Vorhofflimmern, chronisch wie intermittierend, ist
mit einem hohen Schlaganfallrisiko verbunden. Dieses Risiko kann durch eine
orale Antikoagulation (OAK) deutlich gesenkt werden. Daher ist die
„Low-dose-OAK” (INR: 2-3) heute eine Klasse-I-Indikation bei Vorhofflimmern
(vgl. 1).
Die OAK ist allerdings mit einigen Problemen im
praktischen Alltag behaftet. So muss die INR regelmäßig bestimmt werden, um eine
zu starke Antikoagulation zu erkennen bzw. zu vermeiden. Unter zu hohen
INR-Werten treten viele, zum Teil desaströse Blutungskomplikationen auf.
Andererseits sind aber auch viele Patienten nicht ausreichend antikoaguliert.
Es gibt Untersuchungen, wonach sich nur die Hälfte der kontrollierten Patienten
innerhalb des therapeutisch wirksamen INR-Bereichs befinden. Die Einstellung
der Blutgerinnung lässt sich mit der Selbstmessung der INR durch die Patienten
verbessern. Es kommen aber nicht alle Patienten für diese Kontrollmethode in
Frage, weil sie bestimmte manuelle und intellektuelle Fähigkeiten erfordert,
die bei einem großen Teil der Betroffenen wegen Alter und/oder Komorbidität
nicht mehr vorhanden sind.
Eine teure Alternative zu den Vitamin-K-Antagonisten
bei pflegebedürftigen oder sturzgefährdeten Patienten ist die parenterale
Heparin-Dauertherapie. Sie ist jedoch aufgrund ihrer UAW (Osteoporose,
heparininduzierte Thrombopenie) ebenfalls problematisch. Neuerdings wird bei
Patienten mit Kontraindikationen für eine Antikoagulation sogar ein operativer
Verschluss des linken Herzohres mit einem transkutanen System diskutiert. Für
solche komplexen Systeme wird es aber nur wenige Indikation geben.
Eine neue Alternative ist das oral einzunehmende
Ximelagatran (Exanta®). Dieser direkte Thrombininhibitor wird in
einer fixen, gewichtsadaptierten Dosis verabreicht, und es wird angeblich keine
Kontrolle der Gerinnungswerte benötigt. Ein bekanntes Problem mit dieser
Substanz sind allerdings Transaminasenerhöhungen bei bis zu 5% der Patienten
(vgl. 2). Außerdem ist die Substanz sehr teuer: eine Tablette kostet > 3
EUR. Ximelagatran ist im Juni 2004 europaweit (außer in England und Irland) zur
kurzzeitigen Thromboembolie-Prophylaxe nach elektivem Hüft- und
Kniegelenkersatz zugelassen worden.
In der SPORTIF-V-Studie (3) wurden multizentrisch
3922 Patienten in Nordamerika randomisiert. Sie hatten alle permanentes oder
paroxysmales Vorhofflimmern und einen zusätzlichen Risikofaktor (systolische
oder diastolische Herzinsuffizienz, Alter > 75 Jahre, Alter > 65 Jahre
plus KHK oder Diabetes). Bei den eingeschlossenen Patienten fiel besonders auf,
dass 42% 75 Jahre oder älter waren (im Mittel 72 Jahre), ihr mittleres Gewicht
90 kg betrug und dass im Median 12 weitere Medikamente eingenommen wurden.
Die Randomisierung erfolgte 1:1 zur oralen
Antikoagulation mit Warfarin (Ziel-INR: 2-3) oder zu zweimal einer Tablette
Ximelagatran (zweimal 36 mg/d). Um das doppeltblinde Design nicht zu stören,
wurde allen Patienten mindestens einmal monatlich Blut entnommen zur Bestimmung
der Blutungszeit. Den Ximelagatran-Patienten und ihren Ärzten wurden
variierende Schein-INR-Werte mitgeteilt.
Primärer Studienendpunkt war Schlaganfall oder
systemische Embolie. Sekundäre Endpunkte waren verschiedene kombinierte
Endpunkte, die auch Herzinfarkt, TIA und Blutungen einschlossen. Die
Nachbeobachtung sollte für jeden eingeschlossenen Patienten mindestens 12
Monate betragen, im Median betrug sie 20 Monate. 35% nahmen die
Studienmedikation nicht bis zum Ende ein, 33% in der Warfarin-Gruppe, 37% in
der Ximelagatran-Gruppe. Die Gründe waren das Erreichen eines Endpunkts oder
UAW oder Wunsch des Patienten.
Die Studienergebnisse pro Jahr sind in Tab. 1
wiedergegeben. Es zeigte sich, dass Ximelagatran in der Prävention eines
Schlaganfalls dem Warfarin unter dem Szenario einer regelmäßigen INR-Kontrolle
nicht unterlegen war. Weiterhin erwies sich Ximelagatran hinsichtlich kleinerer
Blutungskomplikationen als etwas sicherer. Bei 20/84 Patienten mit großer
Blutung unter Warfarin lag die INR zum Zeitpunkt der Blutung > 3. Wie
schwierig die Einstellung mit Warfarin war, zeigt die Tatsache, dass bei 20%
der Patienten die mittlere INR < 2 lag und bei 12% > 3, d.h. nur bei 68%
lag sie (unter Studienbedingungen!) im Zielbereich.
In der Ximelagatran-Gruppe trat bei 117 Patienten
(6%) eine mehr als dreifache Erhöhung der Transaminasen auf, typischerweise
nach 2-6 Monaten. In den meisten Fällen war sie nach Absetzen des Medikaments
reversibel. Bedenklich ist, dass immerhin zwei dieser Patienten mit den Zeichen
einer schweren Hepatitis an einer gastrointestinalen Blutung starben; ein
Zusammenhang ist hier möglich.
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte
(BfArM; 4) und die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ)
haben schon im Januar 2005 auf die schweren Leberfunktionsstörungen unter
Ximelagatran hingewiesen und dringend um Meldungen auf den üblichen
Berichtsbögen gebeten.
Fazit: Ximelagatran
oral könnte bei Vorhofflimmern eine (teure) Alternative zur OAK mit
Vitamin-K-Antagonisten bzw. Heparin sein, wenn diese aus Gründen der
Unverträglichkeit nicht in Betracht kommen. Nach der SPORTIF-V-Studie ist es
gleich wirksam wie Warfarin. Es muß jedoch bei 6% der Patienten mit einem
kritischen Anstieg der Transaminasen gerechnet werden, dessen Bedeutung noch
nicht ganz klar ist und der potenziell tödlich verlaufen kann. Daher muss eine
Verordnung mit regelmäßigen Kontrollen der Transaminasen verknüpft werden.
Literatur
-
AMB 1997, 31, 30.
-
AMB 2003, 37, 4.
-
Albers, G.W., et al.
(SPORTIF V = Stroke Prevention using ORal Thrombin Inhibitor
in atrial Fibrillation V): JAMA 2005, 293, 690.
-
BfArM
Arzneimittelschnellinformation 20.1.2005.
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