Am 5. Oktober 2006 erschien im N. Engl. J. Med. ein
Editorial mit der Überschrift: A very effective treatment for neovascular
macula degeneration (1). Selten liest man in dieser Zeitschrift eine so
günstige Bewertung. Sie bezog sich auf zwei Therapiestudien, die im selben Heft
veröffentlicht wurden.
In der multizentrischen randomisierten MARINA-Studie
(2) wurden in drei Gruppen 716 Patienten mit altersabhängiger Makuladegeneration
mit Neovaskularisation zwei Jahre lang behandelt und beobachtet. Sie erhielten
entweder 0,3 mg oder 0,5 mg Ranibizumab monatlich intraokulär (intravitreal) injiziert
oder eine entsprechende Scheininjektion. Ranibizumab ist wie Bevacizumab (3)
ein monoklonaler Antikörper gegen den Vascular Endothelial Growth Factor
(VEGF), der in der Lage ist, die Bildung neuer Gefäße zu blockieren. Nach zwölf
Monaten hatte sich bei etwa 95% der Patienten in beiden Verum-Gruppen die
Sehschärfe praktisch nicht verschlechtert, im Vergleich zu nur 62% der
Patienten, die eine Scheininjektion erhielten. Der Unterschied war statistisch
signifikant (p = 0,001). Bei einem Drittel der Patienten besserte sich sogar
der Visus, aber nur bei 5% der Scheininjizierten. Auch dieser Unterschied war
signifikant (p = 0,001). Die Differenzen zwischen den Gruppen waren auch nach
24 Monaten noch ebenso deutlich. Entzündliche Komplikationen (Endophthalmitis)
traten bei 1% der Patienten auf. Die Studie wurde von der Herstellerfirma
Genentech und von Novartis unterstützt.
Auch die zweite Studie (4) kam zu sehr positiven
Ergebnissen. Hier wurde in einer ähnlichen Versuchsanordnung (monatlich eine
intraokuläre Injektion) bei drei Gruppen mit insgesamt 423 Patienten 0,3 mg und
0,5 mg Ranibizumab mit der photodynamischen Therapie unter Verwendung von
Verteporfin (+ Scheininjektion) verglichen. Auch hier verschlechterte sich die
Sehschärfe während der zweijährigen Studiendauer bei etwa 95% der mit
Ranibizumab behandelten Patienten praktisch nicht im Gegensatz zu 64% in der
Verteporfin-Gruppe. Der Unterschied war statistisch signifikant (p = 0,001).
Bei einigen Patienten der Ranibizumab-Gruppe besserte sich auch hier die
Sehschärfe. Bei zwei der insgesamt 140 mit 0,5 mg Ranibizumab behandelten
Patienten kam es zu relevanten entzündlichen Komplikationen.
Im Juni 2006 wurde Ranibizumab von der FDA unter dem
Namen Lucentis® für die USA zugelassen. Lucentis® ist das
erste zugelassene Medikament, das bei dieser Form der Makuladegeneration mit
schlechter Prognose deutlich wirksam ist. Die für eine Injektion notwendige
Menge (0,5 mg) kostet in den USA 1950 $. Bevacizumab ist ein fast identischer
monoklonaler Antikörper, der von derselben Firma (Genentech) hergestellt wird
aber - auch in Europa - zur Behandlung kolorektaler Karzinome geprüft und unter
dem Namen Avastin® zugelassen ist (3). In Pilotstudien wurde auch
Bevacizumab erfolgreich bei der feuchten Makuladegeneration erprobt (5). Für
eine offizielle Zulassung reicht das aber nicht. Die Firma ist an neuerlichen
Zulassungsstudien nicht interessiert, denn der Preis für Lucentis®
ist vielfach höher angesetzt als für Avastin® (400 mg kosten etwa
1500 EUR). In USA hat sich schon eine Versicherungsfirma gefunden, die den Off
label use von Avastin® bei der Makuladegeneration absichert (6).
Auch in Deutschland gibt es entsprechende Überlegungen und Empfehlungen (7). Es
bleibt völlig unerfindlich, warum Lucentis® soviel teurer sein muss
als das schon teure Avastin®.
Fazit: Ranibizumab,
ein monoklonaler Antikörper gegen den Vascular Endothelial Growth Factor, ist
offensichtlich eine neue Therapieoption zur Behandlung der feuchten
Makuladegeneration. Der Preis ist sehr hoch, auch im Vergleich mit dem ähnlichen,
ebenfalls teuren Bevacizumab, das zur Behandlung des Kolonkarzinoms zugelassen
ist.
Literatur
-
Stone, E.M.: N. Engl.
J. Med. 2006, 355, 1493 .
-
Rosenfeld, P.J., et al.
(MARINA = Minimally classic/occult trial of the Anti-VEGF
antibody Ranibizumab In the treatment of Neovascular Age-related
macular degeneration): N. Engl.
J. Med. 2006, 335, 1419 .
-
AMB 2005, 39, 1.
-
Brown, D.M., et al. (ANCOR = Anti-VEGF antibody for the
treatment of predominantly classic chorioidal neovascularisation in age-related
macular degeneration): N. Engl.
J. Med. 2006, 355, 1432 .
-
Bashshur, Z.F., et al.:
Am. J. Ophthalmol. 2006, 142, 1 .
-
Steinbrook, R.: N.
Engl. J. Med. 2006, 355, 1409 .
-
www.aerzteblatt-studieren.de/doc.asp?docid=104054 (5.10.2006)

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