Zuammenfassung: Die drei bisher publizierten
randomisierten klinischen Studien zur sequenziellen adjuvanten Therapie über
fünf Jahre (d.h. 2-3 Jahre Tamoxifen, danach Wechsel auf einen Aromatasehemmer
bzw. weiterhin Tamoxifen) zeigen übereinstimmend eine Verlängerung des
erkrankungsfreien Überlebens zu Gunsten von Exemestan bzw. Anastrozol, jedoch
keine signifikanten Unterschiede im Gesamtüberleben. Aufgrund dieser Ergebnisse
bei postmenopausalen Frauen mit Hormonrezeptor-positivem, invasivem
Mammakarzinom sollte nach 2-3 Jahren Tamoxifen über die eventuelle Fortsetzung
der adjuvanten Therapie mit Exemestan (25 mg/d) oder mit Anastrozol (1 mg/d)
zusammen mit den Patientinnen entschieden werden. Sie müssen dabei sorgfältig
über Vor- und Nachteile der Therapie, insbesondere über das höhere
Frakturrisiko, die möglicherweise negative Beeinflussung des Lipidstoffwechsels
und das noch unklare kardiovaskuläre Risiko der Aromatasehemmer informiert
werden. Eine adjuvante Behandlung mit Aromatasehemmern im Rahmen der noch
laufenden klinischen Studien sollte angestrebt werden.
Steroidale (Exemestan = Aromasin®) und
nichtsteroidale Aromatasehemmer (Anastrozol = Arimidex®, Letrozol =
Femara®) der dritten Generation werden seit einigen Jahren
erfolgreich in der Behandlung des fortgeschrittenen Mammakarzinoms bei
postmenopausalen Patientinnen mit Hormonrezeptor-positiven Tumoren eingesetzt.
Sie senken die Östrogenkonzentration im Brustdrüsengewebe und im Blut, indem
sie die Aromatisierung von Präkursoren zu Östrogenen stark hemmen (1). In
randomisierten Studien bei Patientinnen mit fortgeschrittenem Mammakarzinom
waren die Aromatasehemmer dem Östrogen-Antagonisten Tamoxifen, der den
Östrogen-Rezeptor blockiert, überlegen (1, 2).
Inzwischen werden Aromatasehemmer auch in der
adjuvanten Behandlung postmenopausaler Frauen mit Hormonrezeptor-positivem,
invasivem Mammakarzinom eingesetzt. Wir haben bereits ausführlich über die
Ergebnisse der ATAC- und MA17-Studie berichtet. In diesen Studien wurde nach
Operation des Mammakarzinoms 20 mg/d Tamoxifen mit 1 mg/d Anastrozol über fünf
Jahre verglichen (3, 4) bzw. die adjuvante Therapie nach fünf Jahren Tamoxifen
mit Letrozol fortgesetzt und mit Plazebo verglichen (5). In beiden Studien
wurde eine signifikante Verlängerung des erkrankungsfreien, nicht aber des
Gesamtüberlebens durch Gabe der Aromatasehemmer nachgewiesen. Im März 2004 und
in diesem Jahr sind drei randomisierte Phase-III-Studien mit Exemestan bzw.
Anastrozol veröffentlicht worden, die die Wirksamkeit eines Wechsels nach 2-3
Jahren Tamoxifen auf Exemestan bzw. Anastrozol mit der Gabe von Tamoxifen über
fünf Jahre verglichen (6, 7, 8). Diese Studien unterscheiden sich deutlich
hinsichtlich der Zahl und Selektion untersuchter Patientinnen, Art der
Vorbehandlung (adjuvante Chemotherapie), prognostischer Faktoren (z.B.
Prozentsatz nodal-positiver Frauen) und medianer Beobachtungsdauer (s. Tab. 1).
Da inzwischen beide Aromatasehemmer für die adjuvante Behandlung
postmenopausaler Patientinnen mit Hormonrezeptor-positivem, invasivem
Mammakarzinom in Deutschland zugelassen sind (Anastrozol ohne Einschränkung,
Exemestan nach 2-3 Jahren Tamoxifen) und von den Herstellern (Aromasin®:
Pharmacia, Arimidex®: AstraZeneca) massiv, z.T. auch mit unseriösen
Argumenten, beworben werden, möchten wir im Folgenden kurz diese drei Studien
besprechen. Wir haben uns dabei auf die Ergebnisse konzentriert, die für eine
unabhängige Aufklärung der Patientinnen über Nutzen, aber auch über mögliche
Risiken der Aromatasehemmer im Vergleich zu Tamoxifen von Bedeutung sind.
