Im Verhaltenskodex des
Verbandes der pharmazeutischen Industrie Österreichs (PHARMIG)
wird unter dem Motto „Transparenz schafft Vertrauen“ seit
5 Jahren die Offenlegung aller Geldflüsse zwischen den
pharmazeutischen Unternehmern (pU) und Ärztinnen und Ärzten,
medizinischen Institutionen und an Patienteninitiativen (PI) zugesagt
(1). Die
Offenlegung der geldwerten Zuwendungen soll jährlich zu einem
Stichtag (30.6.), rückwirkend für das vorausgegangene
Kalenderjahr, auf einer öffentlich zugänglichen Homepage
der pU erfolgen; so steht es im Artikel
10.6 des Verhaltenskodexes der PHARMIG (geänderte Version vom
1.7.2015; 2).
Das
Ludwig-Boltzmann-Institut für Health Technology Assessment
(LBI-HTA) in Wien hat nun wie schon 2014 und 2015 eine Analyse dieser
Offenlegungen durchgeführt. Die zwei Berichte befassen sich mit
den Zahlungen an Angehörige der Fachkreise und Institutionen (3)
und an PI (4). Als Angehörige der Fachkreise werden alle „zur
Anwendung, Abgabe und Verschreibung von Arzneimitteln berechtigten
Personen“ gezählt, also in erster Linie Ärzte und
Apotheker. Zu den Institutionen zählen alle Einrichtungen,
Organisationen oder Institutionen, die sich überwiegend aus
Angehörigen der Fachkreise zusammensetzen, also Krankenhäuser,
Fachgesellschaften und Forschungseinrichtungen.
Zur Auswertung wurden die
Webseiten aller PHARMIG-Mitgliedsunternehmen (n = 113) im
August 2019 auf alle Informationen zu geldwerten Leistungen im
Vorjahr durchsucht und die Daten schematisch ausgewertet. Wenn auf
einer Homepage keine Informationen gefunden wurden, wurde das
Unternehmen per E-Mail um eine schriftliche Auskunft gebeten.
Teil 1.
Angehörige der Fachkreise und Institutionen:
Insgesamt 76
von 113 (67%) Mitgliedsunternehmen der PHARMIG kamen der
Selbstverpflichtung zum Stichtag nach und haben die geldwerten
Leistungen aus dem Jahr 2018 auf ihren Webseiten bis August 2019
veröffentlicht. Erst auf Nachfrage des LBI-HTA meldeten weitere
33 pU, dass keine Zuwendungen erfolgt sind. Bei 4 pU wurde
auch auf die Nachfrage nicht reagiert.
Demnach sind 2018
insgesamt 138 Mio. € (abgerundet) von
PHARMIG-Mitgliedsunternehmen an österreichische Angehörige
der Fachkreise und Institutionen geflossen. Dies entspricht gegenüber
2015 (104 Mio. €) einem Zuwachs um 32,8%.
Die Verteilung der Gelder
wurde wie folgt angegeben:
für
Forschungsprojekte, einschließlich Anwendungsbeobachtungen:
81,5 Mio. €,
für
Veranstaltungen: 34,8 Mio. €,
für
Dienstleistungen und Beratung: 15,1 Mio. €,
für
Spenden und Förderungen: 6,7 Mio. €.
Direkt an Ärztinnen
und Ärzte flossen 21 Mio. € (Abnahme um 7% im
Vergleich zu 2015). Davon entfielen 7 Mio. € (33%) auf
Unterstützung für den Besuch von Veranstaltungen und
14 Mio. € auf Honorare für Dienstleistungen und
Beratung. Der durchschnittliche Honorarwert pro Ärztin bzw. Arzt
schwankte bei den pU zwischen 587 € und 6.104 €,
mit „hohen Einzelhonoraren für Meinungsbildner“. Die
Bereitschaft der österreichischen Ärztinnen und Ärzte
zur Offenlegung dieser individuellen Geldflüsse bleibt gering:
Vier von fünf verweigerten eine namentliche Nennung. Eine
Bereitschaft zu mehr Offenheit (2018: 21,1%; 2015: 21,9%)
hinsichtlich der Annahme geldwerter Leistungen ist somit nicht
erkennbar.
Teil 2.
Patienteninitiativen:
Insgesamt 49
von 113 (43%) Mitgliedsunternehmen der PHARMIG machten Angaben zu
Zahlungen an PI. Das entspricht im Vergleich zu 2014 (21%) einer
Verdopplung. Trotzdem fehlen nach wie vor bei der Mehrzahl der pU
entsprechende Angaben.
Demnach
wurden 2018 insgesamt 1,6 Mio. € (abgerundet) von
PHARMIG-Mitgliedsunternehmen an 139 PI gezahlt. Als
Verwendungszweck wurden genannt: projektgebundene Unterstützung
(z.B. von Ausbildungsseminaren), Unterstützung der Basisarbeit
(z.B. Förderung der Patientenaufklärung,
Öffentlichkeitsarbeit), Informationsveranstaltungen für
Betroffene und Angehörige und Unterstützung durch
Logoplatzierungen (z.B. Druckkostenzuschüsse,
Informationsstände, Webseiten und Awareness-Kampagnen).
Größter
Empfänger war mit > 160.000 € die
Österreichische Hämophilie Gesellschaft. Die meiste
Unterstützung (85% aller Zuwendungen) erhielten PI aus den
umsatzstarken Bereichen wie Hämatologie/Onkologie, Neurologie,
Hämophilie, seltene Erkrankungen, Lungen-, Haut- und
Darmerkrankungen sowie Rheumatologie und HIV/AIDS.
Anders als bei der ersten
Erhebung 2014 wurden diese Angaben diesmal nicht mit den Angaben der
PI auf deren Webseiten abgeglichen. Damals zeigte sich, dass 63% der
PI diese Zuwendungen von pU nicht öffentlich machten, was das
LBI-HTA als ein „mangelndes Problembewusstsein im Hinblick auf
die Fragen der Unabhängigkeit und Transparenz“ seitens der
PI bewertete (6).
Diskussion:
Eine gesetzliche Regelung zur vollständigen Offenlegung von
