Zusammenfassung:
Für die ersten beiden in der EU am 21.12.2020 (BNT162b2) und am
6.1.2021 (mRNA-1273) bedingt zugelassenen mRNA Impfstoffe gegen
SARS-CoV-2 ist nachgewiesen, dass sie bei den untersuchten
Personengruppen und den im letzten Quartal 2020 prävalenten
Virusvarianten über einen Zeitraum von mindestens 2-3 Monaten
symptomatische COVID-19-Infektionen und schwere Verläufe
verhindern können. Erfreulicherweise wirken sie auch bei den am
meisten durch COVID-19 Bedrohten, den älteren Menschen. Einige
wichtige Personengruppen wurden in den Studien jedoch nicht oder nur
unzureichend untersucht: Immunsupprimierte, Schwangere, Kinder und
Jugendliche sowie ältere Menschen ≥ 80 Jahre. Die
Ergebnisse dürfen also nicht ohne weiteres auf diese übertragen
werden. Auch sollten die genannten relativen Zahlen zur Wirksamkeit
(95% bzw. 94,1%) mit großer Vorsicht bewertet werden, denn sie
sind an relativ wenigen Infizierten erhoben worden. Da der Impfschutz
nicht vollständig ist, die Nachbeobachtungszeit erst wenige
Wochen beträgt und die Antikörperspiegel mit der Zeit
sinken, kann die Dauer der protektiven Immunität nicht sicher
beurteilt werden. Weitere offene Fragen zur Wirksamkeit betreffen die
Prävention asymptomatischer Infektionen und v.a. die für
die Eindämmung der Pandemie sehr wesentliche Erzeugung einer
sterilen Immunität, d.h. die Verhinderung einer Übertragung
des SARS-CoV-2 durch Geimpfte. Die Verträglichkeit beider
Impfstoffe ist – verglichen mit anderen Impfungen – eher
mäßig. Mehr als drei Viertel der Geimpften hat in der
Woche nach der Impfung lokale und mehr als die Hälfte
systemische unerwünschte Arzneimittelereignisse (UAE). Sie sind
nach der 2. Impfung häufiger als nach der 1. und bei
Jüngeren häufiger als bei Älteren. Unklar sind noch
die Häufigkeit und Bedeutung später auftretender UAE. Weil
die Pharmakovigilanz in der jetzt begonnenen Impfkampagne besonders
wichtig ist, soll bereits der Verdacht von UAE im Zusammenhang mit
der Impfung an die zuständigen Institutionen gemeldet werden.
Außerdem sollte die Bevölkerung gründlich und
evidenzbasiert über Nutzen und Risiken der Impfstoffe aufgeklärt
werden. Hierzu gehört auch, dass die Ergebnisse der klinischen
Studien allgemeinverständlich dargestellt und Erfahrungen aus
den bereits angelaufenen Impfprogrammen zeitnahe kommuniziert werden.
Impfstoff
BNT162b2 (= Tozinameran; Comirnaty®;
BioNTech/Pfizer)
Zulassung:
Auf die weltweit erste Notfallzulassung (EUA = „Emergency Use
Authorization“) in Großbritannien durch die britische
Arzneimittelbehörde („Medicines and Healthcare products
Regulatory Agency“ = MHRA) am 2.12.2020 folgten nur wenige Tage
später Notfallzulassungen
der kanadischen Arzneimittelbehörde (Health Canada) am 9.12.2020
und der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde („Food and
Drug Administration“ = FDA) am 11.12.2020. An der Praxis der
Notfallzulassungen von Impfstoffen und Arzneimitteln gegen SARS-CoV-2
durch die FDA wurde kürzlich in einem Bericht des „US
Government Accountability Office“ deutliche Kritik geübt
und mehr Transparenz hinsichtlich der Daten zu Wirksamkeit und
Sicherheit gefordert (1).
Am
21.12.2020 empfahl dann der Ausschuss für Humanarzneimittel
(„Committee for Medicinal Products for Human Use“ = CHMP)
der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) eine bedingte
Zulassung
für BNT162b2, die noch am selben Tag von der Europäischen
Kommission (EC) erteilt wurde.
Notfallzulassungen
sind im Recht der Europäischen Union (EU) nicht eindeutig
geregelt; es handelt sich hierbei nicht um die Zulassung eines
Impfstoffs, sondern nur um die Ausnahme von der Zulassungspflicht in
einer bestimmten Notsituation (z.B. COVID-19). Zudem bedeutet
dies in Europa für den Mitgliedsstaat, der eine Notfallzulassung
ausgesprochen hat, dass er den pharmazeutischen Hersteller –
anders als bei der bedingten Zulassung – aus der
administrativen und zivilrechtlichen Haftung ausschließt. Aus
Sicht von Experten im europäischen Pharmarecht dürften
biotechnologisch hergestellte Arzneimittel, wie beispielsweise der
Impfstoff BNT162b2, ausschließlich durch die EC zugelassen
werden. Demgegenüber wird eine bedingte
Zulassung
entsprechend der Verordnung EG Nr. 507/2006 erteilt für
Arzneimittel/Impfstoffe mit noch unvollständigen klinischen
Daten, die beispielsweise in Krisensituationen gegen die Bedrohung
der öffentlichen Gesundheit eingesetzt werden sollen (2).
Voraussetzung ist u.a., dass ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis
nachgewiesen wurde und umfangreiche Daten zu Wirksamkeit und
Sicherheit später nach der Zulassung eingereicht werden.
Bedingte Zulassungen sind verbunden mit spezifischen Auflagen für
Zulassungsinhaber, zunächst ein Jahr gültig und dann
jährlich verlängerbar. Bei Vorliegen umfangreicher Daten
zum Nutzen-Risiko-Verhältnis kann eine Umstellung auf eine
Standardzulassung erfolgen (3).
BNT162b2
ist bereits (Stand 31.12.2020) in mehr als 45 Ländern
zumindest eingeschränkt zugelassen worden. Vorgeschlagener
internationaler Freiname für BNT162b2
ist Tozinameran und der Handelsname in den Staaten des Europäischen
Wirtschaftsraums sowie in der Schweiz Comirnaty®
(4).
