Rimonabant ist ein Antagonist des
Cannabinoid-Typ-1-Rezeptors, der zu Appetitminderung, Gewichtsabnahme und
Anstieg des HDL-Cholesterins im Serum führt. Wir haben mehrfach über
Eigenschaften (1), Zulassung durch die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMEA)
2006 (nicht durch die FDA; 2) und über die Marktrücknahme 2008 (3) berichtet.
Im Jahr 2005 initiierte die Herstellerfirma
Sanofi-Aventis die auf 33 Monate angelegte umfangreiche CRESCENDO-Studie.
Insgesamt 18.695 Probanden aus 42 Ländern nahmen nach Randomisierung doppeltblind
entweder 20 mg/d Rimonabant oder Plazebo ein (4). Die Probanden mussten älter
als 55 Jahre sein und einen Taillenumfang von mehr als 88 cm (Frauen) bzw.
102 cm (Männer) haben. Sie mussten entweder in den vergangenen drei Jahren
eine manifeste KHK bzw. eine zerebrale oder periphere Arterienerkrankung gehabt
haben oder mindestens zwei kardiovaskuläre Risikofaktoren aufweisen. Der
mittlere BMI war in beiden Gruppen ca. 33 kg/m2. Somit handelte
es sich um eine Studie der Primär- und Sekundär-Prävention. Der primäre
Endpunkt war eine Kombination von kardiovaskulärem Tod, Herzinfarkt oder
Schlaganfall.
Im Jahr 2008, als die Rekrutierung für die Studie
abgeschlossen war, wurde sie nach einer Laufzeit von im Mittel 13,8 Monaten
abgebrochen, nachdem sich die EMEA im Oktober 2008 wegen der nach Zulassung
beobachteten schweren psychiatrischen UAW (Suizide und Suizidversuche) für ein
Ruhen der Zulassung von Rimonabant ausgesprochen hatte. Der Hersteller stellte
daraufhin die Vermarktung ein. Die wesentlichen Ergebnisse der jetzt erst
veröffentlichten CRESCENDO-Studie waren der EMEA im Herbst 2008 bereits
bekannt. Es zeigte sich, dass das Risiko, ein Ereignis des primären Endpunkts
zu erleiden, in der Verum-Gruppe um 3% niedriger war als unter Plazebo (Hazard
ratio: 0,97; CI: 0,84-1,12; p = 0,68). Gastrointestinale
UAW waren aber mit 33% vs. 22% und neuropsychiatrische UAW mit 32% vs. 21%
signifikant häufiger unter Rimonabant als unter Plazebo. Vier Probanden unter
Verum- und einer in der Plazebo-Gruppe verübten Suizid.
In der Diskussion des Artikels weisen die Autoren
darauf hin, dass man nach einer so kurzen Laufzeit noch keinen signifikanten
protektiven Effekt hinsichtlich schwerer kardiovaskulärer Komplikationen
erwarten kann und dass hierfür eine längere Zeit erforderlich sei. Sie
beschweren sich über den Zwang zum Abbruch der Studie, obwohl bei der Anwendung
anderer Arzneimittel mitunter schwere UAW in Kauf genommen werden, z.B.
Hirnblutungen bei thrombolytischer Therapie wegen Myokardinfarkt. Die Kommentatoren
dieser Studie aus den Niederlanden (5) weisen mit Recht darauf hin, dass es
sich bei der Thrombolyse wegen Herzinfarkt um die Therapie einer
lebensbedrohlichen Krankheit handelt, während Rimonabant ein mit
prophylaktischer Zielsetzung verabreichtes Arzneimittel ist, an dessen
Sicherheitsprofil wesentlich strengere Maßstäbe anzulegen sind. In unserer
Erstbesprechung von Rimonabant (1) hatten wir uns wegen der bereits absehbaren
neuropsychiatrischen UAW sehr kritisch zur Zulassung dieses Arzneimittels
geäußert. Nach der Marktrücknahme des Appetitzüglers Sibutramin (6) wegen
inakzeptabler kardiovaskulärer UAW sind Ärzte und Patienten jetzt wieder auf
die natürlichen, aber unbequemen Maßnahmen zur Eindämmung der
Adipositas-Epidemie angewiesen: Mehr Bewegung, qualitative Ernährungsumstellung
und Kalorienrestriktion.
Fazit: Die
erst jetzt veröffentlichte CRESCENDO-Studie lässt erkennen, dass die
Marktrücknahme von Rimonabant (Acomplia®) vor zwei Jahren eine
richtige Entscheidung war.
Literatur
-
AMB 2007, 41,
65.

-
AMB 2008, 42,
01.

-
AMB 2008, 42,
92b.

-
Topol, E.J., et al. (CRESCENDO = Comprehensive Rimonabant
Evaluation Study of Cardiovascular ENDpoints and Outcomes):
Lancet 2010, 376, 517.

-
Boekholdt, S.M., und
Peters, R.J.: Lancet 2010, 376, 489.

-
AMB 2010, 44, 15b.

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