Über die
vielfältigen Effekte der Inhibitoren
des renalen Natrium (Sodium)-Glukose-Cotransporters-2
(SGLT2-Inhibitoren) haben
wir mehrfach berichtet (1). Sie senken nicht nur den Blutzucker,
sondern verhindern über
noch unklare Mechanismen kardiovaskuläre und renale
Komplikationen bei Typ-2-Diabetikern. In mehreren randomisierten
kontrollierten Studien (RCT; z.B. EMPA-REG, CANVAS, DECLARE-TIMI 58)
kam es zu weniger Krankenhausaufenthalten wegen Herzinsuffizienz und
zu weniger kardiovaskulären Todesfällen (2-4). Von diesen
positiven Effekten könnten auch Nicht-Diabetiker profitieren. Um
dies näher zu untersuchen, wurde die DAPA-HF-Studie
durchgeführt, ein
vom Hersteller initiiertes und finanziertes multizentrisches RCT (5).
Methodik:
Eingeschlossen
wurden Patienten mit Typ-2-Diabetes mellitus (DM2) und
Nicht-Diabetiker mit symptomatischer Herzinsuffizienz (NYHA-Klasse
II-IV), reduzierter linksventrikulärer Ejektionsfraktion (LVEF:
≤ 40%) und erhöhtem N-terminalem
pro brain natriuretischem Peptid (NT-proBNP)
≥ 600 pg/ml oder ≥ 400 pg/ml, falls in den
12 Monaten zuvor eine Krankenhausbehandlung wegen
Herzinsuffizienz erforderlich gewesen war, oder ≥ 900 pg/ml
bei Vorhofflimmern oder -flattern. Alle Patienten mussten
leitliniengemäß wegen Herzinsuffizienz behandelt sein.
Zu den Ausschlusskriterien zählten u.a.
symptomatische Hypotension, ein systolischer RR < 95 mm Hg
und eine glomeruläre Filtrationsrate (GFR) < 30 ml/min.
Die Patienten absolvierten eine 14-tägige Screening-Phase, in
der die Ein- und Ausschlusskriterien überprüft und die
Herzinsuffizienz-Medikation optimiert wurde. Dann erhielten sie
doppelblind entweder Dapagliflozin (10 mg/d als Einzeldosis)
oder Plazebo. Die Kontrollvisiten erfolgten nach 14 und 60 Tagen,
danach alle 4 Monate bis zum Studienende.
Der primäre Studienendpunkt war zusammengesetzt aus
Verschlechterung der Herzinsuffizienz (definiert als ungeplanter
Krankenhausaufenthalt oder Notfallkonsultation wegen Herzinsuffizienz
mit Notwendigkeit einer intravenösen Behandlung) und
kardiovaskulärem Tod. Darüber hinaus gab es eine Vielzahl
von sekundären Endpunkten, darunter auch ein
Herzinsuffizienz-Symptom Score (KCCQ: Kansas City Cardiomyopathy
Questionnaire) und unerwünschte Wirkungen, einschließlich
Ketoazidose, Fournier-Gangrän oder Amputation (6).
Patienten:
Zwischen
Februar 2017 und August 2018 wurden an 410 Zentren in 20 Ländern
weltweit 8.134 Patienten gescreent und 4.744 randomisiert (58%).
Insgesamt erhielten doppelblind 2.373 Dapagliflozin und 2.371
Plazebo. Die Patientencharakteristika waren in den beiden
Behandlungsarmen gleich verteilt: 42% hatten zum Zeitpunkt des
Screenings einen bekannten DM2, und bei 3% wurde die Diagnose in der
Screening Phase
erstmals gestellt. Insgesamt hatten 55% der Studienteilnehmer keinen
DM2. Das mittlere Alter betrug 66 Jahre, 23% waren Frauen, 45%
kamen aus Europa. Die meisten Patienten waren bei Randomisierung in
NYHA-Klasse II (67%), 32% in Klasse III und 0,9% in
Klasse IV. Die LVEF betrug im Mittel 31% und der mediane Wert
des NT-proBNP 1.430 pg/ml. Es nahmen 56% einen ACE-Hemmer, 27%
einen Angiotensin-Rezeptor-Blocker, 10% Sacubitril/Valsartan, 96%
einen Betablocker, 70% einen Mineralokortikoid-Rezeptor-Antagonisten
und 93%
andere Diuretika. Einen ICD trugen 26% und ein kardiales
Resynchronisationssystem 7%. Die mediane Nachbeobachtungszeit betrug
18,2 Monate (Spanne: 0-27,8 Monate).
Ergebnisse:
Die
Analysen erfolgten nach „Intention to Treat“.
Die
Studienmedikation wurde von etwa jedem zehnten Patienten im
Studienverlauf abgesetzt (10,5% im Dapagliflozin-Arm und 10,9% im
Plazebo-Arm), davon in 4,7% bzw. 4,9% wegen unerwünschter
Wirkungen.