In der bisher größten, doppeltblinden,
randomisierten, multizentrischen IES-Studie zum Wechsel auf einen
Aromatasehemmer nach 2-3 Jahren Tamoxifen (Sponsor: Pfizer) wurden 2380
Patientinnen weiter mit Tamoxifen (20 mg/d) und 2362 Patientinnen mit Exemestan
(25 mg/d) behandelt (6). Primärer Endpunkt war das erkrankungsfreie Überleben
(Zeit von Randomisation bis zum Rezidiv des Mammakarzinoms, unabhängig von der
Lokalisation, Auftreten eines Mammakarzinoms in der kontralateralen Brust, oder
Tod, unabhängig von der Ursache). Das erkrankungsfreie Überleben drei Jahre
nach Randomisation lag bei 91,5% in der Exemestan- und bei 86,8% in der
Tamoxifen-Gruppe (Hazard-Ratio zu Gunsten der Exemestan-Gruppe 0,68;
Konfidenzintervall 0,56-0,82; p = 0,00005). Das Gesamtüberleben unterschied
sich nicht signifikant (93 Todesfälle in der Exemestan- und 106 in der
Tamoxifen-Gruppe). Gynäkologische Symptome, vaginale Blutungen, Muskelkrämpfe
und thromboembolische Ereignisse traten signifikant häufiger in der Tamoxifen-,
Sehstörungen, Osteoporose, Arthralgien und Diarrhö signifikant häufiger in der
Exemestan-Gruppe auf. Frakturen wurden häufiger (p = 0,08) unter Exemestan (72
Patientinnen; 3,1%) als unter Tamoxifen (53 Patientinnen; 2,3%) beobachtet. Die
Compliance war in beiden Therapiegruppen etwa gleich: 365 bzw. 302 Frauen
beendeten vorzeitig die Behandlung mit Exemestan bzw. Tamoxifen.
In der kleinen, offenen, randomisierten,
multizentrischen ITA-Studie aus Italien (Sponsor: AstraZeneca) wurden nach 2-3
Jahren Tamoxifen 225 Patientinnen weiter mit 20 mg/d Tamoxifen und 223
Patientinnen mit 1 mg/d Anastrozol behandelt (7). Diese Studie wurde nach einer
Zwischenanalyse von 426 auswertbaren Patientinnen vorzeitig beendet, da ein
signifikanter Unterschied im rezidivfreien Überleben (definiert als lokoregionäre
und entfernte Rezidive; kontralaterale Mammakarzinome wurden nicht
berücksichtigt), zugunsten Anastrozol (12 versus 32 Ereignisse nach medianer
Beobachtungsdauer von 36 Monaten; p = 0,001) nachweisbar war. Auch das
ereignisfreie Überleben war nach Anastrozol signifikant länger als nach
Tamoxifen. Demgegenüber unterschieden sich das Metastasen-freie Überleben und
das Gesamtüberleben nicht signifikant. Unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW)
wie gastrointestinale Symptome und Beeinflussung des Lipidstoffwechsels
(Anstieg der Serum-Cholesterinwerte) traten signifikant häufiger unter
Anastrozol, gynäkologische Symptome, einschließlich Endometriumkarzinome,
signifikant häufiger unter Tamoxifen auf. Frakturen und muskuloskelettale
Beschwerden unterschieden sich nicht signifikant; allerdings sind die Angaben
zu den UAW in dieser Studie wenig detailliert. Etwa 4% der Patientinnen in
beiden Gruppen unterbrachen die Therapie wegen UAW.