Beschreibung:
BNT162b2 wird vertrieben in einer Mehrfachdosis-Durchstechflasche,
deren Inhalt vor der Anwendung verdünnt werden muss. Das
Mehrdosenbehältnis (0,45 ml) enthält 6 Dosen à
0,3 ml, wobei nach dem Verdünnen mit 1,8 ml
Natriumchlorid-Injektionslösung eine Dosis 30 µg
BNT162b2-RNA (eingebettet in Lipid-Nanopartikel = LNP)
enthält. Die
hoch aufgereinigte einzelsträngige “5'-capped
messenger-RNA“ (mRNA)
wurde durch zellfreie in-vitro-Transkription
von den entsprechenden DNA-Matrizen hergestellt und codiert für
das virale Spike-Glykoprotein von SARS-CoV-2.
Der Inhalt der tiefgefrorenen Durchstechflaschen wird nach dem Auftauen auf 2°C
bis 8°C intramuskulär
in den Deltamuskel des Oberarms in zwei Dosen mit jeweils 0,3 ml
im Abstand von mindestens 21 Tagen injiziert. Personen, die eine
Dosis des Impfstoffs BNT162b2 erhalten haben, sollen auch eine zweite
gleiche Dosis – nicht später als 42 Tage nach der
ersten Dosis – erhalten, um die Impfserie mit dem gleichen
Produkt abzuschließen. Der Impfstoff darf nicht intravaskulär,
subkutan oder intradermal injiziert werden (5, 6).
Als
Zusatzstoffe enthält BNT162b2 u.a.
[ALC-0315 (4-Hydroxybutyl)azandiyl]bis(hexan-6,1-diyl)bis(2-hexyldecanoat),
ALC-0159 (2-[(Polyethylenglykol)-2000]-N,N-ditetradecylacetamid),
Colfoscerilstearat (DSPC) und Cholesterin. Um die
Rückverfolgbarkeit von Impfstoffen als biologische Arzneimittel
zu verbessern, sollten der Name und die Chargennummer des
verabreichten BNT162b2 unbedingt dokumentiert werden. Etwa 7 Tage
nach der 2. Impfung ist ein ausreichender Impfschutz vorhanden.
BNT162b2 kann im Ultra-Tieftemperatur-Gefrierschrank
maximal 6 Monate, im Thermoversandbehälter maximal 15 Tage
und im Kühlschrank (2-8°C) maximal 120 Stunden gelagert
werden (7).
Studienübersicht:
Die folgenden Aussagen zur Wirksamkeit und Sicherheit von BNT162b2
basieren auf Zwischenanalysen der für die Zulassung des
Impfstoffs relevanten („pivotal“) klinischen Studie der
Phase II/III mit 2 primären Endpunkten hinsichtlich Sicherheit
und Wirksamkeit der Impfung (8). Verglichen wurden Wirksamkeit und
Sicherheit von zwei Impfungen (jeweils 30 µg BNT162b2 im
Abstand von 21 Tagen) mit Plazebo (Kochsalzlösung). Das
Design dieser klinischen Studie war nicht ausgerichtet auf die
Bewertung der Wirksamkeit einer nur einmaligen Impfung mit BNT162b2.
Über die Ergebnisse zur Immunität nach zweimaliger Impfung
wurde in einer separaten Publikation (s. unten) berichtet.
Für die
Zwischenanalyse zur Sicherheit von BNT162b2 wurden alle
Teilnehmer(innen) der Studie berücksichtigt, die wenigstens eine
Dosis des Impfstoffs oder Plazebos erhalten hatten. Für die
Zwischenanalyse des primären Wirksamkeitsendpunkts war
erforderlich, dass keine Hinweise für eine Infektion mit
SARS-CoV-2 innerhalb von 7 Tagen nach der 2. Impfung und
keine wesentlichen Abweichungen vom Studienprotokoll vorlagen.
Sicherheit:
Als
erste primäre Sicherheitsendpunkte galten: spezifische lokale
oder systemische UAE und/oder die Einnahme von antipyretisch oder
analgetisch wirkenden Arzneimitteln innerhalb von 7 Tagen nach
Injektion der 1. oder 2. Dosis oder Plazebo. Eine Subgruppe der
Teilnehmer(innen) wurde aufgefordert, die „Unexpected Adverse
Events“ (UAE) in einem elektronischen Tagebuch
(„Reaktogenität-Subgruppe“) zu notieren. Sowohl die
nach Aufforderung in einem elektronischen Tagebuch notierten als auch
andere UAE sollten bis zu einem Monat nach der 2. Dosis und
weitere schwere unerwünschte Ereignisse bis zu 6 Monate
nach der 2. Impfung erfasst werden.
Insgesamt
wurden zwischen 27. Juli 2020 und 14. November 2020
43.548 Personen im Alter von 16 Jahren oder älter an
insgesamt 152 Orten weltweit randomisiert, darunter 130 Orte
in den USA und 6 in Deutschland. Injektionen des Impfstoffs oder
Plazebos erhielten insgesamt 43.448.
Am Stichtag der
Auswertung (9. Oktober 2020) hatten
37.706 Studienteilnehmer(innen) den Median von wenigstens
2 Monaten nach der 2. Impfung erreicht und konnten
hinsichtlich der Sicherheit ausgewertet werden. Von diesen waren 35%
adipös (Body-Mass-Index = BMI von wenigstens 30,0 kg/m2),
und 21% hatten eine Komorbidität, z.B. eine chronische
Lungenerkrankung, Diabetes mellitus oder Krebs. Das mittlere Alter
der Studienteilnehmer(innen) betrug 52 Jahre, und 42% waren
älter als 55 Jahre. Die „Reaktogenität-Subgruppe“
umfasste 8.183 Studienteilnehmer(innen). Genaue Angaben zur
lokalen und systemischen Reaktogenität sowie weiteren
unerwünschten Ereignissen finden sich in Tab. 1.
