Zusammenfassung: Die Preise von Arzneimitteln, die von der
öffentlichen Hand erstattet werden, sind in Österreich und in vielen EU-Ländern
behördlich reguliert. In Deutschland jedoch bestimmen allein die
Pharmahersteller den Preis. Bei der Festlegung des Preises berücksichtigen
immer mehr Staaten die Preise des betreffenden Arzneimittels in anderen
europäischen Ländern. Preisvergleiche zwischen den EU-Ländern sind jedoch u.a.
wegen der unterschiedlichen Aufschläge methodisch und praktisch aufwändig.
Die Harmonisierungsbestrebungen in
der EU haben sich im Arzneimittelbereich in vereinheitlichten
Zulassungsverfahren sowie in Initiativen für eine verbesserte, abgestimmte
Pharmakovigilanz niedergeschlagen. Bei den Arzneimittelpreisen ist
hingegen kein Trend zu einem einheitlichen europäischen Preis festzustellen –
im Gegenteil, es bestehen beachtliche Unterschiede beim Preis eines identischen
Arzneimittels zwischen den europäischen Ländern (1). Der Preis ist aber -
ähnlich wie der Nutzen und die Sicherheit - ein wichtiges Charakteristikum
eines Arzneimittels.
Im Folgenden soll erläutert werden,
wie ein Arzneimittel überhaupt zu seinem Preis kommt und wer darüber
entscheidet – z.B. der Hersteller, der Vertreiber/Händler, die zuständige
Behörde oder der Zahler (Sozialversicherung/Nationaler Gesundheitsdienst). Von
welchen Kriterien hängt die Höhe des Arzneimittelpreises ab? Und: Von welchem
Preis sprechen wir überhaupt?
Definitionen: Als ersten Schritt gilt
es zu klären, ob ein Arzneimittel im stationären oder im niedergelassenen
Bereich eingesetzt wird, da dies in den meisten europäischen Ländern eine
unterschiedliche Vorgehensweise bei der Preisbildung bedingt. Im Krankenhausbereich
wird der Preis (Einkaufspreis) eines Arzneimittels für ein Krankenhaus oder
einen Krankenhaus-Einkaufsverbund verhandelt bzw. im Rahmen einer öffentlichen
Ausschreibung erzielt. Die Arzneimittelpreise dieses Bereichs sind nicht
öffentlich zugänglich, aber sie sind – soviel ist bekannt – deutlich niedriger
als im Bereich der niedergelassenen Ärzte. In diesem Bereich haben
Arzneimittel im Allgemeinen (Ausnahmen s.u.) landesweit den gleichen Preis,
allerdings sind unterschiedliche Preisebenen zu beachten:
·
Ebene
des pharmazeutischen Unternehmens: Fabrik-Abgabepreis,
·
Ebene
des Großhandels: Apotheken-Einstandspreis (ermittelt sich aus
Fabrik-Abgabepreis plus dem Abgabeaufschlag für das Großhandelsunternehmen),
·
Ebene
der Apotheken: Apotheken-Verkaufspreis (berechnet sich aus dem
Apotheken-Einstandspreis plus dem Apothekenaufschlag),
·
Eine
weitere Komponente ist die Umsatz- bzw. Mehrwertsteuer, welche schließlich den
Publikumspreis (Apotheken-Verkaufspreis inkl. Mehrwert-/Umsatzsteuer) ergibt.
Aus Sicht der öffentlichen Hand
bzw. der Krankenversicherung ist jener Anteil des Preises, der von ihr
übernommen wird, von Relevanz, also der jeweilige „Erstattungspreis” (in
Österreich = „Kassenpreis”).
Wer bestimmt den Preis? Die Preispolitik bei
Arzneimitteln ist nationale Angelegenheit der EU-Mitgliedstaaten. Die EU kann
hier kaum Einfluss nehmen, vorausgesetzt, dass die EU-Richtlinien eingehalten
werden. In 24 der 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union legen die
zuständigen nationalen Behörden den Preis für – zumindest einen Teil der –
Arzneimittel, die im niedergelassenen Bereich eingesetzt werden, fest (2-6).
Wie aus Tab. 1 hervorgeht, betrifft das in den meisten EU-Ländern die
Arzneimittel, die von der öffentlichen Hand bzw. der Solidargemeinschaft
finanziert werden (so genannte erstattungsfähige Arzneimittel). Im Allgemeinen
ist ein Großteil der verschreibungspflichtigen Arzneimittel im niedergelassenen
Bereich erstattungsfähig, während die rezeptfreien Arzneimittel meist nicht
erstattet werden. Für solche Produkte gilt freie Preisbildung, d.h., der
Hersteller kann den Fabrik-Abgabepreis frei festlegen. Erstattungsfähige
Arzneimittel sind in 16 EU-Ländern und rezeptpflichtige in drei Ländern
preisgeregelt. In fünf EU-Mitgliedstaaten gilt eine staatliche Preisregelung
für alle Arzneimittel, die im niedergelassenen Bereich abgegeben werden.
