Für Diuretika,
Kalziumantagonisten und ACE-Hemmer ist nachgewiesen, daß sie bei leichter bis
mittelschwerer Hypertonie den Blutdruck senken können und damit auch die
Häufigkeit von Herzinfarkt, Herzinsuffizienz und Schlaganfall (1-4).
Vergleichende Untersuchungen zu den einzelnen Substanzen mit überzeugenden
Aussagen zu protektiven Wirkungsunterschieden lagen allerdings nicht vor. Daher
wurde unter Mitwirkung einer zentralen US-amerikanischen Gesundheitsbehörde
(National Heart, Lung and Blood Institute) das Antihypertensive and Lipid
Lowering Treatment to Prevent Heart Attack Trial mit sehr großem Aufwand
geplant und durchgeführt (5). Man ging davon aus, daß eine Überlegenheit der
modernen Antihypertensiva gegenüber dem Diuretikum Chlortalidon bei der
Reduktion der Endpunkte nachzuweisen sein könnte. Das entsprach und entspricht
auch dem Eindruck und dem Verhalten der medizinischen Öffentlichkeit. Aus den
Verordnungszahlen der ACE-Hemmer und anderer neuerer Antihypertensiva geht das
hervor. Es kam aber anders.
In die Studie
wurden 33357 Hypertoniker eingeschlossen, die älter als 54 Jahre waren und
mindestens einen zusätzlichen Risikofaktor hatten (anamnestisch Myokardinfarkt
oder Schlaganfall, linksventrikuläre Hypertrophie im EKG oder
echokardiographisch, Diabetes mellitus Typ 2, Zigarettenrauchen,
HDL-Cholesterin unter 35 mg/dl oder dokumentierte atherosklerotische
Erkrankung).
Nach Randomisierung
wurden 15255 Patienten mit Chlortalidon (Hygroton; 12,5-25 mg/d), 9048
Patienten mit Amlodipin (Norvasc; 2,5-10 mg/d) und 9054 Patienten mit
Lisinopril (Acerbon u.a.; 10-40 mg/d) behandelt. Konnte der Blutdruck damit
nicht normalisiert werden, durfte Reserpin, Atenolol, Clonidin oder Hydralazin
hinzugegeben werden. Ausgeschlossen waren Patienten, die wegen Symptomen einer
Herzinsuffizienz stationär behandelt wurden oder solche mit einer
Auswurffraktion unter 35%.
Primäre Endpunkte
waren tödlicher oder nicht-tödlicher Myokardinfarkt, sekundäre waren
Gesamtletalität, Schlaganfall, alle kardiovaskulären Ereignisse kombiniert,
stationäre Behandlung wegen Angina pectoris, Herzinsuffizienz oder peripherer
arterieller Verschlußkrankheit (PAVK). Die Basischarakteristika in den drei
Gruppen waren praktisch gleich. 30% der Patienten waren Schwarze.
Der systolische
Druck zu Beginn war 146 mmHg, die mittlere Beobachtungsdauer 4,9 Jahre. Die
Blutdruckwerte sanken auf 134 mmHg in der Chlortalidon-Gruppe, auf 135 mmHg in
der Amlodipin-Gruppe und auf 136 mmHg in der Lisinopril-Gruppe (vgl. Tab. 1).
Den Zielblutdruck von < 140/90 mmHg erreichten 68%, 66% bzw. 61% der
Patienten. Beim primären Endpunkt, tödlicher und nicht-tödlicher Herzinfarkt,
ergaben sich keine signifikanten Unterschiede. Signifikante Unterschiede
ergaben sich jedoch bei den sekundären Endpunkten. So traten Schlaganfälle,
Herzinsuffizienz und Angina pectoris in der Lisinopril-Gruppe signifikant
häufiger auf, und in der Amlodipin-Gruppe gab es deutlich mehr Herzinsuffizienz
als unter Chlortalidon (Tab. 1).
Damit haben sich
die Annahmen bei Planung der Studie nicht erfüllt. Man war von einer geringeren
Häufigkeit der Koronaren Herzkrankheit ausgegangen und von einer deutlicheren
Abnahme unter der Therapie, speziell unter den "modernen"
Antihypertensiva.
Chlortalidon hatte
stärkere Stoffwechselwirkungen. Man fand häufiger Hypokaliämie, Anstieg der
Blutzucker- und geringeren Abfall der Cholesterinwerte. Das wirkte sich aber
auf die Endpunkte offenbar nicht aus. Hypertonie ist eben der wichtigere
Risikofaktor. Antihypertensive Zusatztherapie war unter Chlortalidon häufiger
nötig. Es ist erstaunlich und bedauerlich, daß die Blutdruckwerte am Ende der
Beobachtungsphase in den Gruppen nicht gleich, sondern unter Lisinopril 2 mmHg
höher waren als unter Chlortalidon. Damit entsteht der Verdacht, daß das
schlechtere Abschneiden des ACE-Hemmers (signifikant mehr Herzinsuffizienz,
Schlaganfälle und Angina pectoris) auf den etwas höheren Blutdruck in dieser
Behandlungsgruppe zurückzuführen ist. Wenn man allerdings in früheren
Hypertonie-Studien nachsieht, wie viele Endpunkte pro mmHg Blutdrucksenkung
verhindert worden sind, stellt man fest, daß es auch bei gleich stark gesenkten
Blutdruckwerten unter der Therapie nicht zu einer Überlegenheit von Lisinopril
gekommen wäre.
Von interessierten
Seiten werden erwartungsgemäß nun die Grenzen der ALLHAT-Studie herausgestellt.
Es wird darauf hingewiesen, daß es ähnliche Untersuchungen für
Angiotensin-II-Rezeptor-Antagonisten noch gar nicht gibt und daß ACE-Hemmer bei
Schwarzen (30% bei ALLHAT) schlechter wirken (6). Das sind durchsichtige
Ablenkungen von der wesentlichen Botschaft dieser historischen Studie.
Fazit: Diuretika sind
nach wie vor Mittel der ersten Wahl zur Behandlung der arteriellen Hypertonie.
Ärzte, die eine medizinisch und wirtschaftlich rationale Medizin betreiben
wollen, können ihr Budget schonen und trotzdem gleichviele Komplikationen der
Hypertonie verhindern, wenn sie in Zukunft häufiger zuerst Diuretika und
weniger "moderne" Antihypertensiva verordnen.
Literatur
- Sixth Report of the Joint
National Committee. NIH Publication No. 98-4080. Nov. 1997.
- Brown, M.J., et al. (INSIGHT = INternational
Nifedipine GITS Study: Intervention as a Goal in Hypertension
Treatment): Lancet 2000, 356, 366; s.a. AMB 2000, 34, 84.
- Hansson, L., et al. (NORDIL = NORdic DILtiazem):
Lancet 2000, 356, 359; s.a. AMB 2000, 34, 84.
- HOPE (= Heart Outcomes
Prevention Evaluation): N. Engl. J. Med. 2000, 342, 145;
s.a. AMB 2000, 34, 14.
- ALLHAT (= Antihypertensive
and Lipid-Lowering Treatment to Prevent Heart Attack
Trial): JAMA 2002, 288, 2981.
- Düsing, R., et al.:
Dtsch. Med. Wochenschr. 2003, 128, 214.
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