Der Wert von Probiotika in der Gastroenterologie wird nach wie vor
kontrovers eingeschätzt. Die Antibiotika-assoziierte Diarrhö ist ein zunehmendes
medizinisches und ökonomisches Problem. Sie tritt bei 5-25% der Patienten, die
im Krankenhaus wegen einer Infektion antibiotisch therapiert werden müssen, auf
(1). Clostridium difficile wird in 15-25% als Ursache für eine
Antibiotika-assoziierte Diarrhö gefunden (2). Insbesondere bei älteren und
schwerkranken Patienten ist das Risiko, eine C. difficile-assoziierte
Diarrhö zu bekommen, sehr hoch. Gerade in dieser Patientengruppe sind
Morbidität und Letalität durch C. difficile in den letzten Jahren
deutlich gestiegen (3). Daher ist eine kürzlich publizierte, prospektive Studie
zur Wirksamkeit eines probiotischen Präparats (Jogurt mit Kulturen von Lactobacillus
casei, Lactobacillus bulgaricus und Streptococcus thermophilus)
in dieser Patientengruppe zu begrüßen (4).
Von November 2002 bis Januar 2005 wurden in drei Londoner
Krankenhäusern 1625 Patienten für die Teilnahme an der Studie geprüft und am
Ende 135 in die Studie eingeschlossen. Einschlusskriterien waren: Alter > 50
Jahre, Möglichkeit der oralen Ernährung und der Verschreibung von Antibiotika.
Zu den Ausschlusskriterien gehörten: Diarrhö bei Aufnahme oder irgendein
Hinweis auf eine Diarrhö-Episode in der letzten Woche, rezidivierende Diarrhö,
chronische Diarrhö, die Einnahme von „Hochrisiko”-Antibiotika (Clindamycin,
Cephalosporin, Aminopenicilline), vorangegangene Antibiotika-assoziierte
Diarrhö, Herzklappenfehler, schwere Erkrankung, immunsuppressive Therapie, Laktose-Intoleranz,
bauchchirurgischer Eingriff, regelmäßige Einnahme von Probiotika. Es wurden
schließlich 69 Patienten in die Probiotikum- und 66 in die Plazebo-Gruppe
randomisiert. Die Probiotikum-Gruppe erhielt zweimal 100 ml Actimel®
(Danone, Frankreich) innerhalb von 48 Stunden nach Start bis eine Woche nach
Beendigung der Antibiotika-Therapie. Die Plazebo-Gruppe erhielt für die gleiche
Zeit ein steriles Milchgetränk (Yazoo, Campina, Niederlande). Die Stuhlfrequenz
wurde mittels Protokoll verfolgt, der Stuhl wurde vor Beginn der Studie auf
eine asymptomatische Besiedelung mit C. difficile analysiert. Trat während
der Studie eine Diarrhö auf, wurde der Stuhl auf C.-difficile-Toxin
untersucht. Die Studienteilnehmer wurden nach Abschluss der
Antibiotika-Therapie vier Wochen lang nachverfolgt.
Sieben von 57 (12%) in der Probiotikum-Gruppe entwickelten eine Antibiotika-assoziierte
Diarrhö gegenüber 19 von 56 (34%) in der Plazebo-Gruppe (p = 0,007). Die
absolute Risikoreduktion wurde mit 21,6% (95%-Konfidenzintervall = CI: 6,6-36,6)
errechnet. Die Anzahl der Patienten, die behandelt werden mussten, um ein
Ereignis zu verhindern, war 5 (3-15). Keiner aus der Probiotikum-Gruppe und 9
von 53 (17%) in der Plazebo-Gruppe entwickelten eine C.-difficile-assoziierte
Diarrhö (p = 0,001). Die absolute Risikoreduktion war hier 17% (CI: 7-27%) und
die Zahl der Patienten, die behandelt werden mussten, um ein Ereignis zu
verhindern, betrug 6 (CI: 4-14).
Diese Ergebnisse scheinen sehr erfreulich. Die Studie hat jedoch so große
Mängel, dass die Schlussfolgerungen nicht verallgemeinert werden können. Die
wesentlichen Kritikpunkte wurden in drei Leserbriefen zum Ausdruck gebracht
(5-7). Zunächst muss erwähnt werden, dass die hauptverantwortlichen Autoren
Zuwendungen vom Actimel-Hersteller bekommen haben. Weiterhin ist zu bemängeln,
dass sich das verwendete Plazebo in Verpackung und Geschmack vom Verum
unterschied. Was aber die Studie vollkommen unrealistisch macht, zeigt die hohe
Zahl ausgeschlossener Patienten (n = 1263) bzw. die geringe Zahl
eingeschlossener Patienten (n = 135). Der Ausschluss von „Hochrisiko”-Antibiotika
ist der klinischen Situation nicht angemessen, da gerade Cephalosporine in den
letzten Jahren als eine wachsende Gefahr für die Induktion einer C.-difficile-assoziierten
Diarrhö erkannt wurden. Weiterhin fehlt die wichtige Information, ob und wie
häufig Protonenpumpenhemmer eingenommen wurden, da anzunehmen ist, dass ein
höherer pH-Wert im Magen das Überleben der bakteriellen Kulturen aus dem
Probiotikum-Jogurt begünstigt.
Fazit: Eine randomisierte,
prospektive Studie zeigt bei einer kleinen und hoch selektionierten Patientengruppe
eine mögliche Wirksamkeit eines Probiotikums (Actimel®) als
Prophylaktikum einer Antibiotika-assoziierten Diarrhö. Eine solche fein
ausgewählte Patienten-Gruppe (< 7%) erlaubt jedoch keine allgemeingültigen
Rückschlüsse.
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