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Rekordhoch bei den von der FDA in den USA neu zugelassenen Arzneimitteln im Jahr 2018

Wie jedes Jahr ist in „Nature Reviews Drug Discovery“ im Februar eine Übersicht erschienen zu den 2018 von der Lebensmittelüberwachungs- und Arzneimittelbehörde der USA (Food and Drug Administration = FDA) zugelassenen neuen Arzneimittel (1). Mit 59 neu zugelassenen Arzneimitteln wurde der bisherige Rekord aus dem Jahr 1996 (53 neu zugelassene Arzneimittel) deutlich übertroffen. Dabei bestätigen sich auch 2018 die bereits in den letzten Jahren zu beobachtenden Trends in der Arzneimittelentwicklung. Ein hoher Anteil der neuen Arzneimittel (n = 34, d.h. 58% aller neuen Arzneimittel) sind für die Behandlung seltener Leiden (Orphan Arzneimittel) vorgesehen, und 21 neue Arzneimittel wurden für die Behandlung onkologischer bzw. hämatologischer Krankheiten zugelassen. Auch der Trend zu beschleunigten Zulassungsverfahren für neue Arzneimittel (n = 42, d.h. 71% aller neuen Arzneimittel) hält unverändert an. Nur etwa ein Drittel der neuen Arzneimittel enthalten Wirkstoffe, die als erste einer neuen Wirkstoffklasse („first in class“) 2018 auf den US-amerikanischen Markt gekommen sind.

Als besonders interessant aus wissenschaftlicher Sicht gelten die drei von der FDA und inzwischen auch von der Europäischen Arzneimittel-Agentur (European Medicines Agency = EMA) zugelassenen monoklonalen Antikörper zur Prophylaxe der Migräne: Erenumab = Aimovig® (9), Fremanezumab = AJOVY® (10) und Galcanezumab = Emgality® (11). Sie richten sich gegen einen wichtigen Migräne-auslösenden Botenstoff (CGRP = Calcitonin Gene-Related-Peptide; vgl. 2). Außerdem ist interessant: der erste „small interfering“ RNA-Wirkstoff Patisiran (Alnylam®; 12), der durch RNA-Interferenz die Expression von Transthyretin (TTR) bei der seltenen hereditären TTR-vermittelten Amyloidose vermindert (3) und Larotrectinib, der erste nicht für einen speziellen Tumortyp zugelassene Inhibitor zur Behandlung von „Neurotrophic receptor tyrosine kinase 1-3“ (NTRK)-positiven soliden Tumoren. Bemerkenswert ist auch die Zulassung – bisher allerdings nur in den USA – von neuen Arzneimitteln zur Behandlung von Infektionskrankheiten, wie beispielweise Tafenoquin, das als Einzeldosis verabreicht Rückfälle durch Plasmodium vivax, dem Erreger der Malaria tertiana, verhindert und von Moxidectin für die Behandlung einer parasitären Krankheit (Onchozerkose), die vor allem in den tropischen Gebieten Afrikas und Amerikas vorkommt und bei etwa 10% der Erkrankten zur Erblindung („river blindness“) führt (4).

