Bei kardialen Vorerkrankungen oder Risikofaktoren für
Herz-Kreislauf-Erkrankungen kommt es perioperativ, auch bei nicht-kardialen
Operationen, bei etwa 1% der Patienten zu kardiovaskulären Komplikationen. Bei
Patienten, die nicht operiert werden müssen, ist der Nutzen von Betablockern hinsichtlich
Vermeidung kardiovaskulärer Komplikationen bei (komplizierter) Hypertonie,
koronarer Herzerkrankung und Herzinsuffizienz erwiesen. Es liegt daher nahe zu
vermuten, dass Betablocker auch perioperativ hilfreich sind. Diese Vermutung
wird u.a. unterstützt durch ein sehr großes Register, über das wir berichtet
haben (1). Danach erhöhten Betablocker zwar die Letalität bei Patienten ohne
kardiovaskuläre Risikofaktoren (Odds-Ratio = OR: 1,38), mit ansteigendem
kardiovaskulärem Risiko (drei Risikogruppen) minderten sie jedoch die Letalität
(OR 0,88; 0,71; 0,58). In diesem Register war die Dosierung der Betablocker den
behandelnden Ärzten überlassen.
In einer US-amerikanischen Leitlinie (American
College of Cardiology und American Heart Association) werden Betablocker bei
einem erhöhten kardiovaskulären Risiko für die perioperative Phase empfohlen.
Die Dosierung wird nicht erwähnt (zit. n. 2). Nun ist eine randomisierte,
kontrollierte Studie zur Wirkung von zweimal 100 mg Metoprololsuccinat (in
retardierter Form) in der perioperativen Phase erschienen (3). Eingeschlossen
wurden 8351 Patienten in 23 Ländern und 190 Krankenhäusern.
Einschlusskriterien: Operation nicht am Herzen, Alter > 45 Jahre; zusätzlich
eins der folgenden Kriterien: kardiovaskuläre Erkrankung in der Anamnese;
Gefäßoperation geplant oder drei von sieben Risikofaktoren: intraperitoneale
oder intrathorakale Operation, in der Anamnese: Herzinsuffizienz, Diabetes,
TIA, Niereninsuffizienz, Alter > 70 Jahre oder Notoperation.
Kontraindikationen gegen Betablocker-Behandlung waren ein Ausschlusskriterium.
Die erste Dosis (100 mg) wurde 2-4 Stunden vor der Operation gegeben, die
zweite Dosis (100 mg) spätestens sechs Stunden nach Ende der Operation,
regelmäßige weitere Dosierungen im Verlauf der nächsten 30 Tage. Der
kombinierte primäre Endpunkt war: kardiovaskulärer Tod, nicht-tödlicher
Herzinfarkt oder erfolgreiche Reanimation nach Herzstillstand im Verlauf der
ersten 30 Tage.
Die Ergebnisse sind in Tab. 1 zusammengefasst. Unter
Metoprolol kam es seltener zum kombinierten primären Endpunkt, weil weniger
Herzinfarkte auftraten. Sowohl die kardiovaskuläre Letalität als auch die
Gesamtletalität sind jedoch höher. Auch Schlaganfall, Herzinsuffizienz,
Hypotension und Bradykardie sind unter Metoprolol in dieser Studie häufiger.
Speziell die höhere Letalität ist Besorgnis erregend.
Müssen Betablocker in der perioperativen Phase also
gemieden werden? Wir meinen nicht, denn in dieser Studie wurde ein
wirklichkeitsfremdes Dosierungsschema gewählt: Abrupter Beginn mit zweimal 100
mg Metoprolol unmittelbar prä- und postoperativ. Es verwundert, dass die
Ethikkommissionen dem zugestimmt haben. Eingeschlossen wurden immerhin
Risikopatienten, auch solche mit koronarer Herzkrankheit und Herzinsuffizienz.
Empfohlen und in der internistischen Praxis üblich sind bei diesen Indikationen
im Verlauf von Tagen ansteigende Dosierungen von 10-100 mg (z.B. 4, 5). Es ist
durchaus denkbar, dass sowohl die erhöhte kardiovaskuläre als auch die
Gesamtletalität damit zu tun hatten, dass unter Metoprolol häufiger
Bradykardien und Hypotensionen auftraten. Möglicherweise waren die so behandelten
Patienten nicht in der Lage, bei ansonsten wenig bedeutsamen Komplikationen den
Kreislauf angemessen zu regulieren. Diese Meinung wird auch in einem Editorial
im selben Heft geäußert (2). Aus den Ergebnissen dieser Arbeit, in der
Metoprolol perioperativ abrupt und hoch dosiert wurde, kann keine generelle
Kontraindikation für Betablocker in der perioperativen Phase abgeleitet werden.
Gut eingestellte Patienten können weiterbehandelt werden. Eine Neubehandlung
sollte mit langsam ansteigender Dosierung einige Tage vor der geplanten
Operation begonnen werden. Dabei sollten nicht die höchsten empfohlenen
Dosierungen angestrebt werden. Eine neue randomisierte Studie mit
vorsichtigerem Dosierungsschema ist vielleicht ethisch nicht vertretbar, aber
ein gut kontrolliertes Register. Wahrscheinlich kommt es aber nicht dazu, weil
sich keine Sponsoren finden. Dann wird man sich mit der vorhandenen Datenlage
zufrieden geben müssen (z.B. 1).
Fazit: In
der POISE-Studie traten unter Betablocker-Therapie in der postoperativen Phase
weniger Herzinfarkte aber mehr Schlaganfälle auf. Kardiovaskuläre und
Gesamtletalität waren höher. Allerdings wurde Metoprolol abrupt und sehr hoch
dosiert (zweimal 100 mg), so dass sich die Ergebnisse nicht auf die üblichen
Dosierungen übertragen lassen.
Literatur
-
Lindenauer, P.K., et al.: N.
Engl. J. Med. 2005, 353, 349
; s.a. AMB
2005, 39, 66. 
-
Fleisher, L.A., und Poldermans,
D.: Lancet 2008, 371, 1813.

-
Devereaux, P.J., et al. (POISE = PeriOperative ISchemic
Evaluation): Lancet 2008, 371,1839.

-
Arzneiverordnungen. 21. Aufl.
2006, Deutscher Ärzte-Verlag, Köln.
-
Therapieempfehlungen der
Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft 2002. Deutscher Ärzte Verlag,
Köln. S.a.:

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