Im Internet werden Wachstumshormon,
”Wachstumshormone” und andere Wachstumsfaktoren als ”Anti-Aging”-Medikamente
heftig beworben. Hierzu hat sich kürzlich eine Expertin auf diesem Gebiet, M.L.
Vance aus Charlotteville, USA, im N. Engl. J. Med. geäußert (1). Eine
unumstrittene Indikation für die Behandlung mit rekombinantem humanem
Wachstumshormon (STH) ist der höhergradige Mangel dieses Hormons bei Kindern
mit hypothalamisch-hypophysären Störungen (Übersicht bei 2). In höheren Dosen
können auch andere Formen von Kleinwuchs (z.B. Turner-Syndrom,
Prader-Willi-Labhart-Syndrom) gut auf STH (immer s.c. zu injizieren)
ansprechen. Nach Abschluß des Längenwachstums hat STH auch bei Erwachsenen mit
echtem STH-Mangel bei hypothalamisch-hypophysären Erkrankungen positive
Wirkungen, und die Krankenkassen übernehmen bei ausreichender Begründung die
Kosten.
Der Blutspiegel von STH nimmt bei Gesunden, ähnlich
wie der von Dehydroepiandrosteron (DHEA; s.a. 3), mit zunehmendem Alter ab.
Dies ist aber kein ausreichender Grund für die ”Substitution” dieser Hormone.
Eine erste Studie von Rudman et al. hatte zwar gezeigt, daß bei 12 gesunden
Männern im Alter von 61 bis 81 Jahren mit altersgemäß niedrigen STH- und
IGF-I-Konzentrationen im Serum (IGF I = Insulin-like Growth Factor I wird unter
Einfluß von STH in der Leber gebildet und vermittelt viele STH-Funktionen)
unter STH-Therapie für 6 Monate die fettfreie Körpermasse (überwiegend
Muskulatur) zunimmt, während die Fettmasse abnimmt (4). Spätere Studien zeigten
jedoch, daß hiermit die Funktion der Muskulatur nicht verbessert wird. Hingegen
nimmt die Muskelkraft - auch bei alten Menschen - nach einem Trainingsprogramm
zu und zwar unabhängig davon, ob das Training parallel mit einer
STH-Injektionstherapie kombiniert wird (5).
In den ersten Studien zur STH-Therapie bei alten
Menschen zeigte sich, daß mit Hormondosen, wie sie bei jüngeren Menschen mit
echtem STH-Mangel angewandt werden, häufig Nebenwirkungen (Ödeme und
Gelenkschmerzen) auftreten. D.h. alte Menschen reagieren sehr empfindlich auf
STH, so daß die niedrigen Serum-Konzentrationen des Hormons offenbar
altersadäquat sind. Grundsätzlich können STH und IGF I Tumorwachstum fördern.
Ältere Männer mit relativ hohen IGF-I-Werten im Serum (obere Quartile) haben
ein ca. vierfach erhöhtes Risiko, in den nächsten Jahren ein Prostata-Karzinom
zu entwickeln als gleich alte Männer mit IGF-I-Werten in der unteren Quartile
(6). STH hat also keinen Platz in der ”Anti-Aging”-Szene. Die Therapie
beinhaltet Risiken und entzieht dem Gesundheitssystem wertvolle Ressourcen, da
die Behandlung 7500 bis 10000 US-Dollar pro Jahr kostet. Frau Vance schätzt,
daß ein Drittel aller STH-Verordnungen in den USA für diese Nicht-Indikation
erfolgt. Noch abenteuerlicher ist die Bewerbung von oral oder inhalativ zu
verabfolgendem STH, da ja vielleicht mancher ”Anti-Aging”-Kandidat die tägliche
s.c. Injektion scheut. Es versteht sich von selbst, daß oral zugeführtes STH
den Weg aller Proteine nimmt, d.h. es wird vor der Resorption in Aminosäuren
zerlegt. Weiterhin werden im Internet oral einzunehmende verzweigtkettige
Aminosäuren beworben, die in Analogie zu einer Argininlösung i.v. die
STH-Sekretion fördern sollen. Dieser Effekt ist höchst zweifelhaft, und, wie
Frau Vance schreibt, besser durch ein oral zugeführtes Steak zu ersetzen.
Fazit:
Wachstumshormon oder andere Wuchsfaktoren haben keinen Platz im Bemühen, die
Kondition älterer Menschen zu verbessern. Sie können körperliche Bewegung und
Training nicht ersetzen und fördern möglicherweise das Tumorwachstum.
Literatur
-
Vance, M.L.: N. Engl.
J. Med. 2003, 348, 779.
-
AMB 1999, 33, 57.
-
AMB 1997, 31, 44.
-
Rudman, D., et al.: N.
Engl. J. Med. 1990, 323, 1.
-
Taaffe, D.R., et al.: J.
Clin. Endocrinol. Metab. 1994, 79, 1361.
-
Chan, J.M., et al.:
Science 1998, 279, 563.
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