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Nochmals: Eisengaben bei Herzinsuffizienz nur bei Nachweis eines absoluten Eisenmangels?

Die europäische kardiologische Gesellschaft (ESC) empfiehlt bei symptomatischen Patienten mit Herzinsuffizienz, reduzierter linksventrikulärer Auswurffraktion (HFrEF = Heart Failure with reduced Ejection Fraction) und Eisenmangel (EM) eine intravenöse Eisengabe in Betracht zu ziehen, vorzugsweise mit Fe-Carboxymaltose. Ziel dieser Behandlung ist es, die Symptome der Patienten zu lindern und deren Lebensqualität zu verbessern (Empfehlungsgrad 2A, Evidenzlevel A; = Beweislage spricht für einen Nutzen). Dabei wird der EM über die Ferritinspiegel definiert: Serum-Ferritin < 100 μg/l oder zwischen 100-299 μg/l und Transferrin-Sättigung (TSAT = Transferrin Saturation) < 20% (1).

Diese Empfehlung basiert im Wesentlichen auf zwei multizentrischen europäischen RCT, deren positive Ergebnisse sich allerdings ausnahmslos auf „weiche“ Endpunkte beziehen: Verbesserungen von Körperfunktionen in der Selbstbewertung, NYHA-Klasse, und Verbesserungen im Sechs-Minuten-Gehtest (2, 3). Zudem gibt es viele Kritikpunkte an der Durchführung der Studien und Zweifel an der Unabhängigkeit der Autoren (vgl. 10). „Härtere Endpunkte“ wie kardiale Dekompensation, Krankenhausbehandlungen oder Letalität blieben von der Eisengabe unbeeinflusst. Dies ist auch der Grund, warum diese Therapie in den US-Leitlinien nur eine IIb-Empfehlung erhielt (= Nutzen unklar; 4) und auch in der druckfrischen Konsultationsfassung der deutschen Nationalen Versorgungsleitlinie Chronische Herzinsuffizienz nur sehr zurückhaltend empfohlen wird: „Vor dem Hintergrund der fehlenden Belege für die Effektivität bezüglich harter Endpunkte und dem hohen Aufwand (…) besteht eine Indikation für die i.v. Eisensupplementierung nur im Einzelfall.“ (5).

Welcher Patient könnte nun solch ein „Einzelfall“ sein? Ein EM kann absolut (absEM) oder relativ (funktionell = fktEM) bestehen (vgl. 11). Bei einem absEM ist zu wenig Eisen im Körper (beispielsweise infolge eines hämorrhagischen Eisenverlusts); beim fktEM ist dagegen ausreichend Eisen im Körper vorhanden, doch wird es dem Stoffwechsel nicht zur Verfügung gestellt. Solch ein fktEM entwickelt sich bei vielen entzündlichen und chronischen Erkrankungen. Man glaubt, dass der Körper den pathologischen Prozess dadurch zu hemmen versucht, indem er ihm Eisen entzieht. Gesteuert wird dieser Prozess u.a. über das Eiweiß Hepcidin. Unter dessen Einfluss wird Eisen intrazellulär blockiert und enteral weniger resorbiert. Das ist wohl auch einer der Gründe, warum die orale Eisengabe bei Herzinsuffizienz nicht den gewünschten Effekt hat (6, vgl. 10, 12).

Bei 30-50% der Patienten mit HFrEF wird ein EM gefunden, meist ohne Anämie (5). Von diesen dürften wiederum je die Hälfte einen absEM und einen fktEM haben. Zu dieser Einschätzung kamen Grote Beverbork et al., die bei 42 herzinsuffizienten Patienten, die koronare Bypässe erhielten, intraoperativ eine Knochenmarkpunktion durchführten (7). Die Knochenmarkausstriche wurden mit der Berliner-Blau-Färbung hinsichtlich ihres Eisengehaltes beurteilt. Um eine einfachere Diagnostik des EM zu ermöglichen, wurden bei den Patienten nun verschiedene Serum-Parameter des Eisenstoffwechsels anhand der Intensität der Anfärbung von Knochenmarkbröckeln – einer lange Zeit, heute jedoch nur noch selten verwendeten Methode zur Beurteilung der Eisenspeicher (8) – validiert. Demnach ist ein EM bei Herzinsuffizienten am einfachsten anhand der TSAT zu erkennen (cut-off < 20%; R2 = 0,49; p < 0,001) und ein absEM vom fktEM am besten an Hand des Ferritinspiegels zu unterscheiden (cut-off ≤ 128 µ/l, R2 = 0,43; p < 0,001). Für diese HFrEF-spezifische Definition wurden für den absEM eine Sensitivität von 100% und eine Spezifität von 94% berechnet und für den fktEM eine Sensitivität von 75% und eine Spezifität von 91%.

