Ca. 200000
Koronarangioplastien werden jährlich in Deutschland durchgeführt, meistens mit,
oft aber auch ohne strenge Indikation. Den Koronararterien sind die Motive des
Eingriffs egal, sie reagieren stets mit einer Entzündungs- und Heilreaktion.
Das dilatierte Segment neigt nach der Traumatisierung jedoch zur Narbenbildung
und zur Restenose. Dieses Phänomen wird bei ca. 30% der Patienten klinisch
relevant, meist innerhalb des ersten halben Jahres. Besonders Diabetiker, aber
auch bestimmte Familien, leiden verstärkt unter dieser Narbenbildung. Seit
Jahren ist es eine Vision interventioneller Kardiologen, die Bildung dieser
Restenosen ganz zu verhindern. Für dieses Ziel wurden in der Vergangenheit
große Anstrengungen unternommen. Ein erster bedeutsamer Schritt war die
Einführung der Stents Ende der 80er Jahre. Diese machten nicht nur die
Interventionen sicherer, sondern senkten auch die Restenoserate. Eine weitere
Verbesserung der Langzeitergebnisse brachten die ADP-Rezeptor-Blocker
(Ticlopidin, Clopidogrel). Aber mit diesen Mitteln sind die Probleme der
Restenosierung keineswegs gelöst. Einen gewissen Durchbruch brachte die
intrakoronare Bestrahlung. Mit Hilfe dieser Technik konnte die Restenosierung
auch bei problematischen Patienten auf ein sehr niedriges Niveau gesenkt
werden, im übrigen auch mit günstigen klinischen Resultaten (weniger
Herzinfarkte, weniger Reinterventionen, längeres Überleben). Aber diese Methode
ist sehr teuer und kann nur mit erheblichem Aufwand an Gerät und Personal
durchgeführt werden (INHIBIT-Studie = INtimal Hyperplasia Inhibition
with Beta Instent Trial: Lancet 2002, 359, 551).
Eine weitere
Neuerung steht kurz vor der Markteinführung. Es werden nun Stents angeboten,
die auf ihrer Oberfläche eine Polymerschicht tragen. An diese Polymere sind
Medikamente gebunden, die nach einer bestimmbaren Kinetik vom Stent abgegeben
werden ("Drug eluting stents"). Diese Medikamente hemmen lokal die
Intimaproliferation und damit die Restenosierung. Viele Stent-Hersteller haben
intensiv auf diesem Gebiet geforscht, da hier ein großer Markt gesehen wird.
Viele Substanzen, die in den Zellzyklus eingreifen, wurden getestet, teilweise
mit sehr guten Ergebnissen (Rapamycin, Adriamycin u.a.). In der bislang nur als
Abstract bzw. als Kongreßvortrag veröffentlichten RAVEL-Studie (RAndomized
study with the sirolimus-eluting Bx VELocity balloon-expandable stent) wurde ein mit Sirolimus beschichteter Stent bei über
300 Patienten eingelegt (s. Übersichtsarbeit bei Poon, M., et al.: Lancet 2002, 359, 619). In den folgenden 6 Monaten kam es bei keinem Patienten zur
Restenose. Andere Firmen, die ihre Stents mit anderen proliferationshemmenden
Substanzen versehen, sind wohl ähnlich erfolgreich. Wenn dies alles so stimmt,
wie es derzeit publiziert und propagiert wird, dann steht der interventionellen
Kardiologie eine Revolution bevor. Diese Revolution wirkt sich möglicherweise
günstig für Koronarkranke aus, ungünstig aber für das Gesundheitswesen. Die
"Drug eluting stents" werden nämlich sehr teuer sein und die
Sonderentgelte für Ballondilatationen schon fast alleine aufbrauchen. Die
Kardiologen stehen also künftig vor der Frage, wer einen solchen
"Wunder-Stent" erhalten soll und wer nicht. Vielleicht hilft eine
strengere, d.h. generell gesicherte Indikation zur Einlage von Stents aus
diesem Dilemma.
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