Der primäre Endpunkt wurde von 16,3% der Patienten
in der Dapagliflozin-Gruppe und von 21,2% in der Plazebogruppe
erreicht (Hazard Ratio = HR: 0,74; 95%-Konfidenzintervall = CI:
0,65-0,85; p < 0,001). Die absolute Risikoreduktion
(ARR) betrug 4% pro 100 Patientenjahre, die „Number needed
to treat“ (NNT) 25. Auch die Gesamtletalität war in der
Dapagliflozin-Gruppe signifikant geringer (7,9% vs. 9,5%; HR: 0,83;
CI: 0,71-0,97; ARR: 1,6%; NNT: 62). Die Zahl der
Krankenhausaufenthalte wegen Herzinsuffizienz war in der
Dapagliflozin-Gruppe absolut um 175 Episoden geringer und der
KCCQ-Symptom-Score nach 8 Monaten leicht, aber signifikant
besser (+6,1 vs. +3,3 Punkte auf einer Skala von 0-100).
Die positiven Wirkungen von Dapagliflozin waren in 13
von 14 vordefinierten Subgruppen nachweisbar und bei den
Nicht-Diabetikern im gleichen Ausmaß wie bei den Diabetikern
(HR: 0,73 bzw. 0,75). Nur die Patienten in den NYHA-Klassen III
und IV hatten keinen signifikanten Nutzen von Dapagliflozin (HR: 0,9
vs. 0,63 gegenüber NYHA II).
Bei keinem der
untersuchten Sicherheitsendpunkte waren signifikante Nachteile für
Dapagliflozin erkennbar. Hypoglykämien und symptomatische
Hypotensionen waren sehr selten (< 0,2%). Eine diabetische
Ketoazidose wurde bei 3 Patienten in der Dapagliflozin-Gruppe
diagnostiziert (0,1% vs. 0 mit Plazebo, wobei
aber laut Protokoll bei den vorgeschriebenen Laborkontrollen
relevante Parameter fehlten).
Eine Fournier-Gangrän entwickelte sich nur bei einem Patienten
in der Plazebogruppe. Das Gewicht sank in der Dapagliflozin-Gruppe im
Mittel um 0,8 kg und stagnierte in der Plazebogruppe (+0,1 kg).
Der systolische Blutdruck sank im Mittel um 1,9 mm Hg und
mit Plazebo um 0,38 mm Hg.
Diskussion:
In der
DAPA-HF-Studie sind größere Verzerrungen (Bias) nicht
erkennbar. Der Nutzen von Dapagliflozin auf patientenrelevante
Endpunkte ist eindeutig. Für einen besonderen Wirkmechanismus
der SGLT2-Hemmer sprechen folgende Ergebnisse dieser Studie: Die
medikamentösen Effekte betreffen nur die
Herzinsuffizienz-Morbidität, nicht aber andere kardiale
Ereignisse wie z.B. atherothrombotische Komplikationen; sie waren
zusätzlich zu einer leitliniengerechten Herzinsuffizienztherapie
und außerdem bei Patienten ohne Diabetes im gleichen Ausmaß
nachweisbar wie bei Diabetikern. Die Autoren diskutieren Effekte auf
den myokardialen Metabolismus und Ionentransport und antifibrotische
Wirkungen.
Im begleitenden Editorial fragt J.C. Fang aus Salt Lake
City, warum nur Patienten mit milden Symptomen (NYHA-Stadium II)
von Dapagliflozin profitieren, wie lange die beobachteten positiven
Wirkungen wohl anhalten und wie es um die Langzeitsicherheit bestellt
ist, speziell bei Nicht-Diabetikern (7). Auch der Aspekt der
Multimedikation sei zu bedenken: Sollte Herzinsuffizienz künftig
mit 4-5 Wirkstoffen behandelt werden?
Fazit:
Der
SGLT2-Inhibitor Dapagliflozin senkte in der DAPA-HF-Studie bei
Patienten mit Herzinsuffizienz und reduzierter Ejektionsfraktion –
sowohl bei Typ-2-Diabetikern als auch bei Patienten ohne Diabetes –
zusätzlich zu einer leitliniengerechten kardialen Basistherapie
in gleichem Ausmaß die Letalität und verbesserte die
Morbidität. Die „Number needed to treat“ zur
Verhinderung des primären kombinierten Endpunkts
(Verschlechterung der Herzinsuffizienz oder kardiovaskulärer
Tod) lag bei 25 über ein Jahr. Allerdings profitierten nur
Patienten im frühen Stadium der Herzinsuffizienz (NYHA II).
Der Mechanismus dieses Wirkprinzips von Dapagliflozin ist noch völlig
unklar. Nach derzeitiger Studienlage ist es nicht gerechtfertigt,
herzinsuffiziente Patienten ohne Diabetes im Rahmen eines
„Off-label-use“ mit einem SGLT2-Hemmer zu behandeln.
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