Nach Einführung der zytologischen Screening-Verfahren
(Papanicolaou-Test) ist die Inzidenz des Zervixkarzinoms nach anfänglichem
Rückgang in den letzten Jahren auch in Deutschland konstant geblieben. Meist
sind jüngere Frauen betroffen. Hat sich ein Zervixkarzinom (invasives Karzinom)
bereits entwickelt, sind die Heilungsaussichten schlecht. Daher ist die Suche
nach weiteren vorbeugenden Maßnahmen neben den regelmäßigen
Vorsorgeuntersuchungen mit zytologischem Screening wichtig. Die Assoziation
zwischen Infektion mit Humanen Papillom-Viren (HPV), die vorwiegend durch
Sexualkontakte erfolgt, und dem Zervixkarzinom ist durch intensive Forschung
gut belegt. Daher erscheint es sinnvoll, Mädchen vor Eintritt in die Phase sexueller
Aktivität gegen diese Viren zu impfen.
Jährlich erkranken in Deutschland etwa 6500 Frauen am
Zervixkarzinom (1). Obwohl in sämtlichen Mitgliedsstaaten der EU zytologische
Screeningprogramme existieren, ist die Zahl der Neuerkrankungen immer noch
relevant. In Deutschland liegt die Inzidenz bei 13,3 und die Zervixkarzinom-Letalität
bei 3,0 je 100000 Frauen pro Jahr (1). Dies entspricht ca. 1800 Todesfällen. Damit
ist das Zervixkarzinom die zweithäufigste Krebstodesursache bei Frauen. Gerade
bei jungen Frauen (Alter zwischen 25 und 35 Jahren), bei denen ein Karzinom
diagnostiziert wird, ist der Anteil an Zervixkarzinomen besonders hoch (1, 2). In
Deutschland überleben nur 67% der Frauen, bei denen ein invasives Zervixkarzinom
diagnostiziert und therapiert wird, die nächsten fünf Jahre (1).
Die Assoziation zwischen chronischer HPV-Infektion
und Zervixkarzinom ist - auch durch Fall-Kontroll-Studien - gut belegt (3, 4, 5,
6). Speziell die HPV-Typen 16 und 18 sind für ca. 70% der Zervixkarzinome
verantwortlich (6). Humane Papillom-Viren spielen nicht nur beim Zervixkarzinom
eine Rolle, sondern auch bei der Entstehung des Vulva- und Vaginakarzinoms sowie
bei Genitalwarzen (Condylomata acuminata).
Es konnte gezeigt werden, dass monovalente (Typ 16),
bivalente (Typen 16 und 18) und quadrivalente (Typen 6, 11, 16 und 18) HPV-Impfstoffe
in mehr als 90% die Infektion verhindern können (7, 8, 9). Für den Erfolg einer
solchen „Anti-Tumor-Vakzinierung” ist jedoch entscheidend, ob der Impfschutz
lange genug anhält (10). Dazu wurde 2006 eine „Follow-up-Studie” (11) zu der
von Harper et al. 2004 publizierten Studie (8) vorgelegt, in der die
Probandinnen bis zu 4,5 Jahren nachverfolgt wurden. Insgesamt konnten 393 von
initial 560 Probandinnen in der Impfgruppe und 383 von ursprünglich 553
Probandinnen in der Plazebo-Gruppe nachuntersucht werden. Die hohe Wirksamkeit und
Sicherheit des Impfstoffs bestätigte sich. Es fanden sich anhaltend hohe
Antikörpertiter gegen beide HPV-Typen (16 und 18) im Blut der geimpften
Probandinnen (in > 98%) bis zum Ende des Beobachtungszeitraums. Die
Impfantwort war in den ersten 12 Monaten gegen die beiden Virustypen sogar 100%.
Eine Probandin aus der Impfgruppe hatte am Ende des Beobachtungszeitraums eine
HPV-16-, keine eine HPV-18-Infektion, dagegen hatten insgesamt 28 Frauen aus
der Plazebo-Gruppe eine HPV-16- oder 18-Infektion (p < 0,0001). In der
geimpften Gruppe traten im Beobachtungszeitraum signifikant weniger
zytologische Veränderungen im Bereich der Zervix auf. Die Plazebo-Gruppe
berichtete über mehr UAW als die geimpfte Gruppe. Insgesamt waren die
Ergebnisse dieser Studie so überzeugend, dass eine Zulassung des Impfstoffs
(Gardasil®, Merck-USA) zunächst durch die Food and Drug
Administration (FDA) in den USA und danach im Jahre 2006 auch in Europa
erfolgte. GlaxoSmithKline geht davon aus, dass auch ihr HPV-Impfstoff (Cervarix®)
demnächst von der FDA zugelassen wird.