Geldflüssen wie in den USA (Sunshine Act; vgl. 7) haben die
pU durch eine freiwillige Selbstverpflichtung bisher abwenden können.
Die Geldflüsse der Medizingeräte- und
Medizinprodukteindustrie sind nach wie vor intransparent, obwohl hier
wahrscheinlich nicht weniger Geld fließt. Die aktuellen
Analysen des LBI-HTA zeigen, dass in Österreich von Seiten der
pU in den letzten 4 Jahren gewisse Verbesserungen festzustellen
sind, dass Vieles aber im Vagen bleibt und letztlich auch nicht
nachprüfbar ist.
Im Deutschland werden
durch den Verein „Freiwillige Selbstkontrolle für die
Arzneimittelindustrie e. V.“ (FSA) seit 2015 Zahlungen der
FSA-Mitgliedsunternehmen an Angehörige der Fachkreise und
medizinische Einrichtungen veröffentlicht (10). Im Rahmen der
freiwilligen Initiative des FSA legen jedoch nur die 56
pharmazeutischen Mitgliedsunternehmen des Verbandes forschender
Arzneimittelhersteller e. V. (VfA), deren Arzneimittel nach
eigenen Angaben 75% des Gesamtmarkts abdecken, ihre Zahlungen offen.
Die Mitgliedsunternehmen des VfA haben 2018 insgesamt ca. 639 Mio. €
an Ärztinnen und Ärzte, Fachkreisangehörige wie
Hebammen und Apothekerinnen und Apotheker und an medizinische
Institutionen gezahlt. Davon wurden ca. 413 Mio. € als
Honorar für die Durchführung klinischer Studien und
Anwendungsbeobachtungen ausgegeben, ca. 120 Mio. € für
die Unterstützung von Veranstaltungen, Kongressen und
medizinischen Institutionen sowie 106 Mio. € an
Personen als Honorar für Fortbildungen und Vorträge. Eine
Zustimmung zur Veröffentlichung ihrer individuellen Daten –
d.h. Annahme von Zahlungen der pU – erteilten im Jahr 2018
allerdings nur 21% der Ärztinnen und Ärzte. Damit
lag die Quote zwar leicht über dem Vorjahresniveau von 20%, aber
unter den Raten von 2016 und 2015 (25% bzw. 31%). Wie in Österreich
werden die Offenlegungen lediglich auf den Webseiten der jeweiligen
Mitgliedsunternehmen zur Verfügung gestellt.
Es wäre wichtig zu
wissen, wer unter den medizinischen Meinungsbildnern mit welchen
Firmen und in welchem Ausmaß verbunden ist. Davon hängt in
hohem Maße deren Urteilsvermögen und Glaubwürdigkeit
ab. Das Gleiche gilt für PI, deren Einfluss auf die Verordnung
von Arzneimitteln bzw. Einsatz von Medizinprodukten nicht
unterschätzt werden sollte. Viele dieser PI werden
wahrscheinlich von den pU ins Leben gerufen, um ihre Produkte ins
Gespräch zu bringen. Auch die Art und Weise der
Forschungsförderung ist aus den Offenlegungen der pU nicht
nachvollziehbar. In vielen Fällen dürfte es sich um
Anwendungsbeobachtungen handeln, die allein dem Zweck der
Markteroberung dienen (sog. „seeding trials“; vgl. 8).
Das LBI-HTA unterbreitet
mehrere Verbesserungsvorschläge. Es sollte ein zentrales Portal
für die Offenlegungen geben, da die gegenwärtig
praktizierte dezentrale Veröffentlichung sehr unübersichtlich
ist und die Daten nur schwer zu identifizieren sind. Die Daten
sollten in einem einheitlichen, maschinenlesbaren Dateiformat
erstellt werden, um eine Auswertung durch Zweite zu vereinfachen. Der
vorgegebene Stichtag zur Veröffentlichung sollte von allen pU
eingehalten und auch Nicht-Zahlungen sollten deklariert werden, um
Nachfragen zu vermeiden. Die finanziellen Aufwendungen für
„Forschung und Entwicklung“ sollten zukünftig
detailliert beschrieben werden, um echte Forschung von Marketing zu
unterscheiden. Die Offenlegung an Ärztinnen und Ärzte
sollte ausschließlich individuell und nicht anonym und in
aggregierter Form erfolgen. Die pU sollten dem Beispiel von
GlaxoSmithKline folgen, die nur noch mit Ärztinnen und Ärzten
und Institutionen Verträge abschließt, die einer
namentlichen Offenlegung von Zahlungen zustimmen (9).
Wünschenswert wäre
auch, dass die Ärzteschaft selbst Verantwortung übernimmt
nimmt und aktiv wird, beispielsweise indem eine verpflichtende
Transparenz von Interessenkonflikten in der Berufsordnung festgelegt
wird. Ein entsprechender Antrag wurde auf dem 122. Deutschen Ärztetag
gestellt, allerdings bisher leider nur zur weiteren Beratung an den
Vorstand der Bundesärztekammer überwiesen (11).
Fazit:
Entgegen allen öffentlichen Beteuerungen sind die Geldflüsse
zwischen der pharmazeutischen Industrie und den Ärztinnen und
Ärzten, den medizinischen Institutionen, der klinischen
Forschung und den Patienteninitiativen weiterhin schwer zu
durchschauen. Das zeigen aktuelle Analysen aus Österreich, wo
trotz einer freiwilligen Selbstverpflichtung viele der
pharmazeutischen Unternehmer keine Angaben über Art und Umfang
des Sponsorings machen. Noch schlechter ist die Transparenz aber bei
den Ärztinnen und Ärzten: Vier von fünf untersagen
ihre namentliche Nennung bei Annahme geldwerter Zuwendungen.
Literatur
-
https://www.pharmig.at/pharmaindustrie/transparenz/