In der Gruppe der mit
BNT162b2
geimpften
Studienteilnehmer(innen) traten 4 schwere UAE auf: Verletzung an der
geimpften Schulter, axilläre Lymphadenopathie rechts,
paroxysmale ventrikuläre Tachyarrhythmie und Parästhesien
am rechten Bein. Zwei der mit BNT162b2
Geimpften
und 4 in der Plazebogruppe starben, wobei nach Einschätzung der
Prüfärzte kein Zusammenhang mit der Impfung bzw. Plazebo
gesehen wurde. Todesfälle infolge von COVID-19 traten im
beobachteten Zeitraum nicht auf. Eine Nachbeobachtung der Sicherheit
soll für 2 Jahre nach der 2. Impfung mit BNT162b2
erfolgen.
Wirksamkeit:
Der erste
primäre Wirksamkeitsendpunkt war die Wirksamkeit
von BNT162b2 gegen eine bestätigte Erkrankung nach
SARS-CoV-2-Infektion (COVID-19), die wenigstens 7 Tage nach der
2. Impfung begonnen hatte. Der zweite primäre Endpunkt war
die Wirksamkeit der Impfung bei Probanden mit oder ohne Hinweis für
eine vorausgegangene Infektion mit SARS-CoV-2. Die Bestätigung
von COVID-19 basierte auf den Kriterien der FDA mit Nachweis von
mindestens einem der folgenden Symptome: Fieber sowie neu
aufgetretene oder Zunahme folgender Symptome: Husten, Atemnot,
Muskelschmerzen, neu aufgetretener Verlust des Geschmacks- oder
Geruchssinns, Diarrhö oder Erbrechen, Halsschmerzen. Bei einem
oder mehreren dieser Symptome musste gleichzeitig (oder 4 Tage
zuvor bzw. 4 Tage danach) in einer Probe aus dem Atemwegstrakt
mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR) SARS-CoV-2 nachgewiesen
worden sein. Wichtige sekundäre Endpunkte waren u.a. die
Wirksamkeit von BNT162b2 hinsichtlich der Vermeidung eines schweren
Verlaufs von COVID-19 (entsprechend der Kriterien der FDA; 9).
Unter den 36.523
Studienteilnehmer(inne)n ohne Hinweis für eine existierende oder
vorausgegangene Infektion mit SARS-CoV-2 wurde COVID-19 bei
8 Personen nach Impfung mit BNT162b2
innerhalb von wenigsten 7 Tagen nach der 2. Impfung
diagnostiziert und bei 162 Personen nach Injektion von Plazebo.
Dies entspricht einer Wirksamkeit des Impfstoffs von 95%.
Die statistische
Aussagekraft von Subgruppenanalysen – z.B. entsprechend Alter,
Geschlecht, Ethnie, Vorhandensein von Adipositas und
bestehenden Komorbiditäten – war aufgrund der Fallzahlen
begrenzt, ergab jedoch bisher keinen Anhalt für relevante
Unterschiede in der Wirksamkeit der Impfung (10). Auch bei separat
ausgewerteten Personen mit arterieller Hypertonie fanden sich keine
Unterschiede in der Wirksamkeit. Zwischen der 1. und 2. Impfung
wurden 39 COVID-19-Erkrankungen oder schwere COVID-19-Erkrankungen in
der geimpften Gruppe und 82 in der Plazebogruppe beobachtet. Dies
entspricht einer Wirksamkeit der Impfung von 52% während dieses
Zeitintervalls und deutet darauf hin, dass ein gewisser Impfschutz
bereits 12 Tage nach der ersten Dosis besteht.
In der Diskussion weisen
die Autoren auf die eingeschränkte Aussagekraft dieser
Zwischenanalysen hin (8). Hierzu zählen –
basierend auf der Auswertung von jeweils etwa
19.000 Studienteilnehmer(inne)n in jeder Gruppe und einer
medianen Nachbeobachtung von 2 Monaten nach der 2. Impfung
–
eine geringe Wahrscheinlichkeit, UAE zu entdecken, die mit einer
Inzidenz von weniger als 0,01% oder später als 2-3,5 Monate
nach der 2. Impfung auftreten. Aufgrund der Unterschiede in der
Wirksamkeit der Impfung mit BNT162b2
halten es die Autoren vor allem aus ethischer Sicht und praktischen
Gründen für unwahrscheinlich, dass die Teilnehmer(innen) in
der Plazebogruppe für 2 Jahre nachverfolgt werden können.
Sie werden deshalb vermutlich nicht als Kontrollgruppe zur
Beurteilung der Sicherheit der
Impfung mit BNT162b2
herangezogen werden können.
Weitere Fragen, die anhand dieser Zwischenanalysen nicht beantwortet
werden können, betreffen die Verhinderung einer asymptomatischen
Infektion durch die Impfung, die Wirksamkeit des Impfstoffs bei nicht
eingeschlossenen bzw. explizit ausgeschlossenen Personengruppen wie
Kinder/Jugendliche < 16 Jahre, Schwangere sowie
immunsupprimierte bzw. mit Immunsuppressiva behandelte Personen.
Bei
der Interpretation der Ergebnisse der Phase-III-Studie zur
Wirksamkeit von BNT162b2 muss zusätzlich ein potenzieller
Detektionsbias (vgl. 11) berücksichtigt werden. Dem
Mitherausgeber des BMJ, Peter Doshi, ist im FDA-Bericht (12) zu
BNT162b2 aufgefallen, dass es insgesamt 3.410 vermutete, aber
unbestätigte COVID-19-Erkrankte gab, und zwar 1.594 in der
BNT162b2-Gruppe und 1.816 in der Plazebogruppe. Aus seiner (und auch
unserer) Sicht könnte es sein, dass die mit BNT162b2 Geimpften
Fieber und/oder Muskelschmerzen seltener gemeldet haben, weil sie von
ihnen als UAE der Impfung und nicht als Symptome von COVID-19
erachtet wurden. Für diese Vermutung spricht auch, dass sie
häufiger Antipyretika eingenommen haben (13).
Immunogenität:
Detaillierte Ergebnisse zur Immunogenität von BNT162b2
hinsichtlich Bildung von neutralisierenden Antikörpern wurden
zunächst aus einer Phase-I/II-Studie mit BNT162b1 bei 45
gesunden Erwachsenen im Alter von 18-55 Jahren mitgeteilt
(14, 15). In dieser plazebokontrollierten, verblindeten Studie
wurden drei unterschiedliche Dosierungen von BNT162b1 verglichen
(10 µg, 30 µg und 100 µg), die laut
Protokoll jeweils an Tag 1 und Tag 21 verabreicht werden
sollten. Gezeigt werden konnte, dass die Konzentrationen des gegen
die Rezeptor-Bindungsdomäne des Spike-Glykoproteins gerichteten
Immunglobulins G (IgG) ebenso wie die Titer der
neutralisierenden Antikörper in Abhängigkeit von der
Dosierung von BNT162b1 sowie auch nach der 2. Impfung anstiegen.
