Bei
schwerer Herzinsuffizienz (NYHA 4) und bei dekompensierter hydropischer Leberzirrhose
entwickelt sich oft eine mitunter schwere Hyponatriämie, die durch ein
intrazelluläres Hirnödem zu Krankheitsgefühl, Konfusion und eventuell zu zerebralen
Krampfanfällen führen kann. Die pathophysiologische Ursache ist bei beiden
Krankheiten eine „arterielle Volumen-Unterfüllung” mit Tendenz zur arteriellen
Hypotonie, wodurch die Sekretion von Arginin-Vasopressin (AVP, antidiuretisches
Hormon = ADH) auf nicht-osmotischem Weg stimuliert wird. Durch ähnliche
neuroendokrine Mechanismen werden auch das sympathische Nervensystem und das
Renin-Angiotensin-Aldosteron-System bei diesen Krankheiten stimuliert. Eine schwere
Hyponatriämie kann auch beim „Syndrom der Inappropriaten ADH-Sekretion” (SIADH)
auftreten, z.B. infolge autonomer ektoper Sekretion von AVP durch ein
Bronchialkarzinom.
Bereits
vor mehr als 20 Jahren wurde versucht, mit Peptid-Vasopressin-Analoga die
renalen AVP(Typ 2)-Rezeptoren zu blockieren, was aber nicht gelang, weil die
Antagonisten eine intrinsische agonistische Restaktivität hatten. In den
letzten Jahren wurden durch Screening vieler verschiedener Nicht-Peptid-Verbindungen
an AVP-Rezeptoren drei Substanzen gefunden, die für die klinische Blockade der
renalen AVP-Rezeptoren (Typ 2) gegeignet sind: Tolvaptan und Lixivaptan. Die Substanz
Conivaptan blockiert darüber hinaus zusätzlich die vaskulären AVP-Rezeptoren
vom Typ 1A (1).
Im
N. Engl. J. Med. erschien jetzt ein Bericht über zwei plazebokontrollierte Multicenter-Studien
mit ähnlichem Design, in denen die klinische Effektivität von Tolvaptan bei
insgesamt 223 Patienten mit Hyponatriämie infolge Herzinsuffizienz, Leberzirrhose
oder SIADH 30 Tage lang getestet wurde (2). Die Patienten wurden in Gruppen mit
milder (Gruppe 1) bzw. ausgeprägter (Gruppe 2) Hyponatriämie (Serum-Natrium
130-135 bzw. < 130 mmol/l) unterteilt. Patienten mit psychogener primärer
Polydipsie, Zustand nach Schädelhirn-Trauma, Hypothyreose oder
Nebenniereninsuffizienz, niedrigem zentralen Venendruck und Serum-Kreatinin
> 3,5 mg/dl waren ausgeschlossen. Die Tolvaptan- oder Plazebo-Dosis konnte
in den ersten vier Tagen von 15 auf 60 mg/d erhöht werden, um die
Zielkonzentration des Serum-Natriums (S-Na) von > 135 mmol/l zu erreichen.
Bei zu schnellem Anstieg des S-Na konnte die Medikation reduziert oder pausiert
werden. Die Patienten wurden 1-4 Tage lang stationär, danach ambulant
beobachtet. In Gruppe 2 (schwere Hyponatriämie) waren zusätzlich konventionelle
Therapiemaßnahmen (Flüssigkeitsrestriktion), nicht aber auf die Niere zielende
Medikamente (Demeclozyclin) erlaubt.
