Im N. Engl. J. Med. erschien kürzlich eine von der
Firma GlaxoSmithKline initiierte, finanzierte und ausgewertete Studie zur
Primärtherapie bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 (DM2) im Alter
zwischen 30 und 75 Jahren, die nach Beginn einer Diät- und Bewegungstherapie
(„Lifestyle intervention”) und ohne bisherige Anwendung von Antidiabetika einen
Nüchtern-Blutzucker-Wert zwischen 126 und 180 mg/dl hatten (1). Es handelt sich
um eine Vergleichsstudie ohne Plazebo über im Median vier Jahre an 4360
Patienten in 488 Praxen oder DM-Zentren in vielen Ländern; d.h. im Durchschnitt
behandelte jedes Zentrum nur knapp 10 Studienpatienten. Haupt-Endpunkt war die
kumulative Inzidenz eines bestätigten Nüchtern-Blutzuckers > 180 mg/dl,
nicht der HbA1c-Wert, der aber auch gemessen wurde. Die Autoren begründen
diesen heutzutage ungewöhnlichen Endpunkt damit, dass zur Zeit der
Studienplanung der HbA1c-Wert noch nicht anerkannter therapeutischer Maßstab
war, was nicht zutrifft. Außer dem Blutzucker wurden verschiedene Körpermaße
(Gewicht, Hüft- und Bauchumfang) und gemessene sowie abgeleitete biochemische
Parameter wie Blutfette, Insulin, Insulin-Sensitivität (HOMA-2-Methode) und
Betazell-Funktion untersucht. Initial erhielten die Patienten 4 mg Rosiglitazon
(R; Avandia®) oder 500 mg Metformin (M) oder 2,5 mg Glibenclamid (Glyburid,
G) pro Tag. Die Dosen konnten auf zweimal 4 mg R, zweimal 1000 mg M bzw.
zweimal 7,5 mg G gesteigert werden.
Etwa 63% der Patienten unter R und M und ca. 56% unter
G beendeten die Studie. Nach fünf Jahren Behandlung, als jedoch nur noch ca. 20%
der randomisierten Patienten verfolgt wurden, war die Rate der Monotherapie-Versager
(Nüchtern-BZ > 180 mg/dl) unter R 15%, unter M 21% und unter G 34%. Die
Risikoreduktion durch R verglichen mit M war 32%, verglichen mit G 63%. Verfolgt
man die Kaplan-Meier-Kurven hinsichtlich Therapieversagen (nach dieser
Definition), dann scheint sich der Unterschied zwischen den Gruppen kontinuierlich
entwickelt zu haben. Nach vier Jahren Therapie war allerdings das HbA1c unter R
nur um 0,13 Prozentpunkte niedriger als unter M und um 0,42 Punkte niedriger als
unter G. Patienten unter M nahmen an Gewicht ab, unter G nahmen sie etwas und
unter R deutlich zu. Nach vier Jahren waren R-Patienten um 2,5 kg bzw. 6,9 kg schwerer
als Patienten unter G bzw. M. Wegen Ödemneigung und Anstieg des
LDL-Cholesterins benötigten mehr Patienten unter R Schleifendiuretika und
Statine als in den anderen Gruppen. Als Zeichen der Flüssigkeitsretention unter
R fiel der Hämatokritwert signifikant ab. Anders als in der von uns
besprochenen PROactive-Studie (2) war „echte” Herzinsuffizienz unter R und M
mit nur 9 bzw. 8 Patienten sehr selten (unter G 4 Patienten). Die wenigsten UAW
traten unter G auf. Unerwartet ergab sich unter R bei Frauen eine höhere
Frakturrate an Humerus, Händen und Füßen als unter M und G.
Die Autoren schließen ihren Artikel mit
dem Satz: „The relative costs of these medications, their profiles of adverse
events, and their potential risks and benefits should all be considered to help
inform the choice of pharmacotherapy for patients with type 2 diabetes”. Der Artikel wird ausführlich und informativ von D.M. Nathan
aus Boston kommentiert (3). Er stellt jüngste Konsensusempfehlungen
amerikanischer und europäischer Diabetologen (unter seiner Federführung) zur
Therapie des DM2 in Form eines übersichtlichen Algorithmus vor. Hierin sind Lifestyle-Änderungen
und Metformin die Vorschläge zur Ersttherapie. Bei unzureichendem Erfolg wird
relativ früh der Einsatz von Insulin (zunächst nur basal) empfohlen (4).
Hinsichtlich der hier besprochenen Vergleichsstudie über M, G und R in der
initialen Monotherapie des DM2 kommt Nathan zu dem Schluss: „…metformin remains
the logical choice when initiating pharmacotherapy for type 2 diabetes”, unter
Hinweis darauf, dass bei jeder Patientenvisite auf die Notwendigkeit von
knapper und gesunder Ernährung und mehr körperlicher Bewegung hingewiesen werden
muss.
Fazit: In
der hier vorgestellten Studie erreichten zwar etwas weniger DM2-Patienten unter
initialer Monotherapie mit Rosiglitazon als unter Metformin die Nüchtern-Blutzuckermarke
von 180 mg/dl, jedoch sprechen andere Ergebnisse der Studie und der hohe Preis
von Glitazonen dafür, bei notwendig werdender Pharmakotherapie in der Regel
zunächst Metformin zu verordnen. Initial sind die Therapieergebnisse mit
Glibenclamid zwar oft günstig, aber Therapieversagen tritt schneller ein als
mit Metformin oder Rosiglitazon.
Literatur
-
Kahn, S.E., et al. (ADOPT = A Diabetes Outcome
Progression Trial): N. Engl. J. Med. 2006, 355, 2427.
-
Dormandy, J.A., et al. (PROactive = PROspective pioglitAzone
Clinical Trial In macroVascular Events):
Lancet 2005, 366, 1279
; s.a. AMB 2005, 39, 93b.
-
Nathan, D.M.: N. Engl.
J. Med. 2006, 355, 2477.
-
Nathan, D.M.:
Diabetologia 2006, 49, 1711.
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