Zusammenfassung: Protonenpumpenhemmer (PPI) gehören
zu den am häufigsten verordneten Arzneimitteln. Oft werden sie ohne klare
Indikation, in zu hoher Dosierung und zu lange verschrieben. Die allgemein gute
Verträglichkeit und das geschickte Marketing („Magenschutz”) dieser
Substanzgruppe hat zu dieser Situation beigetragen. Immer mehr Patienten
erhalten eine PPI-Dauertherapie. Die empfohlene „Step-down”-Behandlung wird oft
vergessen oder dadurch erschwert, dass viele Patienten weiter nach einem PPI
verlangen. Mehrere epidemiologische Studien aus den letzten Jahren legen den
Verdacht nahe, dass eine Langzeitbehandlung mit PPI dosisabhängig zu Störungen
im Knochenstoffwechsel und vermehrt zu osteoporotischen Frakturen führen kann.
Außerdem scheint das Risiko für Darm- und Lungeninfektionen durch bakterielle
Besiedelung im oberen Gastrointestinaltrakt anzusteigen. Auch über
interstitielle Nephritiden wird im Zusammenhang mit PPI-Behandlung berichtet.
Diese Beobachtungen sollten zur Vorsicht und zur rationalen Therapie mit PPI
mahnen, insbesondere bei älteren Menschen und bei Daueranwendung. Die
Rezeptpflicht muss – anders als in den USA – erhalten bleiben.
Häufigkeit der Verordnung: Protonenpumpenhemmer gehören nach Statinen zu den
weltweit am häufigsten verordneten und nach allgemeiner Einschätzung auch zu
den deutlich zu häufig verordneten Medikamenten (1). Allein in Deutschland
werden fast eine Milliarde EUR jährlich mit PPI umgesetzt (2), weltweit
mittlerweile über 14 Milliarden EUR (3). Die Verordnungshäufigkeit hat zwischen
1997 und 2006 von 200 Mio. Tagesdosen auf 1163 Mio. Tagesdosen zugenommen, ohne
dass es dafür eine Erklärung durch Zunahme der entsprechenden Krankheiten gibt.
Nach Verordnungszahlen ist Omeprazol mit seinen Generika Marktführer, gefolgt
von Pantoprazol, Lansoprazol, Esomeprazol und Rabeprazol (2). In Österreich ist
das teure Pantoprazol seit einigen Jahren das umsatzstärkste Medikament
überhaupt (4).
Der Ablauf des Patentschutzes von Lansoprazol
und in Kürze auch von Pantoprazol könnte zu einer weiteren Verbreitung dieser
Medikamente führen, insbesondere wenn auch noch an der Verschreibungspflicht
gerüttelt werden sollte. In den USA ist Omeprazol frei erhältlich und hatte als
„Over-the-counter”-Präparat bereits 2006 einen Marktanteil von 24% (3). Über
Zeitung, Fernsehen und Internet wendet sich die Werbung für Prilosec®
(Omeprazol) direkt an den Verbraucher: „Block the burn before it hits you”. Der
Hersteller Astra Merck zielt beim Konsumenten also schon auf eine
prophylaktische Gabe, d.h. auf die Vorahnung von Beschwerden. Auf der Website
von Prilosec® können die unseriösen Mechanismen des „direct to
consumer advertising” exemplarisch studiert werden. Man kann dort Mitglied
einer Prilosec®-Community werden, sogenannte „Say-Yes”-Newsletter
und kostenlos Probepackungen beziehen und an allerlei Aktivitäten teilnehmen,
z.B. an einer Online-Simulation von Nascar-Autorennen (5).
