Zwei
nachgewiesenermaßen effektive Therapieformen treiben derzeit die Kosten in der
Kardiologie nach oben: der implantierbare Defibrillator (ICD) zur
Primärprävention des Plötzlichen Herztods und die mit Medikamenten
beschichteten Stents in der Behandlung von Koronarstenosen. Beides sind sehr
teure Therapieverfahren. Es gibt nur einen Grund, warum diese Therapien in
Deutschland noch nicht flächendeckend eingesetzt werden: beide werden nicht
oder nur bei wenigen Indikationen von den gesetzlichen Krankenversicherungen
(GKV) bezahlt. Dies hat jedoch etwas Gutes zur Folge. Die Beteiligten sind
gezwungen, sich weiter inhaltlich mit diesen Therapien auseinanderzusetzen und
über die sinnvollen Indikationen nachzudenken. In anderen europäischen Ländern
wurde diese Diskussion längst ad acta gelegt. Es gibt EU-Länder, in denen
bereits mehrheitlich beschichtete Stents implantiert werden. Nach heutigem
Kenntnisstand sollte es aber in Anbetracht der enormen Mehrkosten nur eine
begrenzte Indikation geben. Etwa 30% der Patienten, die einen Stent erhalten,
bekommen eine Restenose im dilatierten Segment. Gefährdet sind vor allem
Diabetiker und Patienten mit langen Stenosen oder kleinkalibrigen Gefäßen, oder
es kommt zu In-Stent-Restenosen. Für diese Problempatienten wünscht man sich
ein effektiveres Therapieverfahren als die konventionellen Stents. Das heißt,
wir wissen außerhalb von Einzelfallberichten gar nicht so genau, wie gut die
beschichteten Stents bei den Problempatienten funktionieren.
Aktuelle Registerdaten
zeigen, daß die beschichteten Stents in Deutschland ganz überwiegend bei den
Indikationen akutes Koronarsyndrom und Restenose implantiert werden (1). Für
diese Indikationen liegt aber aus den bislang durchgeführten Studien gar keine
hinreichende Evidenz vor, daß medikamentenbeschichtete Stents bessere
Langzeitergebnisse bringen als die konventionellen. Das derzeitige
Implantationsverhalten ist also irrational.
Nach der Einführung
eines mit Rapamycin (Sirolimus) beschichteten Stents (Cypher) vor einem Jahr
wurde nun in diesem Jahr von einem weiteren Hersteller ein mit Paclitaxel
beschichteter Stent (Taxus) auf den deutschen Markt gebracht. In beiden Fällen
handelt es sich um Substanzen, die jeweils in verschiedene Phasen der
Zellteilung eingreifen und dadurch das zelluläre Substrat der Restenose, die
Intimaproliferation, vermindern. Über erste Ergebnisse mit dem Sirolimus-Stent
haben wir berichtet (2). Ohne Zweifel gibt es vielversprechende Daten zu den
beschichteten Stents (s. Tab. 1). Es kann davon ausgegangen werden, daß die
Restenoserate der konventionellen Metall-Stents von derzeit 20-30% auf 10% und
weniger zu senken ist. Dies bedeutet nach heutigem Wissen aber nur weniger
Reinterventionen, nicht gleichzeitig eine Senkung der Sterblichkeit, denn die
Arteriosklerose an den nicht behandelten Gefäßabschnitten geht - unbeeinflußt
vom beschichteten Stent - weiter.
Um weiter Wasser in
den süßen Wein der beschichteten Stents zu gießen, berichten wir über eine
asiatische Multizenterstudie, in der die Effektivität eines mit Paclitaxel
beschichteten Stents gegen einen konventionellen Metall-Stent geprüft wurde
(4). Hierzu wurden 176 Patienten mit symptomatischer Koronarer Herzkrankheit
(KHK) randomisiert. Wie in den meisten Studien handelte es sich um Patienten
mit geringem Restenose-Risiko: nur 20% Diabetiker, Stenoselänge unter 16 mm,
keine Angulationen > 45° usw. Es wurden drei Gruppen gebildet:
unbeschichteter Stent (n = 59) und zwei Paclitaxel-Stent-Gruppen mit zwei
unterschiedlichen Paclitaxel-Dosierungen (n = 59 bzw. 58). Nach der
Intervention erhielten die Patienten ASS und einen ADP-Rezeptor-Antagonisten
(Clopidogrel oder Ticlopidin). Es folgte eine klinische Nachbeobachtung nach
einem und nach 4-6 Monaten. Eine Reangiographie erfolgte nach 4-6 Monaten.
Durch dieses kurze Nachbeobachtungsintervall entstand vermutlich ein
"Bias" zu Gunsten der beschichteten Stents, da bei diesen Stents mit
einer verzögerten Bildung von Restenosen gerechnet werden muß.
Primärer Endpunkt
war das Ausmaß der Restenose zum Zeitpunkt der Reangiographie. In den beiden
Paclitaxel-Stent-Gruppen wurde dosisabhängig ein signifikant geringerer
Restenoseanteil gemessen (sog. ”Late-Loss”, also Verlust von Gefäßlumen im
Vergleich zum primären Interventionsergebnis: 0,29 mm bzw. 0,57 mm vs. 1mm: p
< 0,001). Klinisch wirkte sich dieses Ergebnis allerdings nicht aus. Im
Gegenteil: Nach 6 Monaten waren in der konventionellen Stent-Gruppe 95%
ereignisfrei, in den Taxol-Gruppen dagegen nur 90% bzw. 93%. Ursächlich hierfür
waren etwas gehäuft vorkommende subakute Stent-Thrombosen in den
Paclitaxel-Stent-Gruppen. Diese Studie belegt, daß über den Einsatz
beschichteter Stents noch intensiver nachgedacht werden muß
Fazit: Die beschichteten
Stents sind ein Fortschritt. Ihre Vor- und Nachteile müssen vor einem
flächendeckenden Einsatz aber erst noch in weiteren Studien evaluiert werden.
Ihr Einsatz bei unproblematischen Stenosen sollte primär nach
pharmakoökonomischen Kriterien und somit ganz zurückhaltend erfolgen. Ob sie
auch bei Problempatienten, wie Diabetikern und Patienten mit Restenosen,
halten, was die Hersteller versprechen, müssen künftige Studien zeigen.
Literatur
- Hamm, C., et al.: Z.
Kardiol. 2003, Suppl. 1, V1.
- Morice, M.-C., et al. (RAVEL = RAndomized
study with the sirolimus-eluting Bx VELocity balloon-expandable stent): N. Engl. J. Med. 2002, 346, 1773; s.a. AMB 2002, 36, 20.
- SIRIUS: www.fda.gov/ohrms/dockets/ac/02/slides/390551-02-sponsor.pdf
- Park, S.-J., et al. (ASPECT = ASian Paclitaxel-Eluting
Stent Clinical Trial): N. Engl. J. Med.
2003, 348, 1537.
- DELIVER: www.medscape.com/viewarticle/452024
- TAXUS II SR: www.medscape.com/viewarticle/442693
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