Seit einigen Jahren werden so genannte adjuvantierte
Impfstoffe gegen Influenza, wie z.B. Fluad® und Inflexal V®,
beworben. Diese Impfstoffe sollen vor allem bei älteren Personen effektiver
sein, weil nach den Angaben der Hersteller höhere Antikörpertiter bzw.
Serokonversionsraten erzielt werden. Die adjuvantierten Impfstoffe unterscheiden
sich von den herkömmlichen Influenza-Spaltimpfstoffen durch die Lösung der
Influenza-Antigene entweder in einer speziellen Emulsion, z.B. Microfluidized
Emulsion 59 (MF59) in Fluad® oder in so genannten Virosomen,
kleinsten Partikeln aus Phospholipid-Doppelmembranen, in die die Antigene
inkorporiert sind (Inflexal V®). Im Rahmen von Phase-II-Impfstudien konnten
nach Applikation des MF59-adjuvantierten Impfstoffs in nur drei von 18
statistischen Tests für verschiedene Antigene und Zeitpunkte signifikant höhere
durchschnittliche Antikörpertiter als nach Impfung mit herkömmlichen Spaltimpfstoffen
nachgewiesen werden. Eine Adjustierung für multiples Testen erfolgte nicht.
Lokale Reaktionen und allgemeines Unwohlsein traten vor allem nach der ersten
Impfung mit dem MF59-Impfstoff signifikant häufiger auf (1). Der
Virosom-adjuvantierte Impfstoff zeichnete sich durch gute Verträglichkeit aus;
es fand sich kein signifikanter Unterschied zum herkömmlichen Impfstoff. Eine
signifikant höhere Serokonversionsrate dieses adjuvantierten Impfstoffs ließ
sich nur in zwei Tests für das H1N1-Antigen nachweisen (2). Auch hier wurden
wieder insgesamt 27 statistische Tests ohne Adjustierung für multiples Testen
zu verschiedenen Antigenen durchgeführt. Die Evidenz für einen tatsächlich
höheren Impfschutz durch höhere Titer oder Serokonversionsraten ist also
gering.
Für die Praxis sind natürlich weniger die Serokonversionsraten
und Titerhöhe von Interesse, sondern die Frage, ob es nach der Impfung mit
adjuvantierten Impfstoffen gegenüber herkömmlichen Produkten seltener zu
Influenza-Erkrankungen kommt. Zu dieser Frage existiert bisher nur eine einzige
Untersuchung (3). Die Autoren dieser Arbeit kommen zu dem Schluss, dass der MF59-adjuvantierte
Impfstoff Fluad® den konventionellen Spaltimpfstoffen auch im
Hinblick auf den Endpunkt influenzaartige Morbidität überlegen ist. Wegen
methodischer Schwächen dieser Arbeit muss diese Aussage aber stark angezweifelt
werden. Es wurden 2965 Personen (96% über 65 Jahre) entweder mit Fluad®
oder mit einem herkömmlichen Impfstoff geimpft. Die Rekrutierung der Personen
erfolgte in 25 Altenwohnheimen in Norditalien. Pro Wohnheim wurde immer nur
eine Art des Impfstoffes verwendet, und es lag im Ermessen der lokal
Verantwortlichen, ob das adjuvantierte oder das nicht adjuvantierte Präparat
verwendet wurde. Dieses Vorgehen (fehlende Randomisierung) schließt ein valides
Studienergebnis aus. Tatsächlich war es dann auch so, dass in einigen Heimen
offenbar grippale Infekte grassierten (40-60% Durchseuchung). Hiervon waren -
wahrscheinlich rein zufällig - mehrere Heime betroffen, in denen der nicht
adjuvantierte Impfstoff verwendet worden war. Derartige zufällige
Clustereffekte können bei der Datenanalyse nicht mehr korrigiert werden. Auch
der in der Studie verwendete Endpunkt "grippaler Infekt" spiegelt
nicht tatsächliche Erkrankungen mit dem Influenza-Virus wieder und ist daher
nicht geeignet, die Effektivität der Influenza-Impfung nachzuweisen.
Im Gegensatz zur kaum vorhandenen Evidenz für den
Vorteil adjuvantierter Impfstoffe wurde gerade in einer aktuellen Arbeit der
Nachweis für die Effektivität der herkömmlichen Impfstoffe untermauert. In
einer gepoolten Kohorte mit Daten aus mehr als 700 000 Personenjahren
zeigte sich eine um 27% geringere influenzabedingte Hospitalisierungsrate (RR:
0,73; CI: 0,68-0,77) und eine Reduktion der Letalität um 48% (RR: 0,52; CI:
0,50-0,55; 4). Die absolute Risikoreduktion war allerdings weniger spektakulär.
Etwa 1000 Personen über 65 Jahre müssen geimpft werden, um in der betreffenden
Grippe-Saison eine Hospitalisierung zu vermeiden, und etwa 150-200 Impfungen
verhindern einen Todesfall.
Fazit: Es
liegen keine validen Interventionsstudien vor, die einen Vorteil für
adjuvantierte Influenza-Impfstoffe gegenüber herkömmlichen Impfstoffen beweisen.
Selbst die Evidenz für eine vermeintlich höhere Immunogenität ist dürftig. Der
MF59-adjuvantierte Impfstoff scheint darüber hinaus mit einem höheren
Nebenwirkungsrisiko behaftet. Auch in Anbetracht des wesentlich höheren Preises
der adjuvantierten Impfstoffe sollte herkömmlichen Präparaten der Vorzug
gegeben werden, denn für diese liegen Daten aus großen Studien vor, die die
Effektivität hinsichtlich klinisch relevanter Endpunkte belegen.
Literatur
-
Minutello, M., et al.:
Vaccine 1999, 17, 99.

-
Kanra, G., et al.:
Pediatr. Inf. Dis. J. 2004, 23, 300.
Erratum 2004, 23,
503.
-
Iob, A., et al.:
Epidemiol. Infect. 2005, 133, 687.

-
Nichol, K.L., et al.: N.
Engl. J. Med. 2007, 357, 1373.

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