Wirksamkeit und Wechselwirkungen: Es gibt keine Belege für wesentliche
Wirksamkeitsvorteile des einen oder anderen PPI (vgl. 6, 7). Für Omeprazol
besteht sicherlich die beste Datenlage, allerdings auch die größte
Wahrscheinlichkeit für Arzneimittelinteraktionen. PPI werden hauptsächlich von
den Enzymen CYP 2C19 and CYP 3A4 metabolisiert. Theoretisch kann jede
Komedikation, die diese Isoenzyme induziert oder inhibiert die Wirkung der PPI
beeinflussen. Darüber hinaus gibt es Anhaltspunkte, dass Omeprazol und sein
Enantiomer Esomeprazol selbst Interaktionen auslösen. Bei Hemmung von CYP 2C19
können die Serumkonzentrationen von Phenytoin, Carbamazepin, einigen
Benzodiazepinen, Clarithromycin und Warfarin ansteigen, so dass eine
Dosisanpassung erforderlich werden kann. Es gibt auch eine kleine randomisierte
kontrollierte Studie an 124 Patienten mit koronarem Stent, bei der unter einer
Omeprazol-Komedikation die Plättchenhemmung durch Clopidogrel verringert war (8).
Ob dies eine klinische Bedeutung hat, ist jedoch unklar.
Alle PPI können über Erhöhung des
pH-Werts im Magen die Absorption und damit die Bioverfügbarkeit anderer
Medikamente (Azol-Antimykotika, Ampicillin, Cefpodoxim, Digoxin, Indinavir,
Delavirdin, Vitamin B12, Eisen) und wahrscheinlich auch von
Nahrungsbestandteilen beeinflussen. Bislang gibt es jedoch nur wenige
schlüssige Publikationen, die einen klinisch relevanten Eisen- oder Vitamin-B12-Mangel
auf eine PPI-Therapie zurückführen konnten. Auch sog.
„Enteric-coated”-Medikamente, die typischerweise bei höherem pH-Wert
freigesetzt werden, können theoretisch in ihrer Bioverfügbarkeit von einer
PPI-Komedikation beeinflusst werden.
Gesicherte und ungesicherte Indikationen: Klassische Indikationen für PPI mit der stärksten
Evidenz aus klinischen Studien sind die Refluxkrankheit mit und ohne Erosionen
(GERD = Gastroesophageal reflux disease, NERD
= Non-erosive reflux disease, inkl. Niedrig-Dosis-Rezidivprophylaxe) und die
Ulkuskrankheit (inkl. Eradikationsbehandlung). Im Allgemeinen wird nach der
Akutbehandlung mit PPI eine Weiterbehandlung zunächst als
Niedrig-Dosis-Prophylaxe und dann nur noch als Bedarfsmedikation empfohlen
(„Step-down-Vorgehen”). Für eine dauerhafte, quasi lebenslange PPI-Behandlung
gibt es außer beim Zollinger-Ellison-Syndrom keine rationale Indikation.
Mittlerweile werden PPI auch als Komedikation bei
Therapie mit nichtsteroidalen Antiphlogistika (NSAID) und ASS (langfristig
niedrig dosiert) empfohlen und als Prophylaxe von intestinalen Erosionen und
Ulzerationen eingesetzt. Diese Prophylaxe-Empfehlungen gelten jedoch nur für
Risikopatienten: Alter > 65 Jahre, Ulkusanamnese, Antikoagulanzientherapie,
Helicobacter-Besiedlung und Komedikation mit Kortikosteroiden. Auch wenn unter
ASS ein Ulkus auftritt, ist es wahrscheinlich sinnvoller, die ASS-Behandlung
zusammen mit einem PPI weiterzuführen als auf einen alternativen Plättchenhemmer
zu wechseln, wie z.B. Clopidogrel (9). Darüber hinaus sollten PPI zur
Ulkusprophylaxe bei kritisch kranken Patienten (Intensivpatienten, Leber- und
Niereninsuffizienz) eingesetzt werden, sicher aber nicht bei allen
Krankenhauspatienten.
Seit Jahren ist zu beobachten, dass PPI zunehmend
irrational eingesetzt werden, z.B. beim Dyspepsie-/Reizmagen-Syndrom. Zu dieser
Indikation ist die Studienlage unzureichend, wenngleich ein positiver Effekt
auf die „Lebensqualität” der Betroffenen gefunden wurde. Manche Patienten mit
Oberbauchbeschwerden (und die behandelnden Ärzte) haben geradezu eine
psychische Affinität zu PPI entwickelt. Ein australischer Arzt schrieb in einem Leserbrief an
das BMJ: „Dyspeptics of the world are obviously a large population and have
voted to stay on the medication that works” (10). Der wirksame Marketing-Terminus „Magenschutz”
suggeriert Ärzten und Patienten Sicherheit und macht vergessen, dass es sich um
einen gravierenden pharmakotherapeutischen Eingriff in den Körper handelt
(Hemmung der Magensäureproduktion um bis zu 98%, Induktion einer ausgeprägten
Hypergastrinämie).