Der Impfstoff gegen die HPV-Typen 6, 11, 16, 18 wird
gentechnisch hergestellt. Die produzierten Virus-ähnlichen Partikel tragen
immunogene Epitope, die für die Induktion neutralisierender Antikörper von
Bedeutung sind. Eine Dosis dieses HPV-Impfstoffes (Gardasil®) kostet
allerdings 155,05 EUR, und es werden für die Grundimmunisierung drei Impfungen
innerhalb von sechs Monaten empfohlen. Der Impfstoff ist zugelassen für Frauen
zwischen 16 und 26 Jahren sowie für Mädchen und Jungen (als potenzielle
Virusüberträger) zwischen 9 und 15 Jahren. Als erste Krankenkasse hat die
Techniker Krankenkasse (TK) die Kosten für die HPV-Impfung bei Mädchen zwischen
11 und 18 Jahren übernommen. Die anderen Kassen wollen zunächst die Entscheidung
der Ständigen Impfkommission (STIKO) beim Robert-Koch-Institut abwarten, die
spätestens im Juli 2007 erwartet wird.
In den USA hat die Einführung der Impfpflicht bei
Schülerinnen zwischen 11 und 12 Jahren in Michigan (erster Staat in den USA, der
dieser Empfehlung der Centers for Disease Control and Prevention folgt) zu
Protesten religiöser Gruppen geführt. Diese befürchten, dass die HPV-Impfung
von den jungen Mädchen als Freibrief für sexuelle Aktivität missinterpretiert
werden könnte, und dass das Prinzip der sexuellen Enthaltsamkeit als bester
Schutz vor diesen Erkrankungen ins Wanken gerät (12).
Trotz dieser zum Teil verständlichen gesellschaftlichen
Bedenken halten wir die Impfung zur Karzinomprophylaxe für einen wichtigen medizinischen
Fortschritt. Bei entsprechender Aufklärung über die Vorteile der Impfung und trotz
der weiter bestehenden anderen Infektionsgefahren des Sexualverkehrs, vor denen
dieser Impfstoff nicht schützt, ist die breite Einführung des Impfstoffs
wünschenswert. Die Kosten für den Impfstoff sollten auch von den Kassen
übernommen werden. Auch nach der Einführung dieser HPV-Impfung müssen die
regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen mit zytologischem Screening unbedingt
beibehalten werden. Der jetzt zur Verfügung stehende HPV-Impfstoff schützt zwar
gegen die relevanten HPV-Typen 16 und 18 sowie gegen 6 und 11, aber gegen 120
weitere HPV-Typen induziert die Impfung keine vollständige Kreuzimmunität.
Darüber hinaus beseitigt diese Impfung eine schon etablierte HPV-Infektion
nicht. Das bedeutet, dass Frauen vor der sexuellen Übertragung solcher Viren geimpft
werden müssen.
Die Entwicklung eines Impfstoffs gegen ein onkogenes
Virus, der nun erstmalig großflächig eingesetzt werden kann, ist ein Erfolg
konsequenter wissenschaftlicher Arbeit über mehrere Jahrzehnte. Bei der
Aufklärung der Rolle von HPV in der Entstehung menschlicher Tumoren hat Prof.
Harald zur Hausen eine wesentliche Rolle gespielt. Er hat mit seiner
Arbeitsgruppe das HPV 16 und 18 in Zervixkarzinomen entdeckt (3, 4). Somit
haben deutsche Wissenschaftler einen wesentlichen Anteil an der Entwicklung des
Impfstoffs. Es ist daher völlig unverständlich, warum der Impfstoff in
Deutschland doppelt so teuer ist wie in den USA. Vielleicht sollte die
Bundesregierung hier genauso eingreifen, wie vor wenigen Jahren die
US-Regierung bei der Preisregulierung des deutschen Produkts Ciprofloxacin
während der Zeit der Anthrax-Hysterie.
Fazit: Der
gegen das HPV gerichtete Impfstoff Gardasil® kann das Risiko einer
späteren Erkrankung am Zervixkarzinom verringern. Eine solche Prävention sollte
staatlich - zumindest für junge Mädchen - gefördert und von den Krankenkassen
für die betreffende Zielgruppe bezahlt werden. Trotz dieses Fortschritts muss
bedacht werden, dass der jetzt zugelassene Impfstoff nicht gegen alle HPV-Typen
gerichtet ist, eine schon bestehende HPV-Infektion nicht beseitigt und auch
nicht vor anderen sexuell übertragbaren Infektionen oder anderen Tumorarten
schützt. Deshalb muss die etablierte und bewährte gynäkologische Vorsorge auch
bei HPV-geimpften Frauen beibehalten werden.
Literatur
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