MEDAL steht für Multinational Etoricoxib
and Diclofenac Arthritis Long-term programme. Die Ergebnisse sind im November 2006 im Lancet veröffentlicht
worden (1). Es sollte nachgewiesen werden, dass Etoricoxib nicht häufiger
kardiovaskuläre Nebenwirkungen verursacht als Diclofenac. Wir erinnern uns: Im
September 2004 war Rofecoxib (Vioxx®, Hersteller: Merck) und im
April 2005 Valdecoxib (Bextra®, Hersteller: Pfizer) aus dem Handel
genommen worden wegen thromboembolischer Komplikationen (2, 3). 2004 wurde -
wohl als „Ersatzcoxib” - Etoricoxib (Arcoxia®) auf den Markt
gebracht und erstaunlicher Weise in Deutschland gleich 99000mal verordnet. Aber
auch bei dieser Substanz waren bereits vermehrt thromboembolische Komplikationen
aufgefallen (4). Das MEDAL-Programm soll nun mit dem Verdacht aufräumen, dass
diese UAW für die Coxibe typisch sind. Es soll vielmehr nachgewiesen werden,
dass diese bei Diclofenac, dem weltweit bei Arthrose und Rheumatoider Arthritis
am häufigsten verordneten nichtsteroidalen Antiphlogistikum, ebenso häufig sind
wie bei Etoricoxib. Damit entfiele ein zusätzliches Risiko bei der Therapie mit
Coxiben und ihre Bedeutung wäre wieder aufgewertet, sozusagen reanimiert. Die
US-amerikanische Herstellerfirma Merck war an Design, Monitoring und statistischer
Auswertung des Programms beteiligt. Vier der 12 Autoren sind Angestellte der
Firma, andere haben finanzielle Kontakte.
Das MEDAL-Programm fasst die Ergebnisse der MEDAL-,
der EDGE- und der EDGE-II-Studie zusammen (Etoricoxib versus Diclofenac
Gastrointestinal Tolerability and Effectiveness). Die
EDGE-Studien sind bisher nicht veröffentlicht. Sie unterschieden sich von der
MEDAL-Studie nur wenig in der Häufigkeitsverteilung der Grundkrankheiten
(Arthrose oder Rheumatoide Arthritis) und der angewandten Dosierungen. So kommt
es zu einem insgesamt unübersichtlichen Datensatz.
Zur Methodik: In 1380 Untersuchungszentren in 48 Ländern wurden 34701 Patienten randomisiert
und verblindet in die Untersuchung eingeschlossen und entweder mit täglich 60 mg
oder 90 mg Etoricoxib oder 150 mg Diclofenac über im Mittel 18 Monate
behandelt. Patienten mit nachgewiesener koronarer Herzkrankheit,
Herzinsuffizienz oder peripheren Durchblutungsstörungen (in Deutschland
Kontraindikationen) konnten mit der Empfehlung eingeschlossen werden, ASS und
Protonenpumpen-Hemmer (PI) einzunehmen. PI sollten auch an Patienten über 65
Jahre oder mit erhöhtem Blutungsrisiko gegeben werden. Patienten, die die
Studie vorzeitig beendeten (54%) wurden telefonisch nachverfolgt und die
Ergebnisse mitberücksichtigt. Primärer Endpunkt war die Summe aller arteriellen
und venösen kardiovaskulären Ereignisse, sekundärer Endpunkt die Summe der
Häufigkeit von Herzinfarkt, Schlaganfall und kardiovaskulär bedingtem Tod. Darüber
hinaus wurden die Patienten aufgefordert, über gastrointestinale Komplikationen
zu berichten sowie darüber, ob sich Hypertonie, Ödeme oder Niereninsuffizienz
entwickelten. Auch die Entwicklung der Grundkrankheit (Arthrose, Rheumatoide
Arthritis) wurde abgefragt (Global assessment of disease status).
Ergebnisse:
17412 Patienten wurden mit Etoricoxib behandelt, 17289 mit Diclofenac. Die
Ausgangssituation war in beiden Gruppen identisch. Mittleres Lebensalter 63
Jahre, 74% Frauen, 10% Diabetiker, 47% Hypertoniker, 12% gesicherte
Arteriosklerose, 35% nahmen bereits vor Studienbeginn niedrig dosiert ASS ein.
320 Patienten in der Etoricoxib-Gruppe und 323 in der
Diclofenac-Gruppe hatten thromboembolische Ereignisse (primärer Endpunkt). Das
entspricht einer Ereignisrate von 1,24% bzw. 1,30% pro Jahr. Das relative Risiko
(HR) war 0,95 mit einem 95%-Konfidenzintervall von 0,81-1,11. Komplikationen im
Gastrointestinaltrakt (Perforationen, Blutungen, Ulkus, Ileus) waren seltener
unter Etoricoxib als unter Diclofenac (0,67% vs. 0,97% pro Jahr; HR: 0,69-0,83).
Die Anzahl der „komplizierten” GI-Komplikationen (Perforationen, signifikante
Blutungen, nachgewiesenes Ulkus oder Ileus) waren allerdings in beiden Gruppen
praktisch gleich (0,3% vs. 0,32% pro Jahr).