PPI gehören vielerorts bei Krankenhauspatienten zu
einer Art allgemeiner Risikoprophylaxe, ähnlich wie die Heparin-Spritze. Leider
wird bei der Entlassung häufig vergessen, das Medikament wieder abzusetzen oder
es fehlen im Arztbrief genaue Angaben zur Weiterbehandlung. So wird oft vom
weiterbehandelnden Arzt im Glauben, es habe im Krankenhaus eine gesicherte
Indikation für die Verordnung vorgelegen, eine Dauertherapie eingeleitet.
Erhebungen in Australien, Großbritannien und Irland
haben gezeigt, dass die Verordnung von PPI bei bis zu zwei Dritteln der
Patienten von den nationalen Leitlinien abweicht (1). Besonders kritisch sind
in diesem Zusammenhang Krankenhausaufenthalte. In einer Studie aus Michigan
kamen 20% der neu aufgenommenen Patienten bereits mit einem PPI, und bei
Entlassung waren es > 50%. Die Indikationen für die PPI waren überwiegend
Prophylaxe, und 90% dieser Patienten benötigten nach den gültigen Leitlinien
PPI überhaupt nicht (11).
Ein weiteres Problem ist, dass PPI bei
Dauerbehandlung sehr häufig überdosiert werden. In einer Stichprobe mit 543
Patienten (≥ 75 Jahre) an zwei internistischen Kliniken in Salzburg
hatten 37,6% einen PPI als Dauermedikation. Bei 54 von diesen 204 Patienten
(26%) war die verordnete Dosis zu hoch (12).
Unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW): Generell sind PPI gut verträglich. Die Häufigkeit unerwünschter
Arzneimittelwirkungen liegt bei 3-10% (Kopfschmerzen, Schwindel, Diarrhö,
Obstipation, Flatulenz, Hautausschläge). Selten sind Hepatopathien, Übelkeit,
Verwirrtheit, Amnesie, Hyponatriämie, Hypomagnesiämie, Pankreatitis,
Stevens-Johnson-Syndrom und Blutbildveränderungen.
Es mehren sich aber die Hinweise darauf, dass eine
Langzeitbehandlung mit PPI mit eigenen Risiken verbunden ist, die durch die
kurz- und mittelfristig angelegten Studien zu wenig erfasst werden. So gibt es
beispielsweise Beobachtungen, dass es nach Absetzen einer PPI-Dauermedikation
rasch zu Ulkus- und GERD-Rezidiven kommen kann. Durch Gastroparese und
verzögerte jejuno-ileale Peristaltik können auch neue, medikamenteninduzierte
gastrointestinale Beschwerden auftreten (13).