In
beiden Gruppen stieg das S-Na bereits ab Tag 2 signifikant stärker unter Verum
als unter Plazebo an. Der stärkste Anstieg zeigte sich in den ersten vier
Tagen. In Gruppe 1 stieg das S-Na von ca. 132 auf 136-137 mmol/l innerhalb weniger
Tage an und blieb mit Plazebo < 135 mmol/l. In der klinisch wichtigeren
Gruppe 2 stieg das S-Na unter Tolvaptan innerhalb von vier Tagen von ca. 126
auf 133-134 mmol/l und später auf 135-136mmol/l an, in der Plazebogruppe viel
langsamer auf ca. 130 mmol/l. In den ersten Tagen war die Diurese unter
Tolvaptan deutlich stärker als unter Plazebo. Die Patienten beurteilten ihren
mentalen und physischen Zustand nach 30 Tagen Therapie mittels Fragebögen. Der
mentale Zustand besserte sich signifikant unter Tolvaptan versus Plazebo, nicht
aber der physische Zustand. Schwere UAW traten nicht häufiger unter Tolvaptan
als unter Plazebo auf. Allerdings hatten acht Patienten der Verum-Gruppe einen
recht niedrigen Blutdruck mit Schwindel bis zur Synkope und einen Anstieg des
Serum-Kreatinins. Die Patienten der Verum-Gruppen hatten häufiger Obstipation, trockenen
Mund und verstärkten Durst. Es gab keinen Hinweis auf eine Tachyphylaxie, d.h.
auf ein Nachlassen der Arzneimittelwirkung innerhalb des Behandlungszeitraums.
Schrier
et al. (2) halten Tolvaptan für ein hilfreiches Medikament, das die Therapiemöglichkeiten
bei euvolämischer und hypervolämischer Hyponatriämie erweitert. Die Patienten
mit oft schwerer Grunderkrankung müssen hinsichtlich Therapieeffekt und UAW
engmaschig überwacht werden. Bei Dauertherapie dürften der starke Durst und
vermehrtes Trinken einen Teil des Behandlungseffekts wieder zunichte machen. In
einem Kommentar von R.M. Hays aus New York (3) wird von dem in den USA für die
intravenöse Anwendung bereits zugelassenen Conivaptan wegen seiner zusätzlichen
blockierenden Wirkung auf die vaskulären AVP (Typ 1)-Rezeptoren evtl. ein noch
günstigerer Effekt als mit Tolvaptan erwartet.
Wir
halten die Vaptane für einen Fortschritt in der Therapie schwerer
symptomatischer Hyponatriämien, besonders bei den reversiblen Formen des SIADH.
Bei Einsatz dieser Medikamente wird es leichter sein, das S-Na mit der
erwünschten Geschwindigkeit (oder Langsamkeit) auf Werte > 120 mmol/l
anzuheben. Oberhalb dieser Natriumkonzentration besteht in der Regel keine
Lebensgefahr mehr. Analog kann bei schwerer Hyponatriämie infolge
Nebennierenrinden-Insuffizienz durch Gabe von Hydrokortison spezifisch eine
Aquarese induziert werden (4). Bei der Therapie der Hyponatriämie bei schwerer,
oft terminaler Herzinsuffizienz oder Leberzirrhose ist nur mit einer
transienten Besserung zu rechnen, jedoch könnte ggf. bei schwerer Hyponatriämie
eine gefährliche Krankheitsphase bis zum Zeitpunkt einer Organtransplantation
überbrückt werden.
Fazit:
Tolvaptan, ein oral wirksamer Vasopressinrezeptor-Antagonist (Typ 2, d.h. renaler),
erwies sich bei leichter und schwerer Hyponatriämie bei Patienten mit
fortgeschrittener Herzinsuffizienz oder Leberzirrhose und bei SIADH als wirksam
im Sinne der Induktion einer Aquarese mit Anstieg des Serum-Natriums. Bei
Fortbestehen der Ursache der Hyponatriämie fällt das Serum-Natrium nach
Absetzen der Substanz allerdings wieder ab.
Literatur
- Greenberg, A.,
und Verbalis, J.G.: Kidney Int. 2006, 69, 2124 .
- Schrier,
R.W., et al. (SALT = Study of Ascending Levels of Tolvaptan in
hyponatremia): N. Engl. J. Med. 2006, 355, 2099 .
- Hays,
R.M.: N. Engl. J. Med. 2006, 355, 2146 .
- Oelkers,
W.: N. Engl. J. Med. 1989, 321, 492 .
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