In den USA konnten kürzlich fast 50 Millionen Dosen
Grippeimpfstoff wegen Kontamination bei der Herstellung nicht für die Anwendung
freigegeben werden, weshalb im Ausland, auch in Deutschland, Impfstoff eingekauft
werden muß. Im N. Engl. J. Med. erschienen jetzt zwei Artikel, die zeigen, daß
man bei intradermaler Injektion des trivalenten Grippeimpfstoffs möglicherweise
bis zu 80% der Impfstoffmenge einsparen kann.
Belshe et al. aus St. Louis (1) immunisierten je 119 Personen
ab 18 Jahre entweder mit 0,5 ml der Vakzine (15 µg Hämagglutinin) i.m. bzw. mit
0,2 ml (6 µg Hämagglutinin) intradermal. Personen zwischen 18 und 60 Jahren Alter
hatten nach beiden Injektionsarten eine starke Immunantwort gegen Antigene
aller drei Virustypen mit Titeranstiegen auf mindestens 1:40. Ältere Probanden
reagierten annähernd gleich gut nach beiden Injektionsarten mit der Bildung von
Antikörpern gegen Virustyp A (H1N1) und B (Hong Kong) und etwas schwächer nach
intradermaler als nach intramuskulärer Injektion gegen Typ A (H3N2).
Kenney et al. aus Gaithersburg, USA (2),
immunisierten randomisiert 100 gesunde Erwachsene im Alter von 18-40 Jahren
entweder mit 0,5 ml Impfstoff (mindestens 15 µg Hämagglutinin) intramuskulär
oder mit 0,1 ml Impfstoff (3 µg Hämagglutinin) intradermal, beides in der Region
des M. deltoideus. Nach 21 und 42 Tagen waren die Antikörper-Titer gegen Typ A
(H1N1 und H3N2) tendenziell nach intradermaler Injektion gleich oder etwas stärker
angestiegen als nach i.m. Injektion, während die Immunantwort gegen den Stamm B
nach i.m. Injektion etwas stärker war als nach intradermaler Gabe. Insgesamt
wurden die Applikationswege, gemessen an der Immunantwort, als gleichwertig
bezeichnet. Vor einer breiten klinischen Anwendung seien aber Präventionsstudien
zur Grippe erforderlich.
La Montagne und Fauci vom National Institute of
Health in Bethesda (3) kommentieren diese Befunde sehr erfreut und halten es
für wahrscheinlich, daß insbesondere junge Erwachsene im Gesundheitsdienst, für
die eine Grippeimpfung empfohlen wird, mit der intradermalen Methode
immunisiert werden könnten. Aber auch alte Menschen, deren Immunsystem nicht
immer so prompt auf Impfungen reagiert, die aber in viel größerer Zahl eine
Grippeimpfung benötigen, könnten bei Knappheit des Impfstoffs von einer
intradermalen Impfung profitieren. Alle Autoren halten es für wahrscheinlich,
daß die Überlegenheit der intradermalen verglichen mit der i.m. Impfung auf dem
Vorhandensein zahlreicher kutaner dendritischer Zellen beruht, die die
aktivsten Antigen-präsentierenden Zellen des Immunsystems seien. In beiden
Studien waren allerdings die lokalen Beschwerden nach intradermaler Injektion
stärker als nach i.m.-Gabe. Diese UAW wurde jedoch nicht als gravierend
beurteilt.
Fazit: Not
macht erfinderisch. Auch wenn man die quasi gleichen Anstiege der
Antikörper-Titer nach Injektion einer kleineren Menge Grippeimpfstoff
intradermal verglichen mit einer größeren Menge i.m. zunächst als „Surrogat-Parameter”
werten muß, ist es wahrscheinlich, daß sich mit der intradermalen Impfung sehr
viel Vakzine einsparen läßt.
Literatur
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Belshe, R.B., et al.: N. Engl. J.
Med. 2004, 351, 2286.
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Kenney, R.T., et al.: N.
Engl. J. Med. 2004, 351, 2295.
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La Montagne, J.R., und
Fauci, A.S.: N. Engl. J. Med. 2004, 351, 2330.
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