Nur in Dänemark, Deutschland und Malta wird der Preis allein von den
Pharmaunternehmen festgelegt (Tab. 1).
Wie gehen nun die Behörden bei der
Preisfestsetzung vor? In ein paar EU-Mitgliedstaaten (z.B. Frankreich, Italien)
finden Preisverhandlungen zwischen dem Pharma-Unternehmen und der zuständigen
Behörde bzw. dem Preiskomitee statt. Weitaus üblicher ist eine staatliche
Preisfestlegung auf Basis gesetzlich fixierter Kriterien. Darüber hinaus
bestehen in einigen Ländern (Estland, Lettland, Polen) Mischformen: Es werden
zunächst Verhandlungen mit den Unternehmen geführt, und darauf basierend wird
von der Behörde der Preis festgelegt.
Preisvergleiche als Grundlage für die
Preisfestsetzung: Die Behörden orientieren sich bei der Preisfestsetzung oft
an den Preisen in anderen Ländern: Mittlerweile führen 22 EU-Mitgliedstaaten
internationale Preisvergleiche durch, wobei einige (z.B. Portugal) ihre
Preisbildung ausschließlich darauf basieren, während andere (z.B.
Italien, Slowakei) dies als ein Instrument von mehreren verstehen (6).
Die EU-Mitgliedstaaten haben
unterschiedliche methodische Ansätze für die Preisfestsetzung gewählt: Einige
Länder haben für den Fall, dass Arzneimittel in den Referenzländern nicht am
Markt bzw. keine Preise verfügbar oder zugänglich sind, sehr klare Spielregeln
definiert: Portugal greift auf den Preis im Ursprungsland zurück, und Zypern
hat Alternativländer bestimmt. Irland ändert die Methodik der Preisbestimmung,
wenn keine Daten für Referenzländer vorliegen, und wechselt zu Preisverhandlungen
anstelle der behördlichen Preisfestsetzung. Andere Länder wiederum (z.B.
Spanien) haben keine derartigen Regeln und verwenden Preisdaten der Länder, die
für sie leicht zugänglich sind, und lassen die übrigen Staaten außer Acht.
Der Großteil der EU-Mitgliedstaaten
berücksichtigt zirka vier bis neun Referenzländer (Bulgarien, Estland,
Frankreich, Griechenland, Irland, Litauen, Niederlande, Portugal, Tschechische
Republik; 5-7). Eine größere Anzahl ist eher unüblich, nur in Österreich, Belgien
und – seit Beginn des Jahres 2008 – in der Slowakei werden die Preise aller
übrigen EU-Mitgliedstaaten berücksichtigt. Luxemburg orientiert sich am Preis
im Herkunftsland. Als Referenzländer werden häufig Nachbarstaaten bzw. Länder,
zu denen traditionell gute Kontakte bzw. historische Bindungen bestehen,
gewählt, beispielsweise die baltischen Staaten untereinander. Ein
Entscheidungskriterium bei der Wahl von Referenzländern ist auch das
Preisniveau. Während manche – eher reichere – Staaten (Belgien, Finnland,
Frankreich, Griechenland, Niederlande, Österreich, Polen, Slowakei, Slowenien,
Tschechische Republik, Zypern) einen Mix aus Ländern mit höherem und
niedrigerem Arzneimittel-Preisniveau als Referenzländer definiert haben, führen
eher ärmere Staaten (Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Portugal, Rumänien,
Spanien, Ungarn) vermehrt einen Vergleich mit Ländern mit einem niedrigen
Preisniveau durch (5-7).
Internationale und landesinterne
Preisvergleiche: Bei der Festlegung der Referenzländer, insbesondere ihrer Anzahl, sollte
ein praktischer Aspekt nicht außer Acht gelassen werden. Eine höhere Anzahl an
Referenzländern bedingt einen höheren Bearbeitungsaufwand. Allerdings
recherchieren in den meisten EU-Mitgliedstaaten die Behörden nicht selbst,
sondern ersuchen die Unternehmen um Vorlage der Arzneimittelpreise der
Referenzländer (5-7). Manche EU-Länder haben nicht die Kapazitäten, die
vorgelegten Preise zu überprüfen, und sind damit auf die Angaben der
Unternehmen angewiesen.
