Artikel herunterladen

Eigenblut-Injektionen sind bei Rupturen der Achillessehne nicht wirksamer als Plazeboinjektionen

Achillessehnenrupturen zählen zu den häufigsten Tendopathien, mit steigender Inzidenz. Der Sehnenriss kann partiell oder vollständig sein und wird überwiegend durch ein indirektes Trauma beim Sport verursacht. Oft besteht eine Vorschädigung der Achillessehne. Diese kann durch Überbeanspruchung verursacht sein, oder es liegen degenerative Veränderungen vor, altersbedingt oder durch andere Faktoren wie beispielsweise eine Behandlung mit einem Glukokortikosteroid. Über den Zusammenhang von Tendopathien mit der Einnahme von Fluorchinolonen haben wir berichtet (1). Prinzipiell bestehen nach der deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie bei einer Achillessehnenruptur zwei Behandlungsoptionen (2):

  1. Konservativ, wenn sich die Sehnenenden in Spitzfußstellung zusammenbringen lassen (im Ultraschall nachweisbar). Dann wird ein Unterschenkelgips in Spitzfußstellung für 2 Wochen angelegt und anschließend eine Schuhorthese für 6 Wochen getragen mit stetiger Reduktion der Steilstellung.

  2. Operativ, mittels Sehnennaht bei großer Distanz der freien Sehnenenden, die ein selbstständiges Heilen der Sehne nicht ermöglicht. Auch nach der OP tragen die Patienten für 4-6 Wochen einen Unterschenkelgips.

Viele Orthopäden und Unfallchirurgen bieten bei Gelenk- und Sehnenproblemen heute sog. „Eigenblut-Injektionen“ an. Dabei wird den Patienten venöses Blut entnommen, vor Ort zentrifugiert und als sog. „autologes plättchenreiches Plasma“ (A-PRP) in das geschädigte Gewebe injiziert. Man verspricht sich hiervon, dass die darin enthaltenen Entzündungszellen, Wachstumsfaktoren und bioaktiven Proteine den Heilungsprozess beschleunigen (3). Die Kosten für diesen Eingriff müssen die Patienten selbst tragen, sie belaufen sich meist auf 100-200 €.

Eine Gruppe britischer Wissenschaftler unter der Leitung der Universität Oxford hat zu diesem Verfahren bei der Indikation Achillessehnenruptur nun im BMJ eine randomisierte, plazebokontrollierte Studie publiziert (4). Die Studie wurde mit öffentlichen Geldern finanziert und an 19 Kliniken in Großbritannien durchgeführt. Eingeschlossen werden konnten Patienten mit einer maximal 12 Tage alten, akuten medialen Achillessehnenruptur, die primär konservativ behandelt werden sollte. Die Randomisierung erfolgte zentral über ein Computerprogramm, stratifiziert nach Zentrum und Altersgruppe.

Alle Patienten wurden einmal behandelt. Es wurde ihnen 55 ml venöses Blut entnommen. Ein Teil wurde asserviert bzw. laborchemisch analysiert und 50 ml sofort mittels einer speziellen Zentrifuge für eine Injektion aufbereitet. Die Patienten mussten sich auf den Bauch legen. Alle erhielten eine Lokalanästhesie. Den Patienten in der Interventionsgruppe wurden 4 ml des A-PRP in den Achillessehnenspalt injiziert; die Patienten in der Kontrollgruppe erhielten eine Punktion mit leerer Spritze. Die weiteren Behandlungsmodalitäten waren wieder gleich und folgten dem lokalen Standard. Das Sprunggelenk wurde nach der Behandlung für mindestens 3 Wochen in Spitzfußstellung fixiert, wobei die Immobilisation nicht länger als 6 Wochen dauern durfte. Die Nachuntersucher waren nicht identisch mit den behandelnden Ärzten und nicht über die Art der Behandlung informiert.

Primärer Studienendpunkt war die Gelenkfunktion nach 6 Monaten, ermittelt durch ein Computerprogramm. Der sog. „work limb symmetry index“ wurde an Hand eines standardisierten Funktionstests (Fersenstand-Ermüdungstest) und mit Hilfe von Sensoren an der Ferse ermittelt. Zudem erfolgten klinische Untersuchungen und Fragebögen zu Funktionseinschränkungen und Schmerzintensität.

Ergebnisse: Insgesamt wurden 1.166 Patienten gescreent und 230 randomisiert. Die meisten erfüllten nicht die Einschlusskriterien oder stimmten einer Studie mit Scheinintervention nicht zu. Das mittlere Alter betrug 46 Jahre, und 25% waren Frauen. Die mittlere Zeit seit der Ruptur betrug 5,25 Tage. Es erhielten 114 eine A-PRP-Injektion und 116 eine Scheininjektion. In jeder Gruppe wurden 12 Patienten während der Nachbeobachtungszeit verloren. In keinem der untersuchten Endpunkte („work limb symmetry index, achilles tendon rupture score, patient specific functional score, pain visual analogue score“) fanden sich signifikante Unterschiede zwischen den beiden Gruppen. Hinsichtlich unerwünschter Effekte gab es ebenfalls keine Unterschiede. Zu einer Rezidivruptur kam es in der Interventionsgruppe bei 5% und in der Kontrollgruppe bei 3% der Patienten; bis auf einen wurden alle diese Patienten dann operiert. Bei 5% bzw. 4% entwickelte sich eine tiefe Beinvenenthrombose, und ein Patient erlitt 2,5 Stunden nach der A-PRP-Injektion einen Myokardinfarkt; ein Zusammenhang wurde als möglich bewertet.

Fazit: In der bislang größten Studie zur Injektion von autologem plättchenreichem Plasma („Eigenblutinjektion“) zur Unterstützung der konservativen Behandlung kompletter medialer Achillessehnenrupturen konnte kein Nutzen gegenüber Plazebo nachgewiesen werden.

Literatur

  1. AMB 2018, 52, 87. Link zur Quelle
  2. https://www.dgu-online.de/patienten/haeufige- diagnosen/sportler/achillessehnenruptur.html (Zugriff am 28.11.2019). Link zur Quelle
  3. https://www.zfimed.de/eigenbluttherapie-prp-acp/ (Zugriff am 28.11.2019). Link zur Quelle
  4. Keene, D.J., et al. (PATH-2 = Platelet rich plasma in Achilles Tendon Healing-2): BMJ 2019, 367, l6132. Link zur Quelle