Konkreter als solche anekdotischen Berichte sind die
Hinweise auf akute interstitielle Nephritiden (AIN) im Zusammenhang mit
einer PPI-Therapie. Prinzipiell können viele Medikamente über immunologische
Mechanismen interstitielle Nephritiden auslösen. Am häufigsten ist dies für
Betalaktam-Antibiotika, Sulfonamide, Diuretika, ACE-Hemmer und NSAID
beschrieben worden. 1992 wurde auch erstmals ein Fall unter Omeprazol
berichtet. Seither stehen alle PPI im Verdacht, akute interstitielle
Nephritiden auslösen zu können. F. Sierra et al. haben in einer
Übersichtsarbeit 2007 alle bis dahin über 15 Jahre berichteten Fälle bioptisch
gesicherter AIN im Zusammenhang mit einer PPI-Therapie in der Literatur
gesichtet und bewertet (14). Insgesamt fanden sie 64 Fallberichte, wovon 60 die
Einschlusskriterien erfüllten (60% Frauen; Altersspanne 63-89 Jahre). Der
mittlere Kreatininwert der betroffenen Patienten betrug 6 mg/dl, drei Patienten
benötigten eine Dialysebehandlung. Bei 47 Patienten wurde ein Zusammenhang mit
Omeprazol, bei sechs mit Pantoprazol, bei drei mit Esomeprazol und bei jeweils
zwei mit Lansoprazol bzw. Rabeprazol vermutet. Bei vier Patienten wurde der
Zusammenhang durch einen Reexpositionsversuch mit dem PPI erhärtet. Die
Kausalität wurde bei zwölf Patienten als sicher bewertet, bei neun als
wahrscheinlich, möglich bei 37 und bei zwei als unwahrscheinlich. Die mittlere
Dauer der PPI-Einnahme bis zum Auftreten der AIN betrug 13 Wochen (2-52 Wochen,
bei 66% der Patienten < 12 Wochen). Histologisch fand sich bei allen
biopsierten Patienten eine lymphozytäre und bei 80% eine eosinophile
Infiltration. Bei allen Patienten wurde der PPI nach Diagnosestellung abgesetzt
und bei 34% zusätzlich ein Glukokortikoid verordnet. Alle Patienten überlebten
die UAW, ein Patient blieb dauerhaft dialysepflichtig, alle übrigen erholten
sich innerhalb von 2-156 Wochen. Die Autoren meinen, dass eine AIN unter PPI
vor dem Hintergrund der großen Verordnungszahlen ein sehr seltenes und kaum
voraussagbares Ereignis ist.
Relevanter erscheint die Diskussion, ob eine
Langzeit-Behandlung mit PPI zu einer Störung des Knochenstoffwechsels mit vermehrten Frakturen führt. Durch das saure Milieu im Magen wird
Nahrungskalzium aus den Salzen gelöst und kann resorbiert werden. Nach
Gastrektomie und bei perniziöser Anämie (atrophischer Gastritis) besteht sowohl
tierexperimentell als auch in Fall-Kontroll-Studien beim Menschen ein erhöhtes
Risiko für Osteopenie und Frakturen. Omeprazol hemmt darüber hinaus im
Tierexperiment die osteoklastische H+-K+-ATPase und führt indirekt zu einer
vermehrten Knochenresorption. Es gibt daher den Verdacht, dass eine dauerhafte
Minderung der Säureproduktion durch PPI, insbesondere beim älteren Menschen und
bei Hochdosistherapie, in den Knochenstoffwechsel eingreifen kann. Gestützt
wird diese These durch eine dänische Fall-Kontroll-Studie an 14 557
Patienten mit Frakturen. Diese ergab, dass Patienten mit PPI-Dauertherapie ein
45-60% erhöhtes Frakturrisiko (Hüfte, Wirbelkörper) hatten, ohne dass
allerdings Dosis und Dauer der PPI-Exposition detaillierter analysiert wurden.
Patienten mit anderen Antazida hatten sogar ein 80-103% erhöhtes Risiko, was
auch für die gestörte Kalziumresorption spricht (15).
In einer zweiten, methodisch exakten britischen
Fall-Kontroll-Studie (16) wurden aus der General Practice Research Database
(GPRD, 1987-2003) über 192 000 Patienten mit PPI-Dauermedikation
(mindestens 1 Jahr; Alter > 50 Jahre), die bislang noch keine Hüftfraktur
hatten, identifiziert. Als Fälle wurden die Patienten definiert, die ab dem
Studienbeginn eine Hüftfraktur erlitten (n =13 556). Als Kontrollen wurden
pro Fall zehn alters- und geschlechtsgleiche Patienten gewählt (n =
135 386; matched controls). Die Inzidenz von Hüftfrakturen betrug bei
PPI-Daueranwendern 4/1000 und bei den Nicht-Anwendern 1,8/1000 Patientenjahre.
