Vor einiger Zeit
haben wir im ARZNEIMITTELBRIEF (1) über das biologisch interessante Prä-Androgen
Dehydroepiandrosteron (DHEA) berichtet, das in den USA zunehmend als
Lifestyle-Droge verwendet wird. DHEA und sein Sulfat (DHEAS) werden von der
Nebennierenrinde sezerniert. Zum Teil wird DHEA auch in der Leber zu DHEAS
sulfatiert. Die Plasma-Konzentration von DHEA ist etwa ein Zwanzigstel der
Plasma-Kortisol-Konzentration, während DHEAS 20mal so hoch konzentriert ist wie
Plasma-Kortisol. DHEA und DHEAS können in Zielorganen von Östrogenen und
Androgenen durch intrazelluläre Enzyme in aktive Androgene (Testosteron,
Dihydrotestosteron) sowie in Östron und Östradiol umgewandelt werden. Diese
Umwandlung findet in der Haut, im Fettgewebe, wahrscheinlich auch im Knochen
und in anderen Geweben statt. Gesunde Menschen im Alter von 70 bis 80 Jahren
haben deutlich niedrigere DHEA- und DHEAS-Plasma-Konzentrationen als jüngere
Menschen im dritten Lebensdezennium (20-30% des jugendlichen Wertes). Besonders
niedrig sind die DHEA- und DHEAS-Konzentrationen im Plasma bei Patienten mit
primärer oder sekundärer Nebennierenrinden-Insuffizienz. Es war daher
naheliegend, bei solchen Patienten den therapeutischen Effekt einer (echten)
Substitution von DHEA zu prüfen. Patienten mit primärer
Nebennierenrinden-Insuffizienz (M. Addison) werden heute mit Hydrokortison oder
Kortison plus dem Mineralokorticoid 9-alpha-Fluorcortisol substituiert.
Patienten mit sekundärer Nebennierenrinden-Insuffizienz brauchen nur mit
Hydrokortison oder Kortison substituiert zu werden, zusätzlich jedoch mit
eventuell anderen fehlenden Hormonen bei Hypophysen-Erkrankungen (z.B. Thyroxin
und/oder Sexualhormone). In einer sehr sorgfältig durchgeführten Studie von W.
ArIt et al. aus Würzburg (2) wurden 24 Frauen im Alter von 23 bis 59 Jahren (im
Mittel 42 Jahre) mit primärer oder sekundärer Nebennierenrinden-Insuffizienz 4
Monate lang doppeltblind und cross-over mit 50 mg/d DHEA bzw. Plazebo
behandelt. Untersucht wurde der Effekt der Therapie auf die
Serum-Konzentrationen von DHEA, DHEAS, aktiven Androgenen und Östrogenen. Der
Effekt auf das Befinden der Patienten (insgesamt 4 psychologisch/psychiatrische
Test-Batterien) und auf die sexuelle Erlebnisfähigkeit wurde in beiden
Behandungsarmen sehr gründlich untersucht.
Die Einnahme von
DHEA normalisierte die DHEA- und DHEAS-Plasma-Konzentrationen bezogen auf den
Normalbereich bei Menschen im dritten Lebensdezennium. Plasmaandrostendion,
Testosteron und Dihydrotestosteron stiegen signifikant an, und zwar in den
Bereich jüngerer Frauen während der ersten Hälfte des Menstruationszyklus. Ein
signifikanter Anstieg der Plasma-Östrogene wurde nicht gefunden, vermutlich
weil die meisten Frauen (mit sekundärer Nebennieren-Insuffizienz oder
postmenopausaje Frauen mit primärer Nebennieren-Insuffizienz) ihre Östrogen-
oder Östrogen/Gestagen-Substitutions-Präparate weiter einnehmen durften. Im
Vergleich mit Plazebo fand sich in dieser sorgfältig geblindeten Studie ein
signifikant positiver Effekt von DHEA auf die Merkmale Depression, Angst,
allgemeines Wohlbefinden sowie auf psychische und physische Aspekte der Sexualität.
5 Patienten registrierten leichte Akne, fettige Haut oder verstärktes
Haarwachstum. Bei einer Patientin wurde die DHEA-Dosis auf 25 mg/d reduziert.
In einem
begleitenden Editorial (3) wird festgestellt, daß aufgrund dieser Studie eine
DHEA-Substitution bei Patienten mit Nebennierenrinden-Insuffizienz, die trotz
optimaler Substitution mit Hydrokortison/Kortison und eventuell einem
Mineralokortikoid nicht in den Vollbesitz ihrer Kräfte und ihres Wohlbefindens
zu bringen sind, in einer Dosis von 25-50 mg/d indiziert ist, bei gutem Erfolg
auch über 4 Monate hinaus. Auch bei Männern mit verbleibenden Beschwerden bei
Nebennieren-lnsuffizienz kann eine solche Therapie versucht werden, da der
positive psychotrope Effekt möglicherweise unabhängig ist von der Umwandlung
von DHEA oder DHEAS in aktive Östrogene und Androgene. DHEA bindet im Gehirn an
Gamma-Amino-Buttersäure-Rezeptoren und kann auf diesem Wege psychotrope Effekte
auslösen. Aufgrund von Publikationen der letzten Jahre könnten folgende weitere
Erkrankungen nach Abschluß laufender Studien Indikationen für die Behandlung
mit DHEA werden: Osteoporose oder Osteoporose-Prophylaxe bei Patienten, die
einer Pharmakotherapie mit Glukokortikoiden bedürfen (besonders Rheumatoide
Arthritis; 4), Osteoporose in der Menopause (5) sowie Patienten mit
Depressionen (6). Die Einnahme von DHEA durch ältere Menschen, nur weil im
höheren Alter die Plasma-DHEA- und -DHEAS-Konzentrationen niedrig sind, muß
jedoch strikt abgelehnt werden.
Fazit: Bei Patienten mit
primärer und sekundärer Nebennierenrinden-Insuffizienz, die trotz optimaler
konventioneller Substitution weiterhin über Müdigkeit, Schwäche und
Depressionen klagen, ist ein Behandlungsversuch mit DHEA gerechtfertigt und
indiziert. Eine Zulassung von DHEA des BfArM liegt noch nicht vor. Die Studie
von ArIt, W., et al. (2) wurde von der Firma Jenapharm gesponsert.
Literatur
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AMB1997, 31, 44.
-
ArIt, W., et
al.: N. Engl. J. Med. 1999, 341, 1013.
-
Oelkers, W.: N.
Engl. J. Med. 1999, 341, 1073.
-
Robinzon, B.,
und Cutolo, M.; Rheumatology (Oxf.) 1999, 38, 488.
-
Labrie, F., et
al.: J. Clin. Endocrinol. Metab. 1997, 82, 3498.
-
Wolkowitz, O.M.,
et al.: Am. J. Psychiatry 1999, 156, 646.
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