
Antikoagulation mit Apixaban, Dabigatran, Rivaroxaban oder Warfarin
war das Risiko für eine Hospitalisierung aufgrund einer oberen
gastrointestinalen Blutung (GIB) am höchsten unter Rivaroxaban.
Die zusätzliche Einnahme eines Protonenpumpenhemmers (PPI) war
bei allen Antikoagulanzien mit einem niedrigeren Blutungsrisiko
assoziiert. Das Ausmaß der Risikoreduktion war abhängig
davon, ob und wie viele weitere Risikofaktoren für Blutungen bei
den Patienten vorlagen. Die Auswahl des Antikoagulans sollte sich
nach individuellen Merkmalen des Patienten richten. Eine Komedikation
mit einem PPI zur Prävention von GIB unter oraler
Antikoagulation sollte nur erwogen werden, wenn bei den Patienten
weitere Risikofaktoren vorliegen, darunter früher aufgetretene
gastroduodenale Ulzera oder Blutungen sowie beispielsweise eine
begleitende Medikation mit nichtsteroidalen Antirheumatika oder
Thrombozytenaggregationshemmern.
Literatur
- Arzneimittelkommission
der deutschen Ärzteschaft: Leitfaden „Orale
Antikoagulation bei nicht valvulärem Vorhofflimmern“.
Stand
September 2016.

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https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT01776424

- Ray,
W.A., et al.: JAMA 2018, 320,
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