Das Auftreten einer Hüftfraktur war unter anderem mit folgenden klinischen
Faktoren (Odds ratios = OR) assoziiert: BMI < 20 kg/m2 (1,9),
Alkoholismus (4,7), Demenz (3,4), Epilepsie (3,1) eingeschränkte Mobilität (2,6),
Rauchen (1,5), Diabetes mellitus und Herzinsuffizienz (jeweils 1,5). Weiterhin
fanden sich häufiger Hüftfrakturen u.a. bei folgenden Medikamenten:
Parkinsonmittel (3,8), Antikonvulsiva (3,4), Antipsychotika (3,3),
Kortikosteroide (2,2) und Antidepressiva (2,1). Auch für die PPI-Therapie wurde
ein erhöhtes Frakturrisiko berechnet, und zwar zeit- und dosisabhängig: (OR:
1,4 nach einem Jahr, 1,8 nach zwei, 2,1 nach drei und 2,1 nach vier Jahren) und
adjustierte OR bei Hochdosistherapie: 2,6.
Einschränkend ist zu sagen, dass Patienten mit vielen
Komorbiditäten (Malnutrition, Bewegungsmangel, verminderte Lichtexposition)
nicht nur eine größere Wahrscheinlichkeit für Frakturen, sondern auch für die
Anwendung von PPI haben. Insofern kann eine Kausalität mit diesen Daten nicht
bewiesen werden, wenngleich die Dosisabhängigkeit doch ein Indiz sein kann. Da
viele Patienten mit Osteoporose wegen der potenziell schleimhautschädigenden
UAW oraler Bisphosphonate auch PPI einnehmen, ist eine Klärung der Wirkung von
PPI auf den Knochenstoffwechsel dringend notwendig.
PPI stehen auch im Verdacht, Diarrhöen zu
begünstigen. PPI können zur bakteriellen Besiedlung des normalerweise keimarmen
oberen GI-Trakts führen. Dies ist ein Risiko für infektiöse Diarrhöen generell
und wahrscheinlich auch für Clostridium-difficile(CD)-Infektionen speziell. Mit
der Nahrung aufgenommene Sporen von CD haben im Magen eine größere
Überlebenschance, wenn dort ein höherer pH-Wert besteht.
Diarrhöen, ausgelöst durch CD-Toxine, haben sich in
den vergangenen Jahren zu einem schwerwiegenden klinischen Problem entwickelt.
Die Inzidenz nimmt exponenziell zu, insbesondere auch im ambulanten Bereich (17).
Bekannte Risiken für eine CD-Infektion sind der Einsatz von Breitspektrum-Antibiotika,
Sondenernährung, Immunsuppression, höheres Lebensalter, viele Komorbiditäten,
Niereninsuffizienz und ein langer Krankenhausaufenthalt.
Eine Studie aus Montreal untersuchte den angenommenen
Zusammenhang zwischen CD-Diarrhö und PPI (18). Hierzu wählten die Autoren zwei
Ansätze. In einer retrospektiven Kohortenstudie wurden auf zwei internistischen
und einer herzchirurgischen Station 1187 Patienten identifiziert, die neun
Monate lang Antibiotika erhalten hatten. Diese Stationen wurden ausgewählt, weil
sich dort im Jahr zuvor eine Häufung von CD-Infektionen ergeben hatten. Über
die Mikrobiologische Abteilung wurden innerhalb dieser Antibiotika-Kohorte alle
Patienten mit Nachweis von CD-Toxin identifiziert (n = 81; 6,8%). Bei Patienten
mit PPI wurde mehr als doppelt so häufig CD-Toxin nachgewiesen als bei
Patienten ohne PPI: 9,3% vs. 4,4%. In einer multivariaten Analyse war der
Gebrauch von PPI (adjustierte OR: 2,1), die Behandlung mit drei oder mehr
Antibiotika (OR: 2,1) und die Aufnahme auf die internistische Station (OR: 4,1)
signifikant mit der CD-Infektion assoziiert.
