In Österreich wird gerade an der
Implementierung eines Disease Management Programms für Typ-2-Diabetiker (DM2)
gearbeitet mit dem Ziel, die Stoffwechselkontrolle zu verbessern und den
HbA1c-Wert zu senken. Allerdings muss die Strategie, den HbA1c-Wert zu
normalisieren, nach den vorläufigen Ergebnissen der ACCORD-Studie wohl neu
überdacht werden.
Das US-amerikanische National Heart, Lung
and Blood Institute (NHLBI) hat in einer Presseaussendung am 6. Februar 2008
den vorzeitigen Abbruch eines Arms der von ihm finanzierten ACCORD-Studie (Action
to Control CardiOvascular Risk in Diabetes)
bekannt gegeben, nachdem sich überraschend gezeigt hat, dass eine intensive
Blutzuckersenkung bei Hochrisikopatienten mit DM2 mit signifikant höherer
Letalität assoziiert war (1).
Die randomisierte multizentrische Studie
(75 Kliniken in den USA und Kanada) untersuchte in einem doppelten
2x2-faktoriellen Design etwa 10 000 Typ-2-Diabetiker mit einer bereits
manifesten kardiovaskulären Erkrankung oder zumindest zwei weiteren
kardiovaskulären Risikofaktoren. Bei diesen Hochrisikopatienten wurden nicht
spezielle Arzneimittel, sondern verschiedene Therapiestrategien verglichen.
Alle Patienten wurden antidiabetisch behandelt (beliebige Kombination aus Diät,
oralen Antidiabetika und Insulin) mit einer 1:1-Randomisierung in einen
”Standard-Arm” mit einem HbA1c-Zielwert von 7,0%-7,9% und einen ”Intensiv-Arm”
mit einem HbA1c-Zielwert von < 6,0%. Abhängig von Blutdruck- und
Cholesterinwerten wurden die Patienten außerdem einem von zwei weiteren
Studienarmen zugeteilt: Vergleich einer lipidsenkenden Kombinationstherapie aus
Statin plus Fibrat vs. Monotherapie mit Statin oder Vergleich einer
antihypertensiven Therapie mit einem systolischen Zielwert < 120 mmHg vs.
< 140 mmHg.
Primärer Endpunkt der ACCORD-Studie ist
das erste Auftreten eines schwerwiegenden kardiovaskulären Ereignisses
(nicht-tödlicher Myokardinfarkt, nicht-tödlicher Schlaganfall oder Tod aus
kardiovaskulärer Ursache). Nach einer mittleren Behandlungszeit von vier Jahren
zeigte sich im Standardtherapie-Arm (erreichter mittlerer HbA1c-Wert 7,5%)
wider Erwarten eine signifikant niedrigere Letalität von 11/1000/Jahr
(insgesamt 203 Todesfälle bislang) im Vergleich zum Arm mit intensiverer
antihyperglykämischer Therapie (erreichter mittlerer HbA1c-Wert 6,4%) mit einer
Letalität von 14/1000/Jahr (insgesamt 257 Todesfälle). Daher wurde jetzt
entschieden, diesen Arm vorzeitig abzubrechen. Die höhere Letalität ergab sich
durch häufigere tödliche Myokardinfarkte und plötzliche Todesfälle, während
nicht-tödliche Ereignisse tendenziell seltener waren. Bis zum geplanten Ende
der Studie im Juni 2009 erfolgt nun die antidiabetische Behandlung aller
Patienten entsprechend dem ”Standard” mit einem HbA1c-Zielwert von 7,0%-7,9%;
die beiden Arme mit lipid- und blutdrucksenkender Therapie laufen wie
vorgesehen weiter.
Nach Ansicht des NHLBI geben die
Studiendaten keine Hinweise auf eine potenzielle Ursache der vermehrten
Todesfälle. Die Patienten des ”Intensiv-Arms” wurden allerdings sehr rigoros
therapiert (bis zu viermal täglich Insulin und drei verschiedene orale
Antidiabetika), so dass UAW (z.B. Hypoglykämien) und Arzneimittel-Interaktionen
als Ursache für das schlechtere Ergebnis nicht auszuschließen sind. Zwar stehen
diese Analysen noch aus, aber eindeutige Resultate sind wegen der zahlreichen
Medikamente nicht zwangsläufig zu erwarten. Ein Zusammenhang mit Rosiglitazon,
das bekanntermaßen mit einem erhöhten Myokardinfarkt-Risiko assoziiert ist (2),
sei jedenfalls nicht ersichtlich. Außerdem wird angemerkt, dass die Letalität
in beiden Studienarmen wesentlich niedriger war als es für diese
Hochrisikogruppe erwartet wurde (ca. 50/1000/Jahr). Das NHLBI zieht den
Schluss, dass zumindest für die Subgruppe von Diabetikern mit vergleichbaren
demographischen Daten wie in der ACCORD-Studie (DM2 im Mittel seit 10 Jahren
bestehend, mittleres Alter 62 Jahre, hohes kardiovaskuläres Risiko) ein
HbA1c-Zielwert von ”um 7,0%” eher angemessen erscheint als der von der American
Diabetes Association zurzeit empfohlene Zielwert von ”< 7,0%”.
Fazit: In der ACCORD-Studie mit älteren Typ-2-Diabetikern
und hohem kardiovaskulären Risiko war eine sehr intensive Blutzuckersenkung
(HbA1c-Zielwert < 6,0%) mit höherer kardiovaskulärer Letalität assoziiert.
Daher wurde dieser Behandlungsarm abgebrochen. Mit Medikamenten, einschließlich
Insulin, lässt sich bei Diabetikern ein normales Blutzuckerniveau ohne erhöhte
Hypoglykämiegefahr nicht erreichen. Ziel sollte eine gute
Stoffwechseleinstellung ohne schwere Hypoglykämien und eine Normalisierung des
Blutdrucks sein. Einmal mehr zeigt sich hier eine Diskrepanz zwischen theoretisch
günstigen Laborwerten und klinischen Endpunkten.
Literatur
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http://public.nhlbi.nih.gov/newsroom/home/GetPressRelease.aspx?id=2551

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AMB 2007, 41,
45a.

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