Sie lagen deutlich über den Konzentrationen des IgG in Seren von
rekonvaleszenten Personen nach COVID-19. Wegen deutlich erhöhter
Reaktogenität und nicht stärkerer Immunogenität wurde
jedoch die 2. Dosis mit 100 µg nicht verabreicht.
In einer weiteren
Phase-I/II-Studie zur Immunogenität von BNT162b1, deren
Ergebnisse auch in Nature publiziert wurden, fanden sich bei gesunden
Erwachsenen im Alter von 18-55 Jahren (medianes Alter: 37 Jahre)
ebenfalls deutlich erhöhte Titer neutralisierender Antikörper
nach unterschiedlichen Dosierungen (1-50 µg) von BNT162b1
(16). Die Konzentrationen neutralisierender IgG-Antikörper gegen
das Spike-Glykoprotein lagen an Tag 43 nach Impfung
dosisabhängig um 0,7-fach (1 µg) bis zu 3,5-fach
(50 µg) über denjenigen von COVID-19-rekonvaleszenten
Personen. Gleichzeitig wurde nachgewiesen, dass die Immunseren auch
diverse Pseudoviren mit Varianten des SARS-CoV-2-Spike-Glykoproteins
neutralisierten. Außerdem konnten gegen das Spike-Glykoprotein
gerichtete, spezifische, expandierte CD8+ und T-Helfer-Typ 1
(TH1) CD4+ Lymphozyten mit einem hohen Anteil an Interferon-gamma
produzierenden Zellen nachgewiesen werden. Die Autoren gehen deshalb
davon aus, dass der BNT162b1-Impfstoff über unterschiedliche
Mechanismen – sowohl humorale als auch zelluläre
Immunantwort – gegen COVID-19 schützt (15). Gleichzeitig
betonen die Autoren jedoch die begrenzte Aussagekraft dieser
klinischen Studie, vor allem wegen der geringen Fallzahl mit
überwiegend jüngeren Personen, aber auch der noch
unbekannten Dauer der protektiven Immunität und der nicht
durchgeführten detaillierten T-Zell-Analysen, z.B. hinsichtlich
Induktion von T-Gedächtniszellen (16).
Eine weitere,
plazebokontrollierte und verblindete Phase-I-Studie in den USA
untersuchte Immunogenität und Sicherheit der beiden mRNA
Impfstoffe (BNT162b1 und BNT 162b2) bei insgesamt 195 gesunden
Erwachsenen im Alter von 18-55 Jahren bzw. 65-85 Jahren (17). In
insgesamt 13 Gruppen erhielten 12 Teilnehmer(innen) jeweils
den Impfstoff und 3 Plazebo. Auch diese Studie ergab sowohl bei
jüngeren als auch bei älteren Personen dosisabhängige
SARS-CoV-2 neutralisierende Antikörpertiter, die höher
waren als in den Seren nach SARS-CoV-2-Infektion. Aufgrund der
kleinen Fallzahl erlaubte diese Studie jedoch keine statistisch
aussagekräftigen Vergleiche.
Impfstoff
mRNA-1273 (Moderna Covid-19 Vaccine®)
Zulassung:
Seit 18.12.2020 existiert in den USA und seit 23.12.20 in Kanada eine
Notfallzulassung, und am 6.1.2021 hat das CHMP der EMA (s.o.) die
Zulassung des Impfstoffs zur Prävention einer
SARS-COV2-Erkrankung bei Menschen > 18 Jahre empfohlen
(18).
Beschreibung:
Laut „European Public Assessment Report“ (EPAR) der EMA
(19) handelt es sich bei mRNA-1273
um
eine konservierungsstofffreie, gefrorene Suspension zur
intramuskulären Injektion. Der Impfstoff beinhaltet mRNA, die
das geringfügig modifizierte SARS-CoV-2-Spike-Glykoprotein in
voller Länge kodiert und die sich ebenfalls in einer LNP-Kapsel
mit u.a. folgenden Bestandteilen befindet: SM-102,
1,2-Dimyristoyl-rac-glycero3-methoxypolyethylenglycol-2000
(PEG2000-DMG), Cholesterin, 1,2-Distearoyl-Sn-glycero-3-Phosphocholin
(DSPC). Der Impfstoff wird als gefrorene Suspension in
Mehrfachdosis-Durchstechflaschen mit 10 Dosen à 0,5 ml
ausgeliefert. Die Lagerungstemperatur beträgt -25 bis
-15°C. Unter diesen Bedingungen ist die ungeöffnete Flasche
7 Monate haltbar. Der Impfstoff muss vor der Impfung aufgetaut
werden. Danach können die Flaschen bei 2-8°C bis zu 30 Tage
vor der Anwendung gelagert werden, eine im Vergleich zu BNT162b2
deutlich geringere Anforderung an die Impflogistik. Ungeöffnete
Flaschen können bis zu 12 Stunden bei Raumtemperatur
gelagert werden, geöffnete Flaschen müssen nach 6 Stunden
entsorgt werden. mRNA-1273 wird in zwei Dosen à 100 μg
(je 0,5 ml) im Abstand von 28 Tagen intramuskulär
verabreicht, bevorzugt wie BNT162b2
in den
Deltamuskel. Es besteht eine Kontraindikation bei bekannten Allergien
gegen die Inhaltsstoffe des Impfstoffpräparats. Chargennummer
und Name des Geimpften müssen auch bei diesem Impfstoff
nachvollziehbar dokumentiert werden.
Studienübersicht:
Das Impfprogramm mit mRNA-1273
umfasst nach den Angaben auf clinicaltrials.gov
bislang
4 Studien mit dem Akronym COVE
(Stand
8.1.2021; 20). Die Ergebnisse von zwei dieser Studien wurden im N.