Die gleiche Studiengruppe führte auch eine
Fall-Kontroll-Studie an einem zweiten Krankenhaus in Montreal durch. In dieser
Studie wurden 94 Patienten mit Diarrhö und Nachweis von CD-Toxin (Fälle)
jeweils einem gleichalten, gleichgeschlechtlichen Patienten zugeordnet, der im
gleichen Zeitraum auf der gleichen Station ein Antibiotikum der gleichen Klasse
erhalten hatte. Bei dieser Analyse erwiesen sich in einer multivariaten
Regressionsanalyse das weibliche Geschlecht (OR: 2,1), eine Anamnese mit
Nierenversagen (OR: 4,3), eine Krankenhausbehandlung innerhalb von drei Monaten
vor dem Indexereignis (OR: 2,6) und der Gebrauch von PPI (OR: 2,7) als Risiko
für das Auftreten einer CD-Diarrhö.
Ein Jahr später publizierte die gleiche Gruppe die
Ergebnisse einer Analyse aus dem britischen GPRD-Register (s.o.). Hierbei
konnten sie zeigen, dass sich die Inzidenz der CD-Infektionen (n = 1672)
zwischen den Jahren 1994-2004 in Großbritannien verzwanzigfacht hat (von
1/100 000 auf 22/100 000) und dass die überwiegende Zahl der
Patienten ambulant behandelt wird (74%). In diesem Zeitraum sank im Übrigen die
Zahl der Verordnungen von Antibiotika um etwa ein Drittel, während die
Verordnungen von PPI deutlich stiegen. Die ambulant behandelten Patienten mit
CD-Infektionen (n = 1233) wurden mittels einer Fall-Kontroll-Studie, bei der
jedem Fall zehn gematchte Kontrollen zugeordnet wurden, einer Risikoanalyse
unterzogen. Hierbei erwiesen sich folgende Parameter als signifikant mit der
CD-Infektion assoziiert: MRSA-Besiedelung (adjustiertes RR: 4,2),
Niereninsuffizienz (RR: 3,7), entzündliche Darmerkrankung (RR: 3,6),
Antibiotikaeinsatz 90 Tage zuvor (RR: 3,1), aktuelle PPI-Einnahme (RR: 2,9),
aktuelle H2-Blocker-Einnahme (RR: 2,0), Krebserkrankung (RR: 1,9),
perniziöse Anämie (RR: 1,8) und aktuelle NSAID-Einnahme (RR: 1,3).
Insgesamt gibt es mehr als fünf größere
Bevölkerungs-basierte Studien, die einen Zusammenhang zwischen PPI und
CD-Infektionen fanden. Alle errechnen eine ähnliche Risikoerhöhung durch die
PPI (2,5-2,9). Es ist allerdings schwierig, hieraus eine Kausalität abzuleiten.
Trotzdem sollte ein möglicher Zusammenhang bei der Langzeitverordnung von PPI,
insbesondere bei Risikopatienten (Alter > 65 Jahre, Niereninsuffizienz,
zurückliegende Antibiotikatherapie bzw. Krankenhausaufenthalt) bedacht werden.
Forderungen einzelner Autoren nach einer strengen Verordnungsstrategie, insbesondere
in den Krankenhäusern (19), erscheinen uns vor diesem Hintergrund berechtigt.
Bakterielle Besiedelung des oberen
Gastrointestinaltrakts unter säureblockierender Behandlung gilt auch als
Pathomechanismus für vermehrte pulmonale Infektionen, denn die Bakterien
können aspiriert werden. Zudem gibt es experimentelle Hinweise, dass
Säureblocker auch die unspezifische und T-Zell-vermittelte Immunität negativ beeinflussen
(20). In einer Fall-Kontroll-Studie wurden in den Niederlanden Patienten mit
ambulant erworbener Pneumonie (Community acquired pneumonia = CAP) im
Zusammenhang mit einer säurehemmenden Therapie untersucht (20). Die Inzidenz
von CAP betrug ohne Säureblockade 0,6/100 Personenjahre und bei Patienten mit H2-Blockern
oder PPI 2,3 bzw. 2,5/100 Personenjahre. Der Gebrauch von PPI war insgesamt mit
einem 4,5-fach höheren Risiko für CAP verbunden. Das Risiko war bei den
aktuellen PPI-Anwendern größer als bei den Patienten, die früher PPI
eingenommen hatten (RR: 1,89: 95%-CI: 1,36-2,32).
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