Wir haben mehrfach kritisch zu aggressiven
Vermarktungsstrategien von Thiazolidindionen (TZD) Stellung genommen (1-3), über
deren Langzeiteffekte auf die Gesundheit von Diabetikern bisher fast nichts
bekannt ist. TZD sind Medikamente, die den nukleären PPA-Rezeptor gamma
aktivieren und dadurch die Transkription einer großen Zahl von Genen
beeinflussen, von denen eines oder einige (auf unbekannte Weise) die
Insulinsensitivität erhöhen und bei Typ-2-Diabetikern den Blutzucker und den
HbA1C-Wert senken. Die US-amerikanische FDA hat das TZD Rosiglitazon
(Avandia®) 1999 (Zulassung in Deutschland 2000) wegen der
blutzuckersenkenden Wirkung und wegen des Fehlens erheblicher nachteiliger
Wirkungen in klinischen Kurzzeitstudien für die Behandlung von Diabetikern
zugelassen. Die Zulassung für ein anderes TZD, Troglitazon, war kurz zuvor
wegen z. T. tödlich verlaufener hepatotoxischer Wirkungen widerrufen worden (4,
5).
Im N. Engl. J. Med. erschien jetzt (vorab publiziert)
eine Metaanalyse von 42 randomisierten Studien (aus Unterlagen der FDA oder des
Herstellers GlaxoSmithKline) von 24 bis 52 Wochen Dauer, denen sich die in
diesem Zeitraum aufgetretenen Herzinfarkte und kardiovaskulären Todesfälle
entnehmen ließen (6). 15.560 Patienten waren mit Rosiglitazon, meist kombiniert
mit anderen Antidiabetika, behandelt worden, während 12.283 Vergleichspatienten
nur mit den anderen Antidiabetika oder Plazebo behandelt worden waren. Das
durchschnittliche Alter der Patienten war 56 Jahre, der durchschnittliche HbA1C-Wert
8,2%. In den Studien ereigneten sich 158 Herzinfarkte und 61 Todesfälle aus
kardiovaskulärer Ursache.
Die mit Rosiglitazon behandelten Patienten hatten mit
einer „Odds ratio” (OR) von 1,43 (95%-Konfidenzintervall = CI: 1,03-1,98; p =
0,03) ein signifikant erhöhtes Herzinfarktrisiko. Das Risiko, an einer
kardivaskulären Ursache zu sterben, war mit einer OR von 1,64 (CI: 0,98-2,74; p
= 0,06) ebenfalls fast signifikant erhöht. Die einzelnen Studien mit Endpunkten
sind in der Metaanalyse sorgfältig dokumentiert. In einer Tabelle sind die Odds
ratios für den Vergleich von Rosiglitazon mit den anderen Antidiabetika
(Metformin, Sulfonylharnstoffe, Insulin) oder Plazebo im einzelnen dargestellt.
In allen Fällen fiel die OR > 1,1 aus, d.h. zu Ungunsten von Rosiglitazon.
Am ungünstigsten ist der Vergleich von Rosiglitazon mit Insulin, obwohl wegen
der kleinen Ereigniszahlen sich für die Einzelvergleiche keine Signifikanz der
Unterschiede ergab.
Die Autoren und die im gleichen Heft zu Wort
kommenden Kommentatoren Psaty und Furberg (7) diskutieren die Stärken und
Schwächen dieser Metaanalyse. Auch unter Berücksichtigung der Schwächen halten
es beide für äußerst unwahrscheinlich, dass die Ergebnisse einen günstigen
Effekt von Rosiglitazon auf Herz und Kreislauf verdecken können, wie er für
Pioglitazon (Actos®) mit Hängen und Würgen aus der PROactive-Studie
(8) herausgequetscht wurde. Sie kritisieren die Praxis der Zulassungsbehörden,
Medikamente für eine Massenkrankheit wie Diabetes mellitus Typ 2 lediglich
aufgrund von Surrogatparametern (Blutzucker, HbA1C) zuzulassen und
danach nicht strikt auf die Durchführung von Phase-IV-Studien (Beobachtung von
UAW nach der Zulassung) zu insistieren. Bemerkenswert ist auch, dass in den
letzten sechs Jahren von 50 weiteren vorklinisch und klinisch geprüften
PPAR-Agonisten wegen verschiedener UAW keiner als Medikament zugelassen wurde
(6).
Mit Datum 21. Mai 2007 hat die FDA einen „Safety
Alert on Avandia® (Rosiglitazon)” verschickt, in dem sie sich
äußerst besorgt über die hier referierten Daten zeigt (9).
Fazit: Aus
unserer Sicht sollten Patienten mit erkennbaren kardiovaskulären Risikofaktoren
nicht (weiter) mit Rosiglitazon behandelt werden. Es gibt genug therapeutische
Alternativen. Es stellt sich die Frage, ob es sich hier um einen Klasseneffekt
der Thiazolidindione handelt. Auf jeden Fall sollten auch bisher
unveröffentlichte klinische Studien mit Pioglitazon bei Diabetikern genau unter
die Lupe genommen werden.
Literatur
-
AMB 2005, 39,
93b.
-
AMB 2006, 40, 93b.
-
AMB 2007, 41, 13a.
-
AMB 1999, 33, 47b.
-
AMB 2002, 36, 17.
-
Nissen, S.E., und Wolski, K.: N.
Engl. J. Med. 2007, 356 , vorab publiziert.
-
Psaty, B.M., und Furberg, C.D.:
N. Engl. J. Med. 2007, 356 , vorab publiziert.
-
Dormandy, J.A., et al. (PROactive = PROspective pioglitAzone
Clinical Trial In macroVascular Events):
Lancet 2005, 366, 1279
; sa. AMB 2006, 40, 93b.
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http://www.fda.gov/cder/drug/InfoSheets/HCP/rosiglitazoneHCP.htm
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