Zur Ermittlung der Häufigkeit und klinischen Bedeutung von EM bei HFrEF haben die Autoren diese Definition retrospektiv an einer zweiten, wesentlich größeren Kohorte angewendet. Diese Kohorte stammte aus der multizentrischen BIOSTAT-CHF-Studie und umfasste 2.357 Patienten mit zunehmender HFrEF. Es wurde eine Biomarker- mit einer Leitlinien-gesteuerten Herzinsuffizienztherapie verglichen (9).

Bei 61,6% dieser Patienten wurde an Hand der Definition ein EM (TSAT < 20%) diagnostiziert; 20,9% erfüllten die Definition eines absEM (Ferritin ≤ 128 µg/l) und 40,7% die eines fktEM. Passend zu den pathophysiologischen Überlegungen wurden bei Patienten mit fktEM häufiger erhöhte Entzündungszeichen (CRP, IL-6) und Hepcidin-Spiegel gemessen. Nach einer Sensitivitätsanalyse war der absEM häufiger mit einer Rechtsherzbelastung, einer Anämie und schlechter Lebensqualität assoziiert. Die multivariate Analyse ergab, dass nur der absEM, nicht jedoch der fktEM mit einem höheren Letalitätsrisiko assoziiert war (s. Tab. 1).

Somit könnte ein herzinsuffizienter Patient möglicherweise dann ein Kandidat für eine intravenöse Eisenbehandlung sein, wenn er sich zunehmend erschöpft und müde fühlt, die Herzfunktion diese Symptome nicht erklärt und auch keine andere Ursachen erkennbar sind und ein absoluter Eisenmangel (auch ohne Anämie) vorliegt. Dies sollten auch die Einschlusskriterien für ein bestätigendes RCT sein.

Fazit: Patienten mit Herzinsuffizienz und Eisenmangel sollten nur im begründeten Ausnahmefall intravenös Eisen erhalten. Die Mehrzahl dieser Patienten hat nur einen funktionellen Eisenmangel, bei dem der Nutzen einer Eisenzufuhr pathophysiologisch fragwürdig ist. Allenfalls könnten symptomatische Patienten mit absolutem Eisenmangel einen Nutzen von dieser relativ teuren Behandlung haben. Dazu sollte jedoch ein RCT mit harten klinischen Endpunkten durchgeführt werden.

Literatur

  1. Ponikowski, P., et al.: Eur. Heart J. 2016, 37, 2129. Link zur Quelle
  2. Anker, S.D., et al. (FAIR-HF = Ferinject Assessmentin patients with IRon deficiency and chronic Heart Failure): N. Engl. J. Med. 2009, 361, 2436.Link zur Quelle . Vgl. AMB 2017, 51, 57. Link zur Quelle
  3. Ponikowski, P., et al. (CONFIRM-HF =Ferric CarboxymaltOse evaluation on perFormance in patients with IRon deficiencyin coMbination with chronic Heart Failure): Eur. Heart J. 2015, 36, 657. Link zur Quelle
  4. Yancy, C.W., et al.: J. Am. Coll. Cardiol. 2017, 70, 776. Link zur Quelle
  5. https://www.leitlinien.de/mdb/downloads/nvl/ herzinsuffizienz/ herzinsuffizienz-3aufl-konsultation.pdf Link zur Quelle
  6. Lewis, G.D., et al. (IRONOUT HF = Oral Iron Repletion effects ON Oxygen UpTake in Heart Failure): JAMA 2017, 317, 1958. Link zur Quelle
  7. Grote Beverborg, N., et al. (DEFINE-HF = Definition of iron deficiency in chronic Heart Failure und BIOSTAT-CHF = A Systems BIOlogy Study to TAilored Treatment in Chronic Heart Failure): JAMA Cardiol. 2019 Jun 12 (online first). Link zur Quelle
  8. https://www.onkopedia.com/de/ onkopedia/guidelines/eisenmangel- und-eisenmangelanaemie/ @@guideline/html/index.html Link zur Quelle
  9. Ouwerkerk, W., et al. (BIOSTAT-CHF = A Systems BIOlogy Study to TAilored Treatment in Chronic Heart Failure): J. Am. Coll. Cardiol. 2018, 71, 386. Link zur Quelle
  10. AMB 2017, 51, 57. Link zur Quelle
  11. AMB 2016, 50, 49. Link zur Quelle
  12. Camaschella, C.: N. Engl. J. Med. 2015, 372, 1832. Link zur Quelle

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