-
Artikel 10.6.
Verhaltenskodex der PHARMIG, geänderte Version vom 1.7.2015.
-
http://eprints.hta.lbg.ac.at/1218/1/
Rapid_Assessment_007d_1._Update_2019.pdf

-
http://eprints.hta.lbg.ac.at/1217/1/
Rapid_Assessment_007b_3._Update_2019.pdf

-
http://eprints.hta.lbg.ac.at/1107/1/Rapid_Assessment_007d.pdf

-
http://eprints.hta.lbg.ac.at/1072/1/Rapid_Assessment_007b.pdf

-
AMB 2014, 48,
88DB01.

-
AMB 2009, 43,
30.

-
https://www.ots.at/presseaussendung/
OTS_20190627_OTS0218/ volle-transparenz-fuer-patienten
-gsk-legt-als-einziges- unternehmen-99-der-zahlungen-an
-aerzte-und-institutionen-individuell-offen

- https://www.vfa.de/de/presse/
pressemitteilungen/pg-002-2019
-transparenzkodex-sorgt-fuer-klarheit.html

- https://www.bundesaerztekammer.de/
fileadmin/user_upload/downloads/ pdf-Ordner/122.DAET/
122DAETBeschlussprotokoll.pdf L
LL_AA-https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/pdf-Ordner/122.DAET/122DAETBeschlussprotokoll.pdf" target="_blank">
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S. 41.
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