Aktuelle Verfahren
mit unbewiesener Wirksamkeit in der Onkologie wurden von uns vor zwei Jahren
ausführlich besprochen (AMB 1997, 31, 33). Zu einem derzeit stark
beworbenen Präparat, Ukrain, möchten wir unseren Lesern im folgenden einige
Hintergrundinformationen liefern. Ukrain ist ein semisynthetisches
Mischpräparat aus Alkaloiden des Schöllkrautes, Chelidonium majus, und dem
Zytostatikum Thiotepa, wobei die Bindung des pflanzlichen Alkaloids an Thiotepa
die Affinität des Präparates an Tumorgewebe erhöhen soll (1). Der Einsatz
dieses Präparates wird nicht nur für Patienten mit fortgeschrittenen,
therapierefraktären Tumorerkrankungen, sondern auch für Tumorpatienten
unmittelbar nach Diagnose anstatt konventioneller Therapieverfahren propagiert
(1). Die therapeutische Wirksamkeit von Schöllkraut-Extrakten in der Behandlung
von Tumorerkrankungen ist unbewiesen. Thiotepa ist ein alkylierendes
Zytostatikum, das lokal z.B. bei Harnblasenkarzinomen und systemisch - auch im
Rahmen der Hochdosis-Chemotherapie - bei einigen soliden Tumoren und selten
auch bei hämatologischen Neoplasien eingesetzt wird. Die übliche
Standarddosierung beträgt 30 mg/m2 einmal wöchentlich (2). Eine
Ampulle Ukrain enthält 5 mg der oben genannten Substanzen, und eine Behandlung
mit Ukrain wird meistens mit 10 mg/d bzw. 100 mg/Therapiezyklus durchgeführt.
Die Kosten hierfür betragen etwa 5000 DM bis 7000 DM/Woche (3).
Ukrain wurde vor
mehr als 15 Jahren von J.W. Nowicky entwickelt, der in Wien das
"Ukrainische Institut für Krebsforschung" gründete. Hersteller und
Patentinhaber des Präparates ist die Firma Nowicky Pharma mit Sitz in
Österreich. Das Präparat ist bisher nur in Weißrußland zugelassen. Der
Hersteller von Ukrain hat in den zurückliegenden Jahren sein Interesse
angeblich darauf konzentriert, "einen tiefen wissenschaftlichen Einblick
in das gesamte Spektrum der pharmakodynamischen Aktivitäten, des
pharmokokinetischen Verhaltens sowie der klinischen Effektivität seines
Produktes zu gewinnen" (1). Über die Fragestellungen und Qualität dieser
"wissenschaftlichen Untersuchungen" kann man sich seit 1997 im
Internet (http://www.ukrin.com) informieren. Aussagen zu angeblichen Wirkungen
des Präparates und Ergebnissen klinischer Prüfungen sind dort einer
"Synopsis der wissenschaftlichen und ökonomischen Aspekte der
pharmazeutischen Substanz Ukrain" zu entnehmen (1). Neben einer direkten
zytotoxischen Wirkung auf Tumorzellen über Hemmung der DNA-, RNA- und
Protein-Synthese sowie Induktion von Apoptose soll Ukrain auch über
immunstimulierende Wirkungen (u.a. Erhöhung der Anzahl der Monozyten,
T-Helferzellen und natürlichen Killerzellen sowie Verstärkung deren
funktioneller Aktivität) und hemmende Einflüsse auf die Tumorangiogenese
verfügen. Das Präparat sei (natürlich) bei einer Vielzahl verschiedener Tumoren
wirksam und sehr gut verträglich. Es eigne sich auch zur Unterdrückung von
Metastasen. Bisher erhielten mehr als 650 Tumorpatienten Ukrain, wobei die
Behandlung nicht im Rahmen kontrollierter klinischer Studien erfolgte, die
Behandlungsergebnisse nur als Abstract oder Bericht in obskuren medizinischen
Zeitschriften vorliegen und die Mehrzahl der Studien - auch nach Einschätzung
der Protagonisten dieses Präparates (1) - nicht auf der Grundlage der
"Good Clinical Practice" (GCP) durchgeführt wurde. Man findet auf der
Web-Seite von Ukrain auch 19 Abstracts (in 12 Abstracts fungiert W. Nowicky als
Ko-Autor), die anläßlich des "20th International Congress of
Chemotherapy" in Sydney vorgestellt wurden, mit Sicherheit keinem
Peer-Review-Verfahren unterlagen und zu fast allen aktuellen zellbiologischen
Fragen im Zusammenhang mit Tumorerkrankungen (z.B.
Multidrug-resistance-Phänotyp, Induktion von Apoptose, immunmodulatorische
Wirkungen, Antiangiogenese) pseudowissenschaftliche Ergebnisse mit Ukrain
vorstellen. Außerdem wird über "randomisierte Studien" bei z.B. 20
Patienten mit Prostatakarzinom berichtet, wobei eine objektive Beurteilung des
Ansprechens der Tumorerkrankung grundsätzlich nicht möglich ist und versucht
wird, in nicht aussagekräftigen Formulierungen (z.B. "transrectal
palpation of the tumor showed some decrease of the tumor") eine
Wirksamkeit von Ukrain zu suggerieren.
Fazit: Anstelle eines
eigenen Fazits möchten wir auf das Resümee der "Studiengruppe Methoden mit
unbewiesener Wirksamkeit in der Onkologie" verweisen, dem wir uns
inhaltlich voll anschließen: "Nach sorgfältigem Studium der Literatur und
anderer zur Verfügung stehender Informationen haben die Schweizerische
Krebsliga und die Schweizerische Gesellschaft für Onkologie keine Beweise dafür,
daß Ukrain eine Wirkung gegen Krebs beim Menschen hat. Sie raten von der
Anwendung in der Krebsbehandlung ab" (4). Über mögliche Nebenwirkungen von
Schöllkraut-Extrakt-haltigen Präparaten (Hepatitis) hat im vergangenen Jahr die
Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft berichtet (5). Auch eine Gabe
von Thiotepa kann natürlich unerwünschte Wirkungen haben, wie z.B.
Immunsuppression, Myelosuppression, Anorexie, Übelkeit und Erbrechen.
Literatur
- Synopsis der
wissenschaftlichen und ökonomischen Aspekte der pharmazeutischen Substanz
Ukrain; http://www.ukrin.com/drugsger.htm.
-
Schmoll,
H.-J.,Höffken, K.,Possinger, K.: Kompendium internistische Onkologie.
Springer-Verlag, Berlin 1996.
-
Persönliche
Mitteilung der Privatklinik Villa Medica in Edenkoben (Chefarzt: Dr. B.
Aschhoff), 1998.
-
Alleweit, M.C.,
und Hauser, S.P: Dokumentation Nr. 35D der Schweizerischen Krebsliga, 1997.
-
Arzneimittelkommission
der deutschen Ärzteschaft: Dt. Ärztebl. 1998, 95, A-2790.
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