In einer weiteren, deutlich größeren, offenen,
randomisierten, multizentrischen Studie, die kürzlich im Lancet erschienen ist,
wurden gemeinsame Ergebnisse der österreichischen ABCSG 8-Studie (Sponsor:
AstraZeneca) und der deutschen ARNO 95-Studie (Sponsor: Astra Zeneca)
publiziert (8). Beide Studien hatten ein ähnliches Design, vergleichbare
Einschlusskriterien und untersuchten ein prognostisch eher günstiges Kollektiv
an Patientinnen. Nach Randomisation (durchgeführt unmittelbar nach Operation in
der ARNO- bzw. innerhalb von zwei Jahren nach Operation in der ABCSG 8-Studie)
erhielten 1606 Patientinnen weiter Tamoxifen (20 oder 30 mg/d) und 1618
Patientinnen Anastrozol (1 mg/d). Primärer Endpunkt war das erkrankungsfreie
Überleben (Zeit von Randomisation bis zum Rezidiv des Mammakarzinoms,
unabhängig von der Lokalisation, oder Auftreten eines Mammakarzinoms in der
kontralateralen Brust). Die mediane Beobachtungsdauer nach initialer Behandlung
mit Tamoxifen betrug 28 Monate. Zum Zeitpunkt der Auswertung der in dieser
Studie mitgeteilten Ergebnisse hatten erst 1766 Patientinnen (55%) die über
fünf Jahre vorgesehene adjuvante Therapie beendet. Das erkrankungsfreie
Überleben drei Jahre nach Randomisation lag bei 95,8% in der Anastrozol- und
bei 92,7% in der Tamoxifen-Gruppe (Hazard-Ratio der kombinierten Analyse 0,60
zugunsten von Anastrozol; Konfidenzintervall 0,44-0,81; p = 0,0009). Das
Gesamtüberleben unterschied sich nach drei Jahren nicht signifikant (45
Todesfälle in der Anastrozol- und 59 in der Tamoxifen-Gruppe). Frakturen traten
unter Anastrozol signifikant häufiger, Thrombosen signifikant seltener auf.
Darüber hinaus fand sich ein Trend (nicht signifikant) zu weniger Embolien und
Endometriumkarzinomen in der Anastrozol-Gruppe. Alle UAW mit Ausnahme der
Frakturen (2% vs. 1%) traten bei < 1% der Patientinnen auf. Angaben zur
Compliance der antihormonellen Therapie finden sich in dieser Publikation
nicht.
Alle drei randomisierten Studien zeigen einen Vorteil im
erkrankungs- bzw. rezidivfreien Überleben (absoluter Vorteil nach drei Jahren
zwischen 3,1% und 4,7%) zugunsten eines Wechsels auf Exemestan bzw. Anastrozol
nach 2-3 Jahren adjuvanter Therapie mit Tamoxifen. Signifikante Unterschiede im
Gesamtüberleben wurden bisher in keiner dieser Studien gefunden. Entsprechend
der unterschiedlichen Wirkungsmechanismen der eingesetzten Arzneimittel -
Tamoxifen verhält sich hinsichtlich Thrombosen, gynäkologischer Wirkungen und
am Knochen wie ein Östrogen, Anastrozol bzw. Exemestan nicht - finden sich z.T.
signifikante Unterschiede in der Inzidenz thromboembolischer Ereignisse, gynäkologischer
Symptome, einschließlich Endometriumkarzinomen, muskuloskelettaler Beschwerden
und Frakturen zuungunsten bzw. zugunsten von Tamoxifen. Verschiedene
experimentelle Befunde (z.B. zeitabhängige Zunahme der Aromataseaktivität in
Mammakarzinomzellen unter Tamoxifen sowie Stimulation von
Wachstumsfaktor-abhängigen Signaltransduktionswegen in Mammakarzinomzellen,
deren Östrogen-Rezeptoren durch Tamoxifen blockiert wurden) sprechen für einen
Wechsel von Tamoxifen auf Aromatasehemmer nach 2-3 Jahren adjuvanter Therapie.
Genaue Kenntnisse über die Wirkungsmechanismen der sequenziellen Therapie
fehlen jedoch (9, 10). Auf die Nachteile der sehr frühzeitigen Publikation der
Ergebnisse zur adjuvanten Therapie mit Aromatasehemmern wird ausführlich in
einem lesenswerten Editorial zur IES-Studie hingewiesen (11).
Die adjuvante Therapie mit Anastrozol bzw. Exemestan ist
ca. fünfzehnfach teurer als mit Tamoxifen.
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