Azetylsalizylsäure
(ASS) wird in vielen verschiedenen Indikationen eingesetzt,
beispielsweise zur Sekundärprävention nach Herzinfarkt oder
ischämischem Schlaganfall (vgl. 1). Bei Patienten, die
wegen Vorhofflimmerns (Vofli) oder einer venösen Thromboembolie
(VTE) antikoaguliert werden müssen, wird die gleichzeitige
Einnahme von ASS und einem Vitamin-K-Antagonisten (VKA) nur für
wenige Situationen empfohlen. Dazu gehört das Akute
Koronarsyndrom (ACS), insbesondere nach einer perkutanen
Koronarintervention. Bei Patienten mit stabiler koronarer
Herzerkrankung und einer Indikation für eine Antikoagulation ist
die zusätzliche Hemmung der Thrombozytenaggregation nicht
vorteilhaft (2, vgl. 3). Es ist unklar, wie häufig
antikoagulierte Patienten ohne Indikation für eine Hemmung der
Thrombozytenfunktion zusätzlich ASS erhalten und welche Folgen
das hat. Zu dieser Frage wurden nun die Ergebnisse einer
Register-basierten Kohortenstudie veröffentlicht (4). Finanziert
wurde die Untersuchung von einem Verband verschiedener
Krankenversicherungsunternehmen.
Für die Studie
wurden Daten von Patienten ausgewertet, die zwischen dem 1.1.2010 und
dem 31.12.2017 in 6 US-amerikanischen Gerinnungsambulanzen wegen
Vofli oder einer VTE neu auf Warfarin eingestellt worden waren. Nicht
eingeschlossen wurden Patienten, bei denen die Warfarin-Therapie
weniger als 3 Monate zuvor begonnen worden war oder mit weniger
als 6 Monate zurückliegendem Myokardinfarkt sowie auch
solche, bei denen ein mechanischer oder biologischer
Herzklappenersatz dokumentiert war. Erhoben wurden alle Blutungen,
schwere Blutungen, Besuche in Notfallambulanzen,
Krankenhausaufenthalte und thrombotische Ereignisse nach 1, 2 und
3 Jahren.
Von den insgesamt
6.539 Patienten waren ca. 50% Männer, und das mittlere
Alter lag bei 66 Jahren. Es erhielten 2.453 Patienten (37,5%)
eine Kombinationstherapie aus Warfarin und ASS, ohne dass eine
Indikation für ASS bestand. Beim Vergleich zweier gematchter
Kohorten mit jeweils 1.844 Patienten fanden sich unter der
Kombinationstherapie signifikant häufiger als bei Monotherapie
mit Warfarin Blutungen (kumulative Inzidenz aller Blutungen: 26,0%
vs. 20,3%; p < 0,001), schwere Blutungen (5,7% vs. 3,3%;
p < 0,001), Besuche in Notfallambulanzen wegen Blutungen
(13,3% vs. 9,8%; p = 0,001) und Krankenhausaufenthalte
wegen Blutungen (8,1% vs. 5,2%; p = 0,001).
Die Zahl
thromboembolischer Ereignisse war in beiden Gruppen ähnlich: die
kumulative Inzidenz betrug 2,3% bei kombinierter
Warfarin/ASS-Therapie und 2,7% bei Warfarin-Monotherapie. Die Art des
thromboembolischen Ereignisses – beispielsweise ischämischer
Schlaganfall, transiente ischämische Attacke oder VTE –
unterschied sich zwischen den Gruppen ebenfalls nicht.
Übereinstimmende Ergebnisse ergaben sich während der
3-jährigen Nachbeobachtungszeit sowie in verschiedenen
Sensitivitätsanalysen.
Fazit:
In einer retrospektiven Kohortenstudie erhielt mehr als ein Drittel
der Patienten, die wegen Vorhofflimmerns oder einer venösen
Thromboembolie mit Warfarin behandelt wurden, zusätzlich ASS,
ohne dass es dafür eine klare Indikation gab. Diese Patienten
hatten im Vergleich zu Patienten mit einer Warfarin-Monotherapie
deutlich häufiger klinisch signifikante Blutungen. Keine
Unterschiede fanden sich hinsichtlich thromboembolischer Ereignisse.
ASS sollte bei antikoagulierten Patienten abgesetzt werden, wenn
keine begründete Indikation für eine zusätzliche
Hemmung der Thrombozytenfunktion besteht.
Literatur
-
AMB 2012, 46,
36.

-
NVL Chronische KHK 2016.
-
AMB
2018, 52,
32
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AMB
2017, 51,
94 .
AMB
2017, 51,
17.

-
Schaefer, J.K., et al.:
JAMA Intern. Med. 2019, 179,
533.
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