Diskussion:
In diesem von der Herstellerfirma unterstützten Programm war die Häufigkeit
thromboembolischer Komplikationen in beiden Gruppen praktisch gleich. Das war
nach dem Design des Programms zu erwarten. Auch in früheren Studien waren unter
Coxiben nicht vermehrt thromboembolische Komplikationen beobachtet worden, wenn
als Prophylaxe ASS erlaubt war (5). Es bleibt festzuhalten: Etoricoxib und
Diclofenac unterscheiden sich nicht in der Häufigkeit thromboembolischer
Komplikationen, wenn ihnen mit ASS vorgebeugt wird. Allerdings war in früheren
Studien dann die Blutungsrate höher. Im MEDAL-Programm war eine Prophylaxe mit
PI empfohlen. Die Rate gastrointestinaler Komplikationen war trotzdem unter
Diclofenac höher. Erhielten die Patienten unter Diclofenac vielleicht seltener
PI? Darüber wird nicht berichtet. Im Übrigen war unter 60 mg Etoricoxib die
Entwicklung einer Hypertonie etwas häufiger (2,2%) als unter 150 mg Diclofenac
(1,6%) und Leberfunktionsstörungen seltener (0,3% vs. 1,8%).
Die Profile der UAW sind also insgesamt ähnlich. Von
den Wirkungsunterschieden auf die Grundkrankheiten ist nicht die Rede, obwohl
die Wirkungen erfasst wurden (s.o.). Wären die Unterschiede eklatant, hätten
wir sie sicher schon jetzt erfahren. So müssen wir auf Veröffentlichung und
statistische Analyse der EDGE-Studien warten, bei denen es ja speziell um die
Wirksamkeit geht.
Noch viel weniger wird zum Preis der beiden
Behandlungsstrategien gesagt. Der Preis der Tagesdosis (DDD) Diclofenac ist in
Deutschland etwa 0,5 EUR, der Preis von Etoricoxib aber 1,20 EUR (6).
Zusammenfassend können wir erneut E.J Topol zitieren,
der in einem Lancet-Editorial sagte: „Man kann sich schwer vorstellen, wodurch
die außerordentlich gute Annahme der Coxibe gerechtfertigt ist” (7). Aber die
aufwändige Werbung für Etoricoxib zeigt Wirkung. Im Jahre 2005 wurden bereits 21,2
Mio. Tagedosen verkauft. Das bedeutet einen Zuwachs von 398% gegenüber dem Vorjahr,
in dem es zugelassen wurde (6). Jetzt wird zusätzlich das MEDAL-Programm in die
Werbung eingebracht z.B. in einem Univadis-online-Vortrag von Prof. Klaus Krüger
am Montag, dem 4.12.2006: „Das MEDAL-Programm - Neue Horizonte in der Therapie
von Gelenkerkrankungen”. Auf den Vortrag wurde über eine E-mail-Aussendung von
DocCheck am 30.11.2006 aufmerksam gemacht. Der Referent hatte bereits früher
anlässlich eines von MSD Sharp & Dohme (Pharmazeutischer Unternehmer von
Arcoxia®) unterstützten Symposions auf die besonderen Vorzüge dieses
Präparats hingewiesen (8). Wir sehen allerdings nach der Lektüre von MEDAL
keine neuen Horizonte für die Therapie der Gelenkerkrankungen. Auch die
Marketing-Strategie ist nicht neu: Schönfärberei vom Studiendesign bis zur
„Fortbildungsveranstaltung” - from bench to bedside.
Auch der Verfasser des Editorials in der gleichen
Nummer des Lancet ist skeptisch (9). In der Wahl von Diclofenac als
Vergleichspräparat sieht der Autor das Bemühen, Etoricoxib günstig aussehen zu
lassen. Unter Naproxen und Ibuprofen z.B. sei das Thromboembolie-Risiko bekanntermaßen
niedriger als unter Diclofenac. Hätte man diese Substanzen als Vergleichspräparate
gewählt, wäre das erhöhte Risiko von Etoricoxib deutlich geworden.
Fazit: Das
MEDAL-Programm (1) zeigt nach unserer Meinung insgesamt zwar keinen Nachteil
aber auch keinen Vorteil von Etoricoxib im Vergleich mit Diclofenac bei der
Therapie chronischer Gelenkkrankheiten. Der höhere Preis wird nicht diskutiert.
Der Reanimationsversuch der Coxibe ist unseres Erachtens gescheitert - aber sie
werden verkauft.
Literatur
-
Cannon, C.P., et al. (MEDAL = Multinational Etoricoxib
and Diclofenac Arthritis Long-term programme): Lancet 2006, 368, 1771.
-
AMB 2004, 38, 73a.
-
AMB 2005, 39, 38b.
-
Schwabe, U., und Paffrath, D.:
Arzneiverordnungs-Report 2005. Springer, Berlin, Heidelberg, New York.
-
Mukherjee, D.: JAMA 2001,
286, 954.
-
Schwabe, U., und Paffrath, D.:
Arzneiverordnungs-Report 2006. Springer,
Berlin, Heidelberg, New York.
-
Topol, E.J., und Falk, G.W.:
Lancet 2004, 364, 639,
s.a. AMB 2004, 38, 73b.
-
Ärzte Zeitung 2006, 95,
15.
-
Rodriguez, L.A., und
Patrignani, P.: Lancet 2006, 368, 1745.
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