Wie jedes Jahr werden auch für die 2018 in den USA neu zugelassenen Arzneimittel Prognosen zu den potenziellen Blockbustern (weltweiter Umsatz ≥ 1 Mrd. US-$) im Jahr 2024 abgegeben. Bei diesen Prognosen liegt der Integrase-Inhibitor Bictegravir (Biktarvy®) zur Behandlung von HIV-Infektionen weit vorne mit für 2024 vorausgesagten Umsätzen in Höhe von 6,7 Mrd. US-$ (1). Bictegravir enthält in einer Tablette neben dem Integrase-Inhibitor auch den nukleosidischen Reverse-Transkriptase-Inhibitor (NRTI) Emtricitabin und den nukleotidischen Reverse-Transkriptase-Inhibitor (NtRTI) Tenofovir und wird nur einmal täglich verabreicht (13). Als weitere Blockbuster gelten u.a. die zur Prophylaxe der Migräne entwickelten monoklonalen Antikörper Erenumab und Galcanezumab, der Kallikrein-Antikörper Lanadelumab zur Behandlung des hereditären Angioödems (TAKHZYRO®; vgl. 5) sowie die zur Behandlung onkologischer Erkrankungen zugelassenen Antikörper Cemiplimab (gegen PD1 gerichteter monoklonaler Antikörper zur Behandlung des kutanen Plattenepithelkarzinoms) bzw. des Androgen-Rezeptor-Inhibitors Apalutamid (Erleada®) zur Behandlung des Prostatakarzinoms. Das kommerzielle Potenzial der 2018 von der FDA zugelassenen neuen Arzneimittel wird trotz der zuvor genannten Blockbuster als eher gering eingeschätzt, da in 2024 bei nur zwei der neu zugelassenen Wirkstoffe ein jährlicher Umsatz von ≥ 2 Mrd. US-$ erwartet wird und für weitere 11 Arzneimittel Umsätze von jeweils ≥ 1 Mrd. US-$ prognostiziert werden. Auch im Jahr 2019 werden in den USA voraussichtlich relativ viele neue Arzneimittel zugelassen. Ende November 2018 lagen der FDA bereits 43 Anträge für neue Arzneimittel zur Begutachtung im Rahmen der Zulassung vor (1). Darunter befindet sich auch das in den USA inzwischen zugelassene Gen-Therapeutikum zur Behandlung der spinalen muskulären Atrophie (Zolgensma), das bisher teuerste Arzneimittel mit 1,9 Mio. € (6).

Demgegenüber ist die Zahl der von der EMA 2018 zugelassenen neuen Arzneimittel (n = 39) bzw. den neu in Deutschland in den Markt gekommenen Arzneimittel (n = 36) eher überschaubar (7, 8). Auch in Europa dominieren unter den neuen Wirkstoffen Orphan-Arzneimittel (n = 14) und hinsichtlich der Indikationen neuer Arzneimittel onkologische Erkrankungen, Infektionskrankheiten, Stoffwechselerkrankungen und Störungen der Blutgerinnung. Aufgrund der Tatsache, dass pharmazeutische Unternehmer generell für ihre neuen Produkte zunächst eine Zulassung im sehr lukrativen US-amerikanischen Markt anstreben und die Mehrzahl dieser Arzneimittel mit einer zeitlichen Verzögerung von einigen Monaten dann auch in Europa zugelassen werden, ist davon auszugehen, dass im Jahr 2019 auch in Europa ein Rekordhoch der Zahl neu zugelassener Arzneimittel zu verzeichnen sein wird.

Literatur

  1. Mullard, A.: Nat. Rev. Drug Discov. 2019, 18, 85. Link zur Quelle
  2. AMB 2018, 52, 65. Link zur Quelle
  3. Zibert, A., und Schmidt, H.H.-J: Dtsch. Arztebl. 2018, 115, A-2232. Link zur Quelle
  4. Wikipedia: Link zur Quelle
  5. AMB 2019, 53, 45. Link zur Quelle
  6. https://www.faz.net/aktuell/ wissen/das-geschaeft-mit-den- waisenkindern-16215418.html Link zur Quelle
  7. European Medicines Agency: Annual Report 2018. Link zur Quelle
  8. https://www.pharma-fakten.de/news/ details/710-vfa-innovationsbilanz-36-neue-medikamente-in-2018/ Link zur Quelle
  9. https://www.fachinfo.de/pdf/022119 Link zur Quelle
  10. https://www.teva.de/… Link zur Quelle
  11. https://media.gelbe-liste.de/documents/ fachinformation-emgality.pdf Link zur Quelle
  12. https://www.alnylam.de/… Link zur Quelle
  13. https://www.hivandmore.de/medikamente/ fachinfo/Biktarvy-Fachinformation_Juni2018.pdf Link zur Quelle