Cilostazol (Pletal®), ein Hemmstoff der
Phosphodiesterase III, ist seit dem 1.1.2007 in Deutschland zur Behandlung der
Claudicatio intermittens (pAVK) zugelassen. Die UK-Zulassungsbehörde hat im
Rahmen der gegenseitigen innereuropäischen Anerkennung die Zulassung offiziell
begründet (1): „Cilostazol verlängert die schmerzfreie Gehstrecke durch
Besserung der Durchblutung.”
Eine neuere Übersicht der Cochrane Collaboration (2)
untersuchte in einer Metaanalyse sieben kontrollierte randomisierte Studien,
die Cilostazol mit Plazebo vergleichen. Endpunkte waren Besserung der absoluten
und schmerzfreien Gehstrecke sowie kardiovaskuläre Ereignisse und Letalität.
Insgesamt wurden in den Studien etwa 2 400 Patienten eingeschlossen und randomisiert.
Ergebnis: Cilostazol verlängerte im Vergleich zu Plazebo (!) in einer Dosierung
von zweimal 100 mg/d nach einer Behandlungszeit von 12-24 Wochen die
schmerzfreie Gehstrecke um 31,1 m (95%-Konfidenzintervall = CI: 21,3-40,9 m),
bei einer Dosierung von zweimal 50 mg/d um 41,3 m (CI: -7,1-89,7 m) und bei
zweimal 150 mg/d um 15,7 m (CI: -9,6-41,0 m). Eine feste Dosis-Wirkungs-Beziehung
ergibt sich also nicht. Das ist ein Hinweis darauf, dass bei den Veränderungen
der Gehstrecke der Zufall eine große Rolle spielt.
Eine der eingeschlossenen Studien (3) vergleicht die
Wirkung auch mit Pentoxifyllin (Trental® u.a.) und stellt eine
deutliche Überlegenheit von Cilostazol fest. Eine zweite mit Plazebo vergleichende
Studie wurde in die Cochrane-Metaanalyse erstaunlicherweise nicht eingeschlossen
aber im Zulassungsverfahren der europäischen Behörde berücksichtigt (1). In
dieser Studie waren Cilostazol und Pentoxyfyllin gleich wirksam. Die Cochrane-Metaanalyse
schließt: ”Cilostazol verbessert die Gehstrecke von Menschen mit Claudicatio
intermittens. Es gibt keine Daten, ob kardiovaskuläre Komplikationen vermindert
werden.”
Einen direkten Wirkungsvergleich mit Naftidrofuryl (Dusodril®
u.a.) gibt es nicht. Die beim Vergleich von Naftidrofuryl mit Plazebo
beobachtete Verlängerung der Gehstrecke ist allerdings ähnlich wie bei
Cilostazol und Pentoxifyllin. Ein Zusatznutzen des neuen Präparats über die zur
Verfügung stehenden Medikamente ist also nicht nachgewiesen. Und selbst einen
Zusatznutzen zur Basistherapie (s.u.) kann man nicht beurteilen, weil darüber
in den Studien nicht regelmäßig berichtet wird.
Die unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) von Cilostazol,
wie Übelkeit, Durchfall, Bauchschmerzen und Kopfschmerzen, sind häufig. Gefährlicher
sind die kardialen UAW: Herzrhythmusstörungen, Herzinsuffizienz, Ödeme. Cilostazol
wird wie viele andere Medikamente (z.B. Ketoconazol, Erythromycin, Diltiazem,
Chinidin) über die Zytochrome P450 abgebaut. Bei höheren Blutspiegeln können
einige dieser Medikamente Herzrhythmusstörungen oder Herzinsuffizienz
verursachen. Interaktionen gibt es aber auch mit Azetylsalizylsäure, Warfarin,
Clopidogrel, Statinen und Omeprazol. Bei Menschen mit pAVK ist
Polypharmakotherapie häufig unumgänglich. Cilostazol ist dann ein bedenklicher
Kombinationspartner. In der Datenbank des deutschen Spontanmeldesystems
(gemeinsame Datenbank von BfArM und AkdÄ) finden sich 140 Verdachtsmeldungen zu
Cilostazol. 51 Meldungen betrafen zum Teil ernste kardiovaskuläre Symptome und/oder
Erkrankungen (UAW-Recherche der AkdÄ). Hier handelt es sich um erste Hinweise
auf das UAW-Profil nach der Zulassung. Weitere Meldungen sind wichtig. Die
entsprechenden Formulare finden sich regelmäßig im Deutschen Ärzteblatt. Die
UAW-Meldungen können jetzt aber auch online erfolgen (8).
Trotz aller Bedenken hat sich das Medikament schon im
ersten Jahr gut verkauft: 1,4 Mio. Tagesdosen (DDD) trotz vergleichsweise hoher
Tagestherapiekosten von 2,34 EUR (zum Vergleich: Pentoxyfyllin 28,2 Mio.
DDD/0,61 EUR; Naftidrofuryl 11,6 Mio. DDD/1,18 EUR; Buflomedil 0,5 Mio.
DDD/0,95 EUR.)
Die zusammenfassenden Übersichten und Leitlinien (z.B.
5, 6) differenzieren die Therapie bei pAVK nach den Stadien der Erkrankung (I =
asymptomatisch; II = Belastungsschmerz; III = Ruheschmerz; IV = Nekrosen). Im
Stadium II steht Gehtraining (7) und Nikotinkarenz (Stop smoking, keep
walking!) ganz im Vordergrund und natürlich die Behandlung der Risikofaktoren
der Arteriosklerose. Auch rekanalisierende Interventionen sind in vielen Fällen
möglich. Ein Behandlungsversuch mit Medikamenten zur Förderung der Durchblutung
ist auf die Patienten beschränkt, bei denen Gehtraining und Interventionen
nicht in Frage kommen. Das ist immer seltener der Fall. Die Verordnungen der durchblutungsfördernden
Medikamente sind daher massiv zurückgegangen (4).
Fazit: Bei
der Behandlung der pAVK ist ein Zusatznutzen von Cilostazol (Pletal®)
über die bereits zur Verfügung stehenden Medikamente hinaus nicht nachgewiesen.
Die Tagestherapiekosten sind hoch. Die Kombinierbarkeit mit anderen
Medikamenten ist eingeschränkt.
Literatur
-
http://www.mhra.gov.uk/home/groups/pl-a/documents/websiteresources/con020797.pdf
-
Robless, P., et al.: Cochrane
Database of Systematic Reviews 2008, Issue 4. http://www.mrw.interscience.wiley.com/cochrane/clsysrev/articles/CD003748/frame.html
-
Dawson, D.L.: Am. J. Cardiol. 2001, 87, 19D.
-
Schwabe, U., und Paffrath, D.:
Arzneiverordnungs-Report 2008. Springer Medizin Verlag, Heidelberg.
-
Arzneimittelkommission der
deutschen Ärzteschaft: (a) Therapieempfehlungen pAVK, 3. Aufl. 2004: http://www.akdae.de/35/72_pAVK_2004_3Auflage.pdf
und (b) Arzneiverordnungen in der Praxis, 22. Aufl. (in Vorbereitung).
-
Hirsh, A.T., et al.: J.
Am. Coll. Cardiol. 2006, 47, 1239.
-
Bendermacher, B.L.W.,
et al.: Cochrane Database of Systematic Reviews 2006, Issue.2: http://mrw.interscience.wiley.com/cochrane/clsysrev/articles/CD005263/frame.html
-
www.akdae.de
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