Engl. J. Med. publiziert: eine
offene Phase-I-Studie mit 120 Teilnehmer(inne)n zur Dosisfindung
und Ermittlung der Reaktogenität und Immunogenität (21, 22)
und eine randomisierte plazebokontrollierte Phase-III-Studie (23).
Von Interesse ist außerdem eine laufende Phase-II/III-Studie
mit 3.000 Heranwachsenden (12-18 Jahre; 24). In die
Phase-III-Studie (23) wurden 30.420 Erwachsene
≥ 18 Jahre eingeschlossen. Das mittlere Alter betrug
51,4 Jahre (Spanne 18-95 Jahre), 24,8% waren bei der
Erstimpfung ≥ 65 Jahre alt, 47,3% Frauen, 25,4% Mitarbeiter
aus dem Gesundheitswesen. Bei 22,3% (n = 6.191) bestand
mindestens eine, bei 4,2% mehrere Risiko-Komorbiditäten. Dazu
zählten chronische Lungen- (n = 1.454) oder
Herzerkrankungen (n = 1.496), Adipositas Grad 3 (BMI
≥ 40 kg/m2;
n = 2.046), Diabetes mellitus (n = 2.875),
chronische Lebererkrankung (n = 196), HIV-Infektion
(n = 179).
Zu
den Ausschlusskriterien zählten u.a. Personen mit akuten
Erkrankungen, einer durchgemachten SARS-CoV-2-Infektion, Schwangere
oder Stillende, bekannte oder vermutete Allergien gegen Bestandteile
des Impfstoffs sowie eine Vorerkrankung mit Immundefizienz oder die
Einnahme von Immunsuppressiva. Das COVE-Programm wird vom Hersteller
ModernaTX Inc. sowie durch öffentliche Gelder aus den USA
finanziert („Biomedical Advanced Research and Development
Authority“ und „National Institute of Allergy and
Infectious Diseases“; 25). Übrigens erhält auch
der Hersteller von BNT162b2 BioNTech eine Förderung aus
öffentlichen Mitteln, und zwar vom Bundesministerium für
Bildung und Forschung (BMBF) für beschleunigte
Impfstoffentwicklung und Ausbau der Produktionskapazitäten in
Höhe von bis zu 375 Mio. €.
(43).
Sicherheit:
In die Phase-III-Studie wurden in den USA zwischen Juli und Oktober
2020 insgesamt 30.420 Teilnehmer(innen) eingeschlossen (23).
Insgesamt 30.351 erhielten mindestens eine Dosis mit 100 μg
mRNA-1273 oder Plazebo und bilden die Grundlage der
Sicherheitsanalyse. Die Sicherheitsbewertungen basierten auf den
berichteten lokalen und systemischen UAE innerhalb von 7 und 28 Tagen
nach jeder Impfung. Die Symptome wurden mittels elektronischer
Tagebücher erfasst. Zudem werden alle weiteren UAE bis zum Tag
759 registriert. Die Bewertung aller UAE erfolgte durch ein „Data
Safety Monitoring Board“, dessen genaue Zusammensetzung wir
nicht recherchieren konnten.
Lokale
UAE
an der Injektionsstelle traten nach mRNA-1273 bei 4 von 5 Geimpften
auf und waren etwa viermal häufiger als nach Plazebo. Die Dauer
der lokalen UAE betrug im Mittel 3,4 bzw. 4,3 Tage. Auffallend
war, dass die Reaktogenität bei den älteren Geimpften etwas
geringer war (s. Tab. 1).
Systemische
UAE
wurden nach der 1. Impfung mit mRNA-1273 von 55% und nach
Plazebo von 42% berichtet; nach der 2. Impfung waren
es 79% bzw. 36%. Die 2. Impfung war also reaktogener.
Dabei handelte es sich in erster Linie um Fatigue, Kopfschmerzen,
Myalgien, Arthralgien und Frösteln/Schüttelfrost. Schwere
systemische UAE (Grad 3/4) traten nach der 1. Impfung mit
mRNA-1273 bei 2,9% und nach der 2. bei 15,8% auf. Die Dauer der
systemischen UAE betrug im Mittel 3,7 bzw. 4,6 Tage. Auffallend
war auch hier, dass sie bei den älteren Geimpften etwas seltener
auftraten (s. Tab. 1).
UAE,
die
systematisch erfasst wurden und innerhalb von 28 Tagen
(verzögerte Reaktionen) im Zusammenhang mit der Impfung
auftraten, wurden bei 686 Personen nach Plazebo (4,5%) und bei
1.242 nach mRNA-1273 (8,2%) registriert. Es waren überwiegend
Kopfschmerzen, Fatigue, Arthralgien und Myalgien. Nur bei wenigen
Geimpften (< 0,1%) führten diese UAE zum Studienabbruch.
Hypersensitivitätsreaktionen wurden von 166 Personen nach
Plazebo (1,1%) und von 233 Personen nach mRNA-1273 (1,5%)
berichtet. Bronchospasmen, Augen-, Lippen-, Zungen- oder
Gesichtsschwellungen sowie Angioödeme waren selten: 16 Personen
nach mRNA-1273, 7 nach Plazebo. In jeder Gruppe kam es zu einer
anaphylaktischen Reaktion (23). Unklar bleibt, wieso die Injektion
einer Salzlösung zu solch starken allergischen Reaktion führte.
Wirksamkeit:
Der
primäre Wirksamkeitsendpunkt war die Verhinderung einer
erstmaligen symptomatischen COVID19-Erkrankung in der Kohorte der
Per-Protokoll (PP)-Analyse, beginnend ab 14 Tagen nach der
2. Impfung (23). Die PP-Kohorte umfasste alle korrekt zweimal
Geimpften, die bei Studienbeginn einen negativen PCR-Test hatten
(n = 28.207; zum Zeitpunkt der Zwischenanalyse am
25.11.2020). Von der PP-Analyse wurden 2.144 der Erstgeimpften (7,3%)
ausgeschlossen, entweder weil sie bei einem routinemäßigen
PCR-Abstrich bei der 1. Impfung positiv waren (4,1%; 572 mit
Plazebo und 631 mit Verum), weil sie die Studie nach der 1. Impfung
abbrachen (1,3%; 231 mit Plazebo und 168 mit Verum) oder wegen einer
Protokollverletzung (1,8%; 294 mit Plazebo und 248 mit Verum; meist
wurden die Impfintervalle nicht eingehalten). Diese Unterschiede
können vor dem Hintergrund von 196 primären
Endpunktereignissen (s.u.) durchaus bedeutsam sein, werden aber von
den Autoren nicht kommentiert. Alle Studienteilnehmer(innen) teilten
ihre Symptome über ein elektronisches Tagebuch mit. Wenn
vordefinierte Symptome einer COVID-19 Infektion auftraten
(FDA-Kriterien, s.o.), erfolgte eine Visite mit PCR-Abstrich. Als
COVID-19 wurde gezählt, wenn neben den Symptomen auch der
PCR-Abstrich positiv war. Die Befunde wurden von einem unabhängigen,
verblindeten „adjudication committee“ bewertet, dessen
Zusammensetzung nicht recherchiert werden konnte.
In
die primäre PP-Analyse gingen 196 Patienten mit COVID-19
ein: 11 aus der Verum- und 185 aus der Plazebogruppe. Hieraus wurde
eine Impfeffektivität von 94,1% berechnet
(95%-Konfidenzintervall: 89,3%-96,8%; p < 0,001). Die
mediane Nachbeobachtungszeit betrug 64 Tage.
Somit ergibt sich über 2 Monate und nach 2 korrekten
Impfungen eine absolute Risikoreduktion von 1,23% (0,077% vs.
1,314%). Als schwer bewertet wurden 30 Erkrankungen, wovon eine
tödlich endete. Die schweren Verläufe traten alle in der
Plazebogruppe auf. Die Subgruppenanalyse ergab in allen untersuchten
Subgruppen eine Impfeffektivität > 85%. Sie scheint
jedoch mit dem Alter etwas abzunehmen: Der Wert liegt in der
Altersgruppe 18-65 Jahre bei 95,6% und bei den ≥ 65-Jährigen
bei 86,4%. Nach der „Intention-to-treat“-Analyse
errechnete sich bei denen, die zum Zeitpunkt der Zwischenanalyse erst
eine Impfdosis erhalten hatten, nach einer medianen
Nachbeobachtungszeit von 28 Tagen eine Impfeffektivität von
80,2%.
Ein routinemäßig
durchgeführter Abstrich aus dem Nasenrachenraum zum Zeitpunkt
der 2. Impfung ergab, dass in der Plazebogruppe 39 und in der
Verumgruppe 15 Personen PCR-positiv waren für SARS-CoV-2
(0,3 vs. 0,1%). Ob dies ein Hinweis darauf ist, dass die Impfung auch
einen gewissen Schutz vor der Transmission bietet, muss weiter
untersucht werden.
Immunogenität
(21, 22):
In der Phase-I-Studie wurde die Bildung von Antikörpern von drei
mRNA-Dosierungen geprüft (25, 200 und 250 μg). Mittels
„Enzyme-linked
Immunosorbent Assay“
(ELISA) wurden nach 29 und 57 Tagen – in Abhängigkeit
von der Dosis – steigende bindende Antikörper (bAK) gegen
das Spike-Glykoprotein nachgewiesen. Die AK-Titer nach 100 und 250 μg
lagen im Bereich wie die in Rekonvaleszenten-Seren. Neutralisierende
Antikörper (nAK) wurden nach der 1. Impfung bei < 50%
der Geimpften nachgewiesen, nach der 2. Impfung bei 100%, mit
einer Dosis-Titer-Beziehung. Eine zelluläre Antwort
(CD4-T-Zellen) war nach 1. Impfung mit der 100 μg-Dosis
nachweisbar: Nach Stimulation durch das Spike-Glykoprotein kam es zu
einer starken Expression von Th1-Zytokinen (Tumornekrosefaktor alpha
> Interleukin 2 > Interferon gamma). Nach der
2. Impfung kam es auch zu einer CD8-T-Zell-Antwort auf niedrigem
Niveau. Aufgrund dieser Ergebnisse wurde die zweimalige Gabe der
100 μg-Dosis für die Phase-III-Studie ausgewählt.
Drei
Monate nach der 2. Impfung wurden bei 34 Teilnehmer(inne)n
erneut Antikörpertiter bestimmt. Dabei zeigte sich, dass diese
zwar gesunken waren, aber weiter über denen in Seren von
Rekonvaleszenten lagen. Dies interpretieren die Autoren als Hinweis
auf eine länger anhaltende humorale Immunität (22). Eine
separate Studie zur Immunogenität mit 40 Älteren, 20
davon ≥ 71 Jahre, zeigte zeit- und dosisabhängig
steigende Titer von bAK und nAK, die im Bereich derer von jüngeren
Geimpften lagen (26).
Beurteilung
der beiden mRNA-Impfstoffe:
Für beide mRNA-Impfstoffe konnte nachgewiesen werden, dass sie
bei den untersuchten Personengruppen über einen Zeitraum von
2-3 Monaten symptomatische SARS-CoV-2-Infektionen (COVID-19) und
schwere Verläufe dieser Erkrankung verhindern können. Das
gilt auch für ältere Menschen, obwohl ihre Immunantwort
zellulär und humoral schwächer ist
(Immunoseneszenz; 15, 27).
Allerdings ist die Zahl der Personen in der Altersgruppe ≥ 75 Jahre
in den o.g. für die Zulassung relevanten Phase-III-Studien mit
1.559 Teilnehmer(innen) in der Studie zu BNT
162b2
bzw. 1.318 in der Studie zu mRNA-1273
deutlich kleiner als in den Altersgruppen 18 bis < 75 Jahre.
Deshalb ist auch die Aussagekraft hinsichtlich Verhinderung von
COVID-19 schwächer. Interessant wird sein, ob der Impfschutz
gegen das SARS-CoV-2 ähnlich lange anhält, wie bei den
Jüngeren, ob andere zur Impfstoffentwicklung genutzte
Technologien eine ähnlich starke und anhaltende Immunität
erzeugen wie die mRNA-Technologie oder ob für ältere
Menschen doch eine individualisierte SARS-CoV-2-Impfstrategie
erforderlich ist (28).
Einige
wichtige Personengruppen wurden in den Studien nicht oder nur
unzureichend untersucht, z.B. Immunsupprimierte, Schwangere und
Jugendliche. Die Ergebnisse dürfen also nicht ohne weiteres auf
diese übertragen werden. Diese Gruppen sollten nach Möglichkeit
künftig in kontrollierten Studien oder zumindest mittels
Registerstudien gründlich untersucht werden. Auch sollten die
genannten relativen Zahlen zur Wirksamkeit der Impfstoffe (95% bzw.
94,1%) als vorläufig betrachtet werden. Da der Impfschutz nicht
vollständig ist, die Nachbeobachtungszeit erst wenige Wochen
beträgt und die Antikörperspiegel mit der Zeit sinken,
dürfte die Wirksamkeit mit der Zeit sinken. Außerdem
basieren diese Berechnungen auf wenigen COVID-19-Fällen, und das
Erkennen von Erkrankten nach SARS-CoV-2-Infektion in den Studien
erscheint störanfällig. Zudem wurden ungleich viele
Personen in der Verum- und Plazebogruppe von der PP-Analyse
ausgeschlossen (Studie zu mRNA-1273).
Wichtige
unbeantwortete Fragen hinsichtlich der Impfeffektivität sind
derzeit: Werden auch asymptomatische Infektionen verhindert? Wird
eine sterile Immunität erreicht, d.h. wird verhindert, dass
Geimpfte SARS-CoV-2 übertragen können? Wenn ja wäre
dies ein sehr wichtiger Beitrag zur Eindämmung der Pandemie,
d.h. zur Unterbrechung der Infektionsketten. Wie gut schützen
die Impfstoffe bei neuen Virusvarianten?
Die
Verträglichkeit beider Impfstoffe kann im Vergleich zu anderen
Impfstoffen insgesamt als mäßig eingestuft werden. Bei bis
zu zwei Dritteln der Geimpften traten in der Woche nach der
kompletten Impfung systemische UAE (Fatigue, Kopfschmerzen,
Gliederschmerzen) auf – nach der 2. Impfung häufiger
als nach der 1. und bei Jüngeren häufiger als bei Älteren.
Allerdings gaben auch bis zu 42% in der Plazebogruppe solche UAE an
(23). Diese UAE sind also nicht immer Ausdruck einer starken
Immunantwort. Besondere Aufmerksamkeit sollten schwere UAE bei
älteren (≥ 80 Jahre) gebrechlichen Personen
(„Frailty-Syndrom“) mit relevanten Begleiterkrankungen
erhalten und Todesfälle nach der Impfung gründlich
analysiert werden (vgl. 44) – auch um die Priorisierung
von Personengruppen in Impfempfehlungen rasch zu ändern.
Noch
weitgehend unklar ist die Häufigkeit und Bedeutung der verzögert
auftretenden und späten UAE. Daher sollten derzeit pauschale und
nicht evidenzbasierte Aussagen, die Impfstoffe seien ausreichend
geprüft und sicher, unterbleiben. Bislang (15.1.2021) wurden bei
den CDC nach knapp 12 Millionen Impfungen insgesamt
6.740 Einzelfallberichte über späte UAE (5.660 zu
BNT162b2 und 1.080 zu mRNA-1273) gemeldet, darunter 63
anaphylaktische Reaktionen (29).
Zum
Problem Allergien (30, 31):
Die Inzidenz einer anaphylaktischen Reaktion nach einer Impfung wird
mit 1 auf 1 Million Impfungen angegeben. Derzeit wird davon
ausgegangen, dass die beiden mRNA-Impfstoffe gegen COVID-19 10mal
häufiger Allergien auslösen als etablierte Impfstoffe (32).
Es wird vermutet, dass dies durch LNP und/oder
PEG in der Hülle der mRNA verursacht wird. PEG wird in
unterschiedlichen Mengen in der Kosmetik und Pharmazie als
Wirkstoffträger verwendet (Gelatinekapseln, Suppositorien,
Salbengrundlage, Deodorants etc.).
Allergische Reaktionen auf PEG werden nach Einschätzung mehrerer
allergologischer Fachgesellschaften zu selten diagnostiziert (33).
Sie empfehlen deshalb u.a., bekannte allergische Reaktionen auf
Zusatzstoffe, insbesondere PEG, vor der Impfung mit einem der beiden
Impfstoffe systematisch abzufragen und in Verdachtsfällen
zunächst allergologisch abzuklären (Haut-Pricktest,
Labordiagnostik; 33).
In den klinischen Studien
mit den mRNA-Vakzinen wurden Personen mit bekannten Allergien gegen
einen der Inhaltsstoffe ausgeschlossen. BioNTech/Pfizer schloss zudem
alle Personen mit bekannten schweren allergischen Reaktionen nach
irgendeiner Impfung aus. In der Phase-III-Studie mit BNT162b2
findet
sich keine Angabe zu anaphylaktischen Schocks, und in der Studie mit
mRNA-1273
jeweils
ein Fall in beiden Gruppen, also auch nach Plazebo. Näheres wird
nicht mitgeteilt. Am 6.1.2021 berichteten die CDC über insgesamt
21 gemeldete Fälle von Anaphylaxie nach der 1. Impfung von
1,9 Millionen Personen mit BNT162b2
(30).
Interessanterweise
waren 90% Frauen. Die
Anaphylaxie-Inzidenz wird mit 11 pro 1 Million Impfungen
angegeben. Innerhalb von 30 Minuten nach der Impfung traten 86%
dieser Reaktionen auf. Eine
Allergie in der Vorgeschichte (Wespen-/Bienenstiche,
Katzen-/Hundehaare, Lebens-/Arzneimittel) hatten 17 Betroffene.
Mit Adrenalin behandelt wurden 19 der 21 Personen, 17 wurden in
eine Notaufnahme überwiesen, und keiner ist gestorben.
Das
Paul-Ehrlich-Institut (PEI) sieht nach
derzeitiger Datenlage (Stand 29.12.2020) bei Personen mit
vorbekannten allergischen Erkrankungen kein generell erhöhtes
Risiko für schwerwiegende UAE bei einer Impfung mit BNT162b2
(31). Bei
bekannter Allergie oder Anaphylaxie müssen nach der Impfung
Überwachung (mindestens 15 Minuten) und Notfallbehandlung
gewährleistet sein. Ist nach der 1. Impfung eine
anaphylaktische Reaktion aufgetreten, soll keine 2. Impfung
erfolgen (7).
Pharmakovigilanz:
Grundsätzlich sind klinische Studien der Phasen I-III nur
begrenzt geeignet, um sehr seltene UAE, Langzeitrisiken, Risiken in
gefährdeten Bevölkerungsgruppen oder Wechselwirkungen mit
anderen Arzneimitteln/Impfstoffen zu erkennen. Zudem sind BNT162b2
und mRNA-1273 Produkte neuartiger Impfstoffplattformen mit
limitierter Erfahrung gegenüber bereits zugelassenen
vergleichbaren Impfstoffen. Aufgrund der kurzen Nachbeobachtung
beider Impfstoffe in den o.g. klinischen Studien und deshalb
weitgehend fehlender Erkenntnisse zu verzögert auftretenden UAE
bzw. Langzeitsicherheit ist deshalb die Überwachung der
Sicherheit nach Zulassung von besonderer Bedeutung.
Zu
den im Rahmen der Pharmakovigilanz durchgeführten
Routineaktivitäten für Impfstoffe gegen SARS-CoV-2 zählen
die Meldung von UAE nach Impfungen durch Gesundheitsberufe sowie der
Bevölkerung (betroffene Personen), die durch Arzneimittelgesetz
und Infektionsschutzgesetz (IfSG) geregelt sind. Auch Verdachtsfälle
von UAE im Zusammenhang mit den Impfstoffen sollen an die zuständigen
Institutionen gemeldet werden. Dabei sind Meldungen besonders wichtig
zu solchen UAE, die nicht in der Produktinformation aufgeführt
sind (insbesondere schwerwiegende) sowie UAE, die schwerwiegend sind,
auch wenn sie in der Produktinformation aufgeführt sind. Alle
derartigen UAE sollten gemeldet werden, auch wenn „nur“
der Verdacht eines Zusammenhangs zwischen aufgetretenem Symptom und
der Impfung besteht. Nicht gemeldet werden sollten
Erkrankungen/Symptome, denen offensichtlich eine andere Ursache als
die Impfung zugrunde liegt.
Gemäß
der ärztlichen Berufsordnung sind Ärzte in Deutschland bzw.
Österreich verpflichtet, unerwünschte Wirkungen von
Arzneimitteln (inkl. Impfstoffen) der Arzneimittelkommission der
deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) bzw. dem österreichischen
Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) zu melden
(34). Die AkdÄ in Deutschland leitet diese – bei
Impfstoffen pseudonymisiert – an das Paul-Ehrlich-Institut
(PEI) weiter. Alle nationalen Meldungen werden dann an
Pharmakovigilanz-Datenbanken der EMA (EudraVigilance) und der
Weltgesundheitsorganisation gesendet.
Neben
dieser berufsrechtlichen Meldeverpflichtung besteht eine gesetzliche
Meldeverpflichtung nach dem IfSG an das Gesundheitsamt für über
das übliche Maß hinausgehende Reaktionen nach einer
Impfung. Weitere detaillierte Informationen zur Sicherheit von
Impfstoffen gegen SARS-CoV-2 finden sich auf der Homepage des PEI
(35), der AkdÄ (36) und dem BASG (45), beim PEI und der AkdÄ
jeweils mit externen Links zum Robert Koch-Institut (RKI) und zur
EMA. Das PEI informiert auch regelmäßig und detailliert in
Sicherheitsberichten über Nebenwirkungen und Impfkomplikationen
nach Impfung zum Schutz vor COVID-19, zuletzt für den Zeitraum
vom 27.12.2020 bis zum 10.1.2021 (37). Vom PEI sind auch Protokolle
und Studien zur aktiven Überwachung der Impfstoffsicherheit
geplant, u.a. eine Kohortenstudie, für die seit Ende 2020 eine
Smartphone-App („SafeVac“) verfügbar ist, sowie
retrospektive Studien auf Basis elektronischer Gesundheitsdaten der
Gesetzlichen Krankenversicherung (35).
Kommunikation
über die Impfung (34):
Die sorgfältige Nachbeobachtung der UAE von Impfstoffen gegen
SARS-CoV-2 sowie zeitnahe Informationen der Öffentlichkeit über
neu aufgetretene UAE sind eine wesentliche Voraussetzung für das
Vertrauen der Bevölkerung in die derzeit angelaufenen
Impfprogramme. Daneben ist jedoch unverzichtbar, auch um die
Impfmotivation und -bereitschaft zu steigern, dass eine gründliche,
wissens- und evidenzbasierte Aufklärung über Nutzen und
Risiken der derzeit verfügbaren Impfstoffe erfolgt und die
Bevölkerung verständlich über Zweck und realistische
Ziele dieser Impfung informiert wird. Dabei sollte auch größere
Transparenz hinsichtlich derzeit noch offener Fragen zu den
Impfstoffen hergestellt werden.
Verschiedene
Publikationen haben sich in den letzten Wochen mit sinnvollen
Kommunikationsstrategien beschäftigt, die das Ziel verfolgen,
Merkmale der Impfstoffe (z.B. Wirksamkeit, UAE, Dauer der protektiven
Immunität) und Zulassungsverfahren allgemeinverständlich
mitzuteilen und dabei auch Unsicherheiten im Kenntnisstand nicht zu
verschweigen (38, 39, 40). Dabei wurde deutlich, dass die
Bevölkerung mit Unsicherheiten und einem sich rasch wandelnden
Kenntnisstand durchaus umgehen kann. Transparenz hinsichtlich der
noch offenen Fragen stärkt eher das Vertrauen in die Impfstoffe
und kann dadurch die Impfbereitschaft fördern. Die vom Institut
für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen
herausgegebenen Gesundheitsinformationen, aktuell zu den Impfstoffen
von BioNTech/Pfizer bzw. Moderna, können diese
Kommunikationsstrategie unterstützen (41, 42).
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foerderung-von-bis-zu-375-millionen-euro

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politik-gesellschaft/warnung-aus- norwegen-moegliche-
nebenwirkungen-des-impfstoffs-li.133073

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