Neben den Preisen in den anderen
Ländern sind auch die Preise identischer bzw. ähnlicher Arzneimittel im Rahmen
der Preisfestsetzung von Relevanz. Dies betrifft insbesondere patentfreie
Arzneimittel (Generika), deren Preis oft im Verhältnis zum Preis des
Originalpräparats bzw. bereits im Markt befindlicher Arzneimittel festgelegt
wird. Die Preise der Generika sind daher – zum Teil – deutlich niedriger als
die der Originalpräparate. In einigen EU-Mitgliedstaaten muss der Preis eines
Generikums um einen bestimmten Prozentsatz niedriger im Vergleich zum
Originalpräparat sein (5, 6). In Österreich gelten für Arzneimittel, welche in
das Erstattungssystem der Sozialversicherung aufgenommen werden, spezielle
Preisbestimmungen. Das erste Generikum wird als ökonomisch effizient erachtet,
wenn dessen Preis um 48% unter dem – mittlerweile patentfreien Originalprodukt
– liegt. Die weiteren Nachfolger müssen in der Folge entsprechende
Preisunterschiede zu den jeweiligen Vorgängerprodukten aufweisen. Sobald das
erste Generikum in die Erstattung aufgenommen wurde, muss das Originalprodukt
innerhalb von drei Monaten im Preis um 30% gesenkt werden (8). Mit anderen
Worten: die Preise für neue Arzneimittel orientieren sich nicht am
therapeutischen Wert oder am Zusatznutzen für die Patienten, sondern an dem
Mittelwert der Preise, der aus undurchsichtigen Gründen von der Pharmaindustrie
in Referenzländern durchgesetzt werden konnte oder sie werden, wie in Dänemark,
Deutschland und Malta, direkt vom pharmazeutischen Hersteller festgesetzt. Ist
dies für die Solidargemeinschaft akzeptabel?
Handelsaufschläge: Zu dem derart ermittelten
Fabrik-Abgabepreis kommen weitere Preiskomponenten: Aufschläge für den
Großhandel und die Apotheken sowie die Mehrwert-/Umsatzsteuer, die in den
meisten EU-Ländern niedriger als der Standard-Umsatzsteuersatz ist. Wie aus
Tab. 2 hervorgeht, sind die Aufschläge für den Großhandel in 23 der 27
EU-Mitgliedstaaten – jedenfalls für einen Teil der Arzneimittel – gesetzlich
geregelt. In Dänemark, Finnland, den Niederlanden und Schweden (sowie auch in
Zypern im Falle importierter Arzneimittel) erfolgt die beschriebene
Preisfestlegung auf Basis des Großhandelspreises, und die Großhandelsspanne
wird zwischen dem Hersteller und dem Großhandelsunternehmen verhandelt (4-6).
Die Apothekenspannen sind in allen
EU-Ländern gesetzlich reguliert, im Allgemeinen mittels Aufschlagsätzen bzw.
Spannenschemen, in Großbritannien und Slowenien mittels einer
Leistungsabgeltung für die Apotheken (5, 6).
Die Aufschläge für Großhandel und
Apotheken sind im Gesetz üblicherweise als Höchstsätze definiert. In den
meisten Ländern entsprechen diese maximalen den tatsächlichen Aufschlagsätzen,
allerdings werden in ein paar Ländern (z.B. Estland, Tschechische Republik) von
Großhandel und Apotheken die Spannen nicht voll ausgeschöpft. Als Folge davon
sind die Verbraucher mit unterschiedlichen Preisen für dasselbe Arzneimittel in
den Apotheken konfrontiert (3, 5, 6).
Ausblick: Basierend auf den hier vorgestellten
Definitionen, Preiskomponenten und regulatorischen Bestimmungen werden wir im
Teil 2 unserer Übersicht auf die methodischen Schwierigkeiten bei
Preisvergleichen eingehen und an Beispielen erläutern.
Literatur
- Habl, C., et al.: Pharma Preisinformation-Service der
GÖG (Gesundheit Österreich GmbH)/ÖBIG (österreichisches Bundesinstitut für
Gesundheitswesen)

- Vogler, S., et al.: Pharmaceutical Systems
in the European Union. Fact Sheets. GÖG/ÖBIG 2007.
- Vogler, S., et al.: Pharmaceutical Systems
in the European Union. Comparative
Analysis. GÖG/ÖBIG 2007.
- Weigl, M., und Antony, K.: Pharma-Preisinformation (PPI).
Arzneimittelsysteme in Bulgarien und Rumänien. 2007 (unveröffentlicht).
- Habl, C.: Surveying, Assessing and
Analysing the Pharmaceutical Sector in the 25 EU Member States. DG Competition, 2007.
- Vogler,
S., et al.: Pharmaceutical Pricing and Reimbursement Information Project. Final
Report GÖG/ÖBIG und WHO Europe, 2008 (unveröffentlicht).
- Vogler, S.: Price Referencing in the EU
Member States. 2005 (unveröffentlicht).
- Leopold, C., et al.: Pharmaceutical Pricing
and Reimbursement Information. Pharma
Profile Austria. 2007. In:

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