Über eine seltene,
aber wahrscheinlich wichtige Arzneimittelinteraktion auf der Ebene
hepatozellulärer Transportproteine berichtet im Br. J. Clin.
Pharmacol. eine Gruppe aus der Schweiz (1). In dem geschilderten Fall
erlitt ein 85-jähriger Mann eine schwere Rhabdomyolyse mit
Nierenversagen, weil er zugleich auch Sacubitril/Valsartan
und Rosuvastatin eingenommen hatte.
Der beschriebene Patient
hatte einen Diabetes mellitus, eine koronare Herzerkrankung sowie
eine chronische Herzinsuffizienz mit einer linksventrikulären
Auswurfleistung unter 25%. Seine tägliche Vormedikation bestand
aus 100 mg Acetylsalicylsäure, 50 mg Metoprolol,
200 mg Sacubitril/Valsartan (97/103 mg), 10 mg
Torasemid, 12,5 mg Spironolacton, 10 mg Rosuvastatin und
100 mg Sitagliptin. Er wurde wegen kardialer Dekompensation
stationär aufgenommen. Der erste Kreatininwert betrug 1,7 mg/dl,
Kreatininkinase (CK) und Leberwerte waren zunächst normal. Der
Patient wurde im Verlauf oligurisch, erhielt hohe Dosen
Schleifendiuretika und aufgrund einer nicht anhaltenden
Kammertachykardie Amiodaron. Nach 5 Tagen begannen starke
Muskelschmerzen. Die CK war auf 6.794 U/l angestiegen, der
Kreatininwert auf 5,8 mg/dl. Zudem waren GPT (1.103 U/l), das
Bilirubin (2,45 mg/dl) und das Laktat (4,1 mmol/l) deutlich
erhöht. Es folgte eine mehrtägige intensivmedizinische
Behandlung. Der Kreatininwert stabilisierte sich bei 4,3 mg/dl,
die Ödeme konnten langsam ausgeschwemmt werden, und die Laktat-
und Leberwerte normalisierten sich wieder. Eine Hämodialyse
konnte vermieden werden.
Der Ursprung der
Rhabdomyolyse (maximale CK: 18.478 U/l) wurde von den behandelnden
Ärzten einer toxischen Akkumulation von Rosuvastatin zugeordnet.
Dessen maximale Plasmakonzentration lag bei 110 ng/ml, was mehr
als 10mal so hoch ist wie die von 10 gesunden Freiwilligen nach
Einnahme einer Einzeldosis von 10 mg Rosuvastatin. Die
Akkumulation ist aus Sicht der Autoren zurückzuführen auf:
1. die akute Leberschädigung, 2. das akute
Nierenversagen (beides durch ein „low cardiac output“)
und 3. eine Wechselwirkung zwischen Sacubitril/Valsartan und
Rosuvastatin auf der Ebene eines hepatozellulären
Transportproteins.
Statine werden
bekanntlich in der Leber metabolisiert. Die Aufnahme der Statine in
die Hepatozyten erfolgt über Transportproteine
an deren sinusoidalen Membran.
Rosuvastatin ist wie die meisten Statine ein Substrat des
Transportproteins OATP1B1 (Abk. OATP von engl.: Organic Anion
Transporting Polypeptide). Bislang
sind 11 OATP bekannt. Eine
verminderte Funktion der OATP führt zu einer geringeren
Elimination seiner Substrate. Solch eine Funktionsminderung kann
genetisch bedingt sein oder durch Arzneimittelinteraktionen.
Bestimmte Genotypen von SLCO1B1
(kodieren für den Transporter OATP1B1) gehen mit in einer „low
function“ von OATP1B1 einher und können die
Serumkonzentrationen von Statinen um das 2-3fache erhöhen. Für
die Hochdosis-Behandlung mit Simvastatin wurde bei bestimmten
Varianten des SLCO1B1-Gens
eine Odds ratio für das Auftreten von Myopathien im Vergleich
zum Wildtyp von
16,9 berechnet. In den USA wird eine regelhafte Bestimmung des
SLCO1B1-Genotyps
vor Beginn einer Statinbehandlung diskutiert (2), und viele Labors
bieten diese Untersuchung auch in Deutschland und Österreich an.
Zu
den Arzneimitteln, die die OATP1B1-Funktion hemmen, gehören u.a.
Rifampicin, verschiedene Makrolidantibiotika und Virustatika,
Ciclosporin und Gemfibrozil. Auch Sacubitril, eine der beiden
Komponenten des Herzinsuffizienzmittels Sacubitril/Valsartan
(Entresto®),
ist laut Fachinformation ein Inhibitor der Transportproteine OATP1B1
und 1B3 (3). Die maximale Plasmakonzentration von Atorvastatin erhöht
sich in Anwesenheit von Sacubitril in vitro um das 2fache, und es
gibt mindestens einen Fallbericht über eine Rhabdomyolyse nach
3-wöchiger Komedikation von Atorvastatin und Sacubitril (4). Die
Fachinfo warnt daher auch: „Bei der gleichzeitigen Anwendung
von Sacubitril/Valsartan und Statinen ist Vorsicht geboten.“
Rosuvastatin hat im
Vergleich zu Atorvastatin eine noch höhere Affinität zu
OATP1B1. Daher könnte das Ausmaß der Wechselwirkung bei
gleichzeitiger Einnahme von Sacubitril
und Rosuvastatin sogar noch größer sein als bei
Atorvastatin. In einer kürzlich durchgeführten Tierstudie
wurde eine um das 11-fache vergrößerte „Area Under
the Curve“ von Rosuvastatin durch die gleichzeitige
Verabreichung von Sacubitril
gemessen (5).
Fazit:
Sacubitril
hemmt die hepatozellulären Transportproteine OATP1B1
und 1B3. Diese sind maßgeblich an der Aufnahme von Statinen in
die Leber beteiligt. Wird dieser Weg durch Sacubitril blockiert, kann
die Metabolisierung und Elimination von Statinen vermindert werden.
Es resultieren höhere Serumkonzentrationen mit der Gefahr von
Statin-Myopathien bzw. -Rhabdomyolysen. Diese Interaktion sollte
bekannt sein, denn Sacubitril/Valsartan und Statine werden häufig
gemeinsam verordnet.
Literatur
-
Previsdomini,
M., et al.: Br. J. Clin. Pharmacol.
2019 May 3. doi: 10.1111/bcp.13950.[Epub ahead of print].
-
Newman,
C.B., et al.: Arterioscler. Thromb.
Vasc. Biol. 2019, 39,
e38.
-
Fachinfo
Entresto®:
-
Faber,
E.S., et al.: Drug Saf. Case Rep. 2016, 3,
14.
-
Moussa,
B.A., et al.: Microchem. J. 2018, 143,
31.
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