Vitamine mit Antioxidans-Eigenschaften können
theoretisch oxidative kanzerogene Mechanismen antagonisieren. Menschen, die
viel Gemüse und Früchte essen, haben nach einigen Studien weniger Karzinome,
auch im Gastrointestinal(GI)-Trakt, als solche, die viel tierische Proteine und
Fette zu sich nehmen (1, 2). Die Hypothese, daß der positive Effekt
vegetarischer Nahrung nur oder überwiegend auf den Vitamingehalt zurückzuführen
sei, erscheint aber zu kurz gegriffen. Vitamin- und Antioxidans-Supplemente müssen
nicht den gleichen protektiven Effekt haben. Eine Kombination aus Betacaroten
und Vitamin A führte hinsichtlich Bronchialkarzinomen sogar zu erhöhter Inzidenz
und Letalität im Vergleich mit Plazebo (3, 4).
G. Bjelakovic et al. aus Dänemark und Italien (5) überprüften
jetzt in einem Review mit Metaanalysen den Effekt verschiedener Antioxidanzien
bzw. deren Kombinationen auf Inzidenz von und Letalität durch GI-Karzinome. Von
197 bereits hinsichtlich Doppelpublikationen etc. bereinigten Referenzen eigneten
sich am Ende nur 14 plazebokontrollierte Studien von 1-12 Jahren
Interventionsdauer mit akzeptabler Methodologie nach den Cochrane-Kriterien zur
Auswertung. Von diesen wiederum wurde nur die Hälfte für methodisch hochwertig gehalten.
Die Studien betrafen zusammen 170525 Personen.
Die Metaanalysen wurden nach der Methode „Fixed
effect” und „Random effect” durchgeführt. Weder die eine noch die andere
Methode ergab für Betacaroten, Vitamine A, C, E und Selen allein oder in
Kombination, einen signifikanten Effekt auf die Inzidenz von Ösophagus-,
Magen-, Pankreas-, Leber- und kolorektalen Karzinomen. In den sieben Studien
mit hoher methodischer Qualität und mit 131727 Probanden war nach einem
statistischen Modell die Letalität an Karzinomen signifikant, wenn auch gering,
erhöht (RR: 1,06; CI: 1,02-1,10), nicht aber nach einem anderen Modell (RR:
1,06; CI: 0,98-1,15). Kombinationen von Betacaroten mit Vitamin A oder Vitamin
E erhöhten die Letalität, nicht aber Betacaroten allein. In vier Studien mit
Selen als alleinigem Antioxidans (davon drei mit relativ schlechter
Methodologie) und 6077 Teilnehmern senkte Selen im Vergleich mit Plazebo
signifikant die Inzidenz von GI-Tumoren (RR: 0,49; CI: 0,36-0,67). In der
Selen-Studie mit hoher Qualität und 1312 Teilnehmern war das RR = 0,46 (CI:
0,23-0,94). Die Berechnung beruht auf 12 versus 24 Karzinomen in den Selen-
bzw. Plazebo-Gruppen. Dieser Effekt sollte in größeren randomisierten Studien
untersucht werden.
Die Autoren weisen darauf hin, daß viele Studien mit
sehr hohen Vitamindosen (dem Vielfachen der empfohlenen Menge pro Tag)
durchgeführt wurden und daß manche Antioxidanzien in hoher Dosierung auch
pro-oxidative und die Apoptose hemmende Eigenschaften (z.B. an Tumorzellen) haben
können. Bei Interventionsstudien mit relativ kurzer Dauer bedürfe es einer sehr
großen Teilnehmerzahl, um eine ausreichende statistische „Power” hinsichtlich
möglicherweise unterschiedlicher Inzidenz von oder Letalität an Karzinomen zu
erreichen.
Fazit:
Besonders die Kombination von Betacaroten mit Vitamin A oder E in hoher
Dosierung könnte das Risiko für GI-Tumore erhöhen. Auf der Titelseite des Lancet-Heftes mit diesem Artikel
steht: „The prospect that vitamin pills may not only do no good but also kill
their consumers is a scary speculation given the vast quantities that are used
in certain communities”.
Literatur
-
Michels, K.B., et al.:
J. Natl. Cancer Inst. 2000, 92, 1740.
-
Botterweck, A.A., et
al.: Am. J. Epidemiol. 1998, 148, 842.
-
Omenn, G.S., et al. (CARET = Beta-Carotene And Retinol
Efficacy Trial): N. Engl. J. Med. 1996, 334, 1150; s.a.
AMB 2003, 37, 70b.
-
ATBC = Alpha-Tocopherol,
Beta Caroten cancer prevention study group: N. Engl. J. Med.
1994, 330, 1029; s.a. AMB 2003, 37, 70b und 1996, 30, 53.
-
Bjelakovic, G.: Lancet